Berlin. Großbritannien steuert ins Chaos – und doch hat der Brexit weiter Anhänger. Bei „Anne Will“ erklärte sich ein britischer Abgeordneter.

Anne Will nimmt sich den Brexit vor: Der geplannte EU-Austritt Großbritanniens wird für die Briten immer mehr zum Alptraum.

Während schon ein normaler EU-Austritt viele Unwägbarkeiten mit sich brächte, steuert das Königreich derzeit gar auf eine ungeordnete Scheidung hin. Und doch finden sich in Großbritannien noch immer zahlreiche Anhänger der Austrittspläne. Wie kann das sein?

Eine Antwort auf diese Frage lieferte im Kleinen am Sonntagabend „Anne Will“. Es trat auf: Greg Hands, britischer Abgeordneter von Mays konservativer Partei – und Brexit-Befürworter.

„Anne Will“-Runde debattiert über Brexit – mit diesen Gästen:

  • Jean Asselborn, Außenminister von Luxemburg
  • Greg Hands, Tory-Abgeordneter und ehem. Staatssekretär im britischen Außenhandelsministerium
  • Sahra Wagenknecht (Die Linke), Fraktionsvorsitzende im Bundestag
  • Norbert Röttgen (CDU), Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestages
  • Kate Connolly, Berlin-Korrespondentin von „The Guardian“ und „The Observer“

Wie ein Brexit-Anhänger tickt

Wie kann man für etwas sein, das so viel Chaos stiftet, Herr Hands? Diesen entscheidenden Punkt beantwortet der Abgeordnete mit einem Verweis auf die Demokratie: „Ich war zunächst auch dagegen, aber es ist der Wille des Volkes.“ Klingt vernünftig, allerdings wussten damals viele noch nicht, was der EU-Austritt eigentlich bedeutet.

Sollte man also nicht noch mal abstimmen lassen ?

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Das fände Hands „undemokratisch“, weil die Entscheidung nun mal gefallen sei. Ein Standpunkt, der sich gut infrage stellen lässt – schließlich liegen mittlerweile so viele neue Fakten zum Brexit vor, dass sich viele Wähler laut Umfragen korrigieren möchten.

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Eine andere Kritik an diesem Weg leuchtete aber ein. Erstens würde ein zweites Referendum viel Zeit kosten, argumentierte Hands. Zweitens sei völlig unklar, worüber eigentlich abgestimmt werden soll. Ja oder nein zur EU? Zu dem von May mit der EU ausgehandelten Vertrag?

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„Anne Will“: Die Irlandfrage ist die Gretchenfrage

Greg Hands, Tory-Abgeordneter und ehemaliger Staatssekretär im britischen Außenhandelsministerium.
Greg Hands, Tory-Abgeordneter und ehemaliger Staatssekretär im britischen Außenhandelsministerium. © imago/Jürgen Heinrich | Jürgen Heinrich

Doch was wollen britische Politiker wie Hands dann? Inhaltlich vertrat der Abgeordnete einen problematischen Standpunkt: Man will nicht ungeordnet, aber auch nicht unter den Bedingungen von Mays Vertrag ausscheiden. Was also sonst? Nachverhandeln!, lautet Hands‘ Devise.

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Vor allem bereitet ihm und vielen anderen Konservativen Sorge, dass durch das Abkommen eine Grenze in Irland entstehen könnte.

Die Haltung ist aus politischen und wirtschaftlichen Gründen verständlich, zugleich aber schizophren: Einerseits fordern Hands und seinesgleichen, dass Großbritannien seine Grenzen wieder voll kontrollieren kann. Andererseits soll dies aber für und in Irland bitte nicht gelten.

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    Der Dialog des Abends bei „Anne Will“...

    ...fand zwischen Hands und dem luxemburgischen Außenminister Jean Asselborn statt. „Die EU hat viele Schritte auf euch zu gemacht“, sagte Asselborn. „Nein!“, erwiderte der Brite. Asselborn: „Sagen Sie uns doch, was sie wollen.

    Sie wissen nur, was sie nicht wollen: Keinen No-Deal, keinen Deal.“ So dürften zusammengefasst auch die Verhandlungen zwischen der EU und den Briten abgelaufen sein.

    Wie könnte es weitergehen?

    Die Lage, das machte Hands deutlich, ist auf britischer Seite reichlich Verfahren. Wie es weitergehen könnte, schilderte der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen: „Die Hoffnung ist sehr gering, dass May noch eine Mehrheit organisieren wird“, sagte er. Am Ende werde wohl das Parlament entscheidend sein.

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      Tatsächlich gehen auch viele in Großbritannien davon aus, dass sich die Abgeordneten unterhalb ihrer Parteiführungen organisieren könnten.

      Über die Verhandlungen von kleinen Anträgen könnte so doch noch ein Kompromiss zustande kommen. „Falls das scheitert, muss es ein zweites Referendum geben“, prognostizierte Röttgen.

      Das Fazit

      Die Stärke dieser Ausgabe von „Anne Will“ lag darin, dass hier nicht nur über die Beweggründe der britischen Politik gesprochen wurde, sondern ein direkt Beteiligter selbst zu Wort kam.

      Zudem wurde auch die andere Seite geschildert, indem die britische Journalistin Kate Connolly erklären konnte, weshalb sie wegen des Brexits eine deutsche Staatsbürgerschaft annahm. „Ich wollte frei sein von diesem ganzen Schlamassel“, sagte Connolly.

      Als Brexit-Gegnerin argumentierte Connolly letztlich übrigens auch gegen May. Und zollte ihr doch Respekt: Sie mache trotz aller Niederlagen weiter. Während die Väter des Brexits – David Cameron, Nigel Farage, Boris Johnson – sich längst aus dem Staub gemacht haben.