Kairo. Der US-Präsident droht Syriens Regime mit einem weiteren Vergeltungsschlag. Russland schützt seinen Verbündeten und reagiert empört.

So scharf hat das Weiße Haus dem syrischen Diktator Baschar al-Assad noch nie gedroht. Man habe Hinweise, dass das Regime erneut einen Giftgasangriff und damit einen Massenmord an Zivilisten vorbereite, erklärte der Sprecher von US-Präsident Donald Trump, Sean Spicer, am Dienstag in Washington.

Sollte das Regime dieses Vorhaben ausführen, würden Assad und seine Militärs dafür „einen hohen Preis“ bezahlen, sagte Spicer weiter – Sätze, die sofort neuen Streit zwischen Washington und Moskau entfachten. Empört wies der Kreml „die Drohungen gegen die legitime syrische Führung“ zurück und nannte sie „unakzeptabel“.

Erste direkte militärische Konfrontation im April

Nach Angaben des Weißen Hauses sind die derzeitigen Aktivitäten ähnlich wie vor dem mutmaßlichen Giftgas-Angriff am 4. April auf die Ortschaft Khan Sheikhun in der Provinz Idlib, bei dem mindestens 87 Menschen starben, darunter viele Kinder, und über 500 verletzt wurden.

Als Reaktion ordnete Präsident Trump damals Vergeltungsschläge an und löste damit die erste direkte militärische Konfrontation der Vereinigten Staaten mit dem Assad-Regime aus. Kriegsschiffe im Mittelmeer feuerten 59 Cruise Missiles auf die Luftwaffenbasis Shayrat westlich von Homs, von wo nach US-Erkenntnissen der Bomber mit der Giftgasrakete an Bord gestartet war.

Russland kappte die einzige Verbindung zu den USA

Vergangene Woche kam es zu einem weiteren Zusammenstoß, als ein F-18-Kampfjet eine syrische Su-22-Maschine abschoss, die mit den USA verbündete Einheiten der „Syrischen Demokratischen Kräfte“ (SDF) attackiert hatte. Russland kappte daraufhin den direkten Draht zwischen beiden Supermächten, die Zusammenstöße über syrischem Territorium verhindern soll.

Inzwischen beeilte sich der US-Verteidigungsminister James Mattis zu versichern, dass die USA nicht vorhätten, sich tiefer in den syrischen Bürgerkrieg hineinziehen zu lassen. Der Fokus liege auf der Bekämpfung des „Islamischen Staates“ (IS), sagte Mattis. „Wir spielen das Ganze sehr vorsichtig, aber je enger es wird, desto komplexer.“ Ziel sei es, den Bürgerkrieg mit diplomatischen Mitteln beizulegen. Der Pentagonchef bekräftigte, ihm sei daran gelegen, die vom Kreml unterbrochene direkte Verbindung zwischen den amerikanischen und russischen Einsatzplanern zu reinstallieren.

Briten und Franzosen stellen sich hinter die USA

Die von den USA bewaffneten und trainierten Kämpfer der „Syrischen Demokratischen Kräfte“ belagern seit drei Wochen die syrische IS-Hochburg Rakka und drangen teilweise bereits auf das Stadtgebiet vor. Die IS-Führung dagegen zieht offenbar ihre verbliebenen Kräfte aus Irak und Syrien im südöstlichen Hinterland von Rakka zusammen. Seit Beginn der Rakka-Offensive am 6. Juni flogen die USA und ihre Verbündeten mindestens 384 Luftangriffe, bei denen bisher mehr als 700 Zivilisten starben, das sind 35 am Tag.

Der britische Verteidigungsminister Michael Fallon stellte sich am Dienstag in der BBC hinter die harte Trump-Linie. „Eine Militäraktion muss gerechtfertigt sein, legal und angemessen, und sie muss notwendig sein“, erklärte Fallon. Falls die USA gegen Syrien einen ähnlichen Angriff wie im April unternehmen sollten, „werden wir das unterstützen“. Ähnlich hatte sich zuvor auch der neue französische Präsident Emmanuel Macron nach einem Treffen mit Russlands Präsidenten Wladimir Putin in Versailles geäußert. Frankreich werde keine Schwäche zeigen und sofort reagieren, sollten in Syrien erneut chemische Waffen zum Einsatz kommen – von welcher Seite auch immer. „Das ist für uns die rote Linie“, erklärte Macron.

Paris hat keine Zweifel an dem Giftgaseinsatz

Der französische Geheimdienst hat zu dem Giftgasangriff im April auf die Ortschaft Khan Sheikhun ein umfangreiches Dossier erarbeitet. Die zusammengetragenen Fakten lassen aus Sicht von Paris keine Zweifel zu, dass das Assad-Regime das Nervengas Sarin gegen die Bewohner einsetzte. Damaskus stritt dies ab und sprach von einer „hundertprozentigen Erfindung“. Man habe 2013 alle chemischen Waffen an die internationale Kontrollbehörde abgegeben, die Organisation für das Verbot chemischer Waffen.

Deren Chef Ahmet Üzümcü sprach in seinem ausführlichen, 75-seitigen Abschlussbericht im Juli 2016 allerdings von einem „beunruhigenden Muster unvollständiger und unzutreffender Angaben Syriens zu seinem Chemiewaffenprogramm“. Syriens Erklärungen hätten „signifikante Lücken“, hieß es in dem Text. Ähnlich äußerte sich kürzlich auch US-Verteidigungsminister Mattis. Er erklärte, er habe keinen Zweifel, dass Syrien einige chemische Waffen zurückgehalten habe. Der israelische Geheimdienst geht ebenfalls davon aus, dass Assad noch „ein paar Tonnen“ Giftgas besitzt.