Berlin. Polizisten nehmen weiteren Soldaten der Bundeswehr in Baden-Württemberg fest. Gab es ein rechtsterroristisches Netzwerk in der Truppe?

Sie kannten sich gut, waren Freunde, beide im Dienstgrad des Oberleutnants, beide waren eine Zeit lang gemeinsam in der Zweiten Kompanie des Jägerbataillons 291 im französischen Illkirch stationiert. Und beide wollten offenbar aus rassistischen Motiven einen Anschlag begehen. Die deutschen Soldaten Franco A. und Maximilian T. waren Rechtsradikale bei der Bundeswehr – und bildeten gemeinsam mit dem 24 Jahre alten Studenten Mathias F. mutmaßlich eine terroristische Gruppe. Sie wollten offenbar töten – aus Hass gegen Flüchtlinge und die Politik der Regierung.

Justizminister Heiko Maas und Ex-Bundespräsident Joachim Gauck standen neben anderen Politikern und Personen des öffentlichen Lebens auf ihrer Liste für Anschlagsziele – sie teilten ihre potenziellen Opfer in Kategorien ein, A, B, C und D. Gauck und Maas fielen in die Gruppe A. Maximilian T. soll diese Liste handschriftlich verfasst haben. Dienstag nahmen Polizisten den Mann im baden-württembergischen Kehl fest. T. ist nun mit Mathias F., bei dem Ermittler das Waffenlager der Gruppe mit 1000 Schuss Munition entdeckten, und Franco A. die dritte Person, bei der sich die Ermittler sicher sind.

Weiterer Bundeswehrsoldat unter Terrorverdacht festgenommen

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    Im Visier der Ermittler

    Und die Planungen waren offenbar konkreter als bisher bekannt. So wurden laut „Spiegel“ bei Franco A. handschriftliche Hinweise gefunden, wonach er und seine Komplizen mögliche Ziele bereits ausspähten. Auf der Liste steht laut dem Bericht etwa das Geburtsdatum von Maas und die beiden Anschriften des Ministeriums für Justiz und Verbraucherschutz. Zudem entdeckten die Fahnder eine Skizze der Büroräume der Amadeu Antonio Stiftung, die sich gegen Rechtsextremismus engagiert.

    Alle drei Männer stammen aus Hessen. T. ist bereits mehrere Tage im Visier der Ermittler. Noch ist unklar, ob weitere Personen zu der mutmaßlichen Terrorgruppe gehörten. Vor zwei Wochen waren A. in der Kaserne im bayerischen Hammelburg und Komplize F. in Offenbach festgenommen worden. Mit der gestrigen Festnahme von Maximilian T. aber liegt der Verdacht nahe: Franco A. handelte bei der Bundeswehr nicht allein. Es gab eine Gruppe. Aber gab es auch ein Netzwerk?

    Waffe für einen Anschlag

    Laut Generalbundesanwalt war T., gegen den am Dienstag Haftbefehl erlassen wurde, maßgeblich in mögliche Anschlagspläne eingebunden. Im Fokus der Ermittlungen zu dem mutmaßlichen Trio steht weiterhin Franco A.: Er habe die Tat ausführen sollen. Dieser hatte sich Ende 2015 bei einer Erstaufnahmestelle als syrischer Flüchtling ausgegeben und einen Asylantrag gestellt. Die Mitarbeiter der Asylbehörde nahmen die Fingerabdrücke von Franco A. – die Polizisten später bei einem möglichen Anschlag etwa auf Politiker auch an der Tatwaffe gefunden hätten. Auf diese Weise wäre der Verdacht nach der Tat auf einen Asylbewerber gelenkt worden.

    Maximilian T. soll maßgeblich mitgeholfen haben, die Tarnidentität von A. als Flüchtling über Monate aufrechtzuerhalten. Wenn A. nach Bayern reiste, wo er als Geflüchteter gemeldet war und sogar Sozialgeld bekam, entschuldigte T. seinen Kameraden mit Ausreden bei den Vorgesetzten im Bataillon. Der 27 Jahre alte T. war auch im Januar 2017 dabei. Er war mit A. nach Wien gereist – offenbar, um die Waffe für einen Anschlag, eine französische Pistole, Kaliber 7,65 mm, zu beschaffen.

    Rechtsextreme Fotos

    Die Beschuldigten versteckten die Waffe in einem Putzschacht am Wiener Flughafen, wo sie kurz darauf von einem Techniker entdeckt wurde. Der Plan ging nicht auf: Als Franco A. Anfang Februar wieder am Putzschacht der Toilette auftauchte, nahmen österreichische Polizisten den Soldaten fest. Seitdem ist er auch im Visier der deutschen Ermittler. Und nun auch der Deutsche Maximilian T. Er soll laut Ermittlern festes Mitglied in der Online-Chatgruppe sein, in der sich Franco A. und andere Sympathisanten austauschten: über rechtsextreme Reden und Fotos.

    Laut „Spiegel Online“ sind die Ermittler bei den Auswertungen der Chat-Protokolle nicht nur auf ausländerfeindliche Hetze gestoßen, sondern konnten auch einsehen, wie entschlossen vor allem Franco A. gewesen sein soll. Nach Informationen dieser Redaktion nahm Franco A. per Handy immer wieder Audiodateien auf, Selbstreflexionen, in denen er Gewalt als Mittel gegen Flüchtlinge und Politiker rechtfertigte.

    Stahlhelme und Gewehre

    Der aktuelle Fall hat auch die Debatte über Rechtsextremisten in der Bundeswehr neu entfacht. Der Militärische Abschirmdienst (MAD) geht aktuell 275 rechtsextremen Verdachtsfällen unter Soldaten nach. In den vergangenen Jahren kam es immer wieder zu flüchtlingsfeindlichen Äußerungen von Soldaten.

    Derzeit lässt der Generalin­spekteur Volker Wieker sämtliche Kasernen und Stuben nach Andenken an die Wehrmacht durchkämmen – etwa Stahlhelme oder Gewehre, Relikte der Nazi-Zeit, die Ermittler auch in der Kaserne von Franco A. entdeckten, mitten im Aufenthaltsraum.