Berlin. Clueso erklärt die Vorteile seiner Friseurausbildung, wieso er das deutsche Schulsystem ablehnt und den Fluch und Segen seines Ruhms.

wirkt jünger, als sein Geburtsdatum vermuten ließe. Jugendliches Aussehen und Schelm-Charme lassen sein Alter von 37 Jahren kaum erahnen. Der Musiker heißt bürgerlich Thomas Hübner und landete

auf Platz eins der Charts. Momentan ist er auf Tour; am 24. und 25. September kommt er nach Bielefeld, am 9. und 10. Oktober nach Köln. Im Gespräch mit Niklas Cordes zeigt sich der Sänger nachdenklich und deutet einen Abschied von der Marke Clueso an.

Sie sind Popstar, haben aber mal eine Friseurausbildung begonnen, so wie andere Promis, beispielsweise Klaas Heufer-Umlauf und Thomas D. Warum dieser Umweg?

Clueso: Mit meinem Hauptschulabschluss riet mir das Berufsberatungszen­trum, auf dem Bau zu arbeiten. Friseur war der einzige kreative Beruf, in dem man gestalten kann, mit Leuten zu tun hat. Als quasi noch Kind, das aus der Schule kommt, ist Friseur eine der wenigen Optionen, kreativ zu arbeiten.

Denken Sie, Schulabgänger werden heute zu schnell ins Berufsleben geschubst?

Clueso: Ich halte überhaupt nichts vom deutschen Schulsystem. Ich habe mich nie erkannt gefühlt und finde es nicht gut, wie Schülern an deutschen Schulen Wissen vermittelt wird. Ich habe eigentlich alles, was mich weitergebracht hat, außerhalb der Schule gelernt. Bestimmte Leute, Mentoren, Freunde, mein Opa, davon habe ich profitiert, sie haben mir Vertrauen geschenkt, keine Zukunftsängste. Diese Verbindung hatte ich mit Lehrern nie. Es gibt so viele Talente, die leider unentdeckt bleiben, weil in ihnen kein Funke entzündet wird.

Wie könnte es denn besser laufen?

Clueso: Den Schülern müsste mehr Aufmerksamkeit zuteilwerden, man müsste ihnen Aufgaben geben, auch unlösbare, um ihnen Vertrauensvorschuss zu geben, damit sie Selbstbewusstsein entwickeln. Gewaltfreie Kommunikation ist auch ein wichtiges Thema, das heute als Geheimwissen gehandelt wird, aber allen zugänglich gemacht werden sollte.

Wäre eigentlich eine Sendung wie „Sing meinen Song“ etwas für Sie?

Clueso: „Sing meinen Song“ lebt von einer Konstellation, die nicht passt, und das passt mir nicht. Das ist mir zu sehr Sozialexperiment. Ich sehe mich da nicht. Ich arbeite lieber an meiner Musik, ganz für mich.

„Sing meinen Song“: So emotional waren die Dreharbeiten wirklich

weitere Videos

    Wenn Sie für sich sind, führen Sie dann auch Selbstgespräche?

    Clueso: Natürlich. Es ist aber eher eine Art, rostiges Wasser ablaufen zu lassen. Manchmal rede ich auch auf Englisch, wenn ich zu viele Serien geschaut habe.

    Auf Englisch singen, war nie ein Thema für Sie?

    Clueso: Doch schon, aber ich bräuchte einen Muttersprachler, der mir hilft, damit es nicht zu einer 0815-Nummer wird. Ich würde in die Richtung von James Blake gehen. Aber bisher habe ich mich noch nicht getraut.

    Wieso nicht?

    Clueso: Es nervt ein bisschen: Es gibt diese Marke Clueso, die vieles überschattet und so viele Erwartungen schürt, dass mir die Lust auf den Versuch vergeht. Ich denke gerade über einen neuen Namen nach, unter dem ich solche Dinge ausprobieren kann.

    Der Tod von Clueso?

    Clueso: Clueso soll weiterhin bestehen, aber mit einem anderen Projektnamen könnte ich mir eine Spielwiese schaffen, ohne die Leute oder deren Erwartungen zu enttäuschen.

    Also ist der Name Clueso nicht nur Segen?

    Clueso: Nein, es ist auch ein unglaublicher Druck. Es ist nicht so, dass ich mich verbiegen müsste, aber wenn ich etwas völlig anderes produzieren würde, dann wäre das schwierig, weil sich die Leute fragen würden, ist das Clueso? Das würde wie ein Fremdkörper wirken.

    Sind Sie der deutschen Popmusik überdrüssig geworden?

    Clueso: Ich würde mich gerne etwas davon entfernen und eine klarere Sprache finden. Meine Fans erkennen mich schon und da muss ich auch nicht viel erklären. Aber ich habe noch sehr viel im Archiv, das darauf wartet, ans Licht zu kommen.