Berlin. In Deutschland sollen bald nur noch Basisschutz-Regeln gelten. Steigen dann die Totenzahlen wie nach dem Freedom Day in Dänemark?

  • In Deutschland fallen die meisten Corona-Regeln spätestens Anfang April
  • In Dänemark wurde bereits ein "Freedom Day" gefeiert - Doch nun entwickelt sich die Lage dort dramatisch
  • Was bedeutet das für Deutschland?

Was passiert, wenn die Corona-Regeln fallen? Wie entwickelt sich die Pandemie in den kommenden Wochen? Klar ist: In Deutschland sollen ab Anfang April die aktuell noch gültigen Übergangsregeln zum Infektionsschutz auslaufen. Dort, wo die Länder keine Hotspot-Lage sehen, gelten dann nur noch die rudimentären Basisschutz-Maßnahmen. Viele verweisen jetzt warnend auf die Entwicklung in Dänemark, wo die Zahl der Corona-Toten nach dem dortigen „Freedom Day“ steil angestiegen war. Doch so einfach lassen sich Deutschland und Dänemark nicht vergleichen.

Seit Anfang Februar gelten in Dänemark praktisch keine Beschränkungen mehr. Der „Freedom Day“ fiel in eine Zeit mit extrem hohen Fallzahlen. Nicht nur die Zahl der Infektionen, vor allem die Zahl der Corona-Toten stieg in den Wochen danach steil an. Mitte Februar warnten Experten in Deutschland bereits: „In den Ländern, die die Corona-Maßnahmen stark gelockert oder ganz abgeschafft haben, sehen wir einen deutlichen Anstieg bei den Todeszahlen. Das gilt etwa für Dänemark, Großbritannien, Südafrika und Frankreich“, sagte Christian Karagiannidis, Intensivmediziner und Mitglied des Corona-Expertenrats der Bundesregierung, dieser Redaktion.

In Dänemark werden die Corona-Toten anders gezählt

Mitte März allerdings war der Scheitelpunkt in Dänemark erreicht, seitdem fallen die täglichen Zahlen wieder – sowohl die der Neuinfektionen als auch die der Sterbefälle. Wie lässt sich die hohe Welle bei den Sterbefällen erklären?

Zunächst einmal mathematisch: Hohe Fallzahlen können auch bei einer geringen Fallsterblichkeit dazu führen, dass es die absolute Zahl der Todesfälle steigt. Bei einer Welle mit einer hochinfektiösen Variante sind dafür nicht einmal Lockerungen nötig. Lockerungen allerdings können den Effekt verstärken. Gleichzeitig führen hohe Fallzahlen dazu, dass mehr Menschen „mit“ und nicht „an“ Covid-19 sterben. In Dänemark werden nach Auskunft des dänischen Gesundheitsdienstes diejenigen Fälle als Corona-Tote gezählt, die in den vergangenen 30 Tagen einen positiven PCR-Test hatten. Lange Zeit waren das in den allermeisten Fällen Menschen, die schließlich auch an Covid-19 gestorben waren. Angesichts der weniger gefährliche Omikron-Variante gepaart mit einer gut durch Impfungen immunisierten Bevölkerung gebe es nun eine wachsende Zahl von Infizierten, die aus ganz anderen Gründen stürben, aber dennoch mitgezählt würden. Tatsächlich hätten derzeit 30 bis 40 Prozent der als Corona-Tote gezählten Sterbefälle andere Ursachen, heißt es beim dänischen Gesundheitsdienst.

Omikron-Subtyp BA.2 ist die dominierende Variante

Was heißt das nun aber für Deutschland? Zunächst einmal: Deutschland und Dänemark sind nur bedingt vergleichbar. In die deutsche Statistik gehen die Corona-Todesfälle ein, bei denen ein positiver PCR-Tests vorliegt und die „in Bezug auf diese Infektion verstorben“ sind, wie es beim RKI heißt. In der Praxis sei es häufig schwierig zu entscheiden, inwieweit die Infektion direkt zum Tod beigetragen habe. Deshalb werden hier sowohl Menschen, die unmittelbar an der Erkrankung verstorben sind, als auch Personen mit Vorerkrankungen, die mit SARS-CoV-2 infiziert waren und bei denen sich nicht abschließend nachweisen lässt, was die Todesursache war, erfasst.

Unterschiede zwischen den beiden Ländern gibt es aber auch in anderen Bereichen: 83 Prozent der Dänen sind mindestens einmal geimpft, 81 Prozent schon doppelt. In Deutschland sind es nur 76 beziehungsweise 75 Prozent. Relevant für Deutschland ist zudem, dass vor allem bei den über 60-Jährigen noch mehr als zwei Millionen Menschen ohne Impfschutz sind. Mit anderen Worten: Deutschland hat in diesem Punkt für weitreichende Lockerungen schlechtere Voraussetzungen als Dänemark. Andererseits kommen die Lockerungen hierzulande zu einem Zeitpunkt, an dem das Wetter deutlich besser ist. Ob der Effekt der Jahreszeit auch beim extrem infektiösen Omikron-Subtyp BA.2 eintritt, ist Experten zu Folge allerdings unklar. BA.2 ist laut Robert-Koch-Institut (RKI) mittlerweile der dominante Virustyp in Deutschland.

Was passiert ab April in Deutschland? Prognosen sind schwierig

Experten tun sich deshalb aktuell mit Prognosen schwer. In Berlin etwa sei die Zahl der Kontakte fast wieder auf dem Niveau von vor der Pandemie, sagt RKI-Modellierer Dirk Brockmann. Voraussagen seien aber auch deshalb schwer, weil völlig offen sei, wie sich die Bundesländer ab April verhalten würden. Überall dort, wo die Landesparlamente von der Hotspot-Regelung Gebrauch machen, können sie strengere Corona-Regeln verhängen. Möglich ist das aber nur, wenn eine Überlastung der Kliniken droht. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) warnt bereits: Die Anzahl der Patienten mit Corona-Infektion habe ein bisher noch nicht bekanntes Rekordniveau erreicht. Seit Anfang Februar sei die Zahl um 60 Prozent auf mittlerweile mehr als 24.000 Patienten gestiegen. Die Rekordinzidenzen – sie schlagen sich längst in den Kliniken nieder.

Dieser Artikel erschien zuerst auf www.morgenpost.de