Köln . Der WDR provoziert mit einer Sendung zum Thema Heimat. Vor allem den Titel der Sendung finden Nutzer der sozialen Medien geschmacklos.
Wer seine Sendung „Heimat Deutschland – nur für Deutsche oder offen für alle?“ nennt, will in jedem Fall Aufmerksamkeit. Dass die Themen Herkunft, Heimat und Migration besonderes Erregungspotenzial haben, dürfte dem WDR auch klar gewesen sein.
Es ist also davon auszugehen, dass die Redaktion von „Hart aber fair“ den Sturm der Empörung vorhergesehen, vielleicht auch herbeigewünscht hat, der nach Ankündigung der Sendung über sie hereinbrach. Vor allem bei Twitter stießen sich viele Menschen daran, dass eine solche Frage wie im Titel im Jahr 2019 überhaupt gestellt werde.
„Hart aber fair“ empört mit „Heimat“-Talk
Die Berliner SPD-Politikerin Sawsan Chebli ist in ihrer Kritik deutlich: „Diese Sprache ist der Grund, warum auch mir gesagt wird, ich soll in meine Heimat zurück, ein Grund für Drohungen, die ich bekomme, für den Hass, ein Grund dafür, dass Rechte denken, sie sind stärker“.
Der Journalist Hasnain Kazim twitterte, solche Sendungen stellten Menschen wie ihm in Abrede, Deutschland als Heimat zu empfinden, obgleich es darüber nichts zu diskutieren gebe.
Die Politikerin Jutta Dithfurth fühlte sich gar an die Neonazi-Parole „Deutschland den Deutschen“ erinnert. Deutschland sei schon so lange ein Einwanderungsland, da sei es geradezu „bösartig“, „eine solche Frage ernsthaft zu stellen“.
WDR verteidigt sich
Der WDR reagierte am Montag auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur: Man nehme Kritik stets ernst und reflektiere das eigene Tun. Dennoch habe sich die Redaktion entschieden, bei dem Titel zu bleiben.
Die Diskussion darüber zeige, wie kontrovers das Thema „Heimat“ wahrgenommen werde. „Genau diese Diskussion wollen wir mit unseren Gästen in der Sendung führen und abbilden.“
Das sind die Gäste bei „Hart aber fair“:
• Grünen-Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt
• Hubert Aiwanger von den Freien Wählern
• Kabarettistin Idil Baydar
• Soziologieprofessor Armin Nassehi von der LMU München
• Nikolaus Blome, stellvertretender Chefredakteur der „Bild“.
Die WDR-Talksendung im Ersten schließt an eine Dokumentation an, die ab 20.15 Uhr direkt davor läuft. Sie hat den Titel „Heimatland – Oder die Frage, wer dazugehört“. Der WDR hatte die Sendung so angekündigt: „Deutschland diskutiert über den Begriff Heimat, leistet sich sogar einen Bundes-Heimatminister. Aber für wen ist hier Heimat: für alle, die hier leben, oder nur für die, die von hier stammen? Was passiert, wenn die Heimat zum Einwanderungsland wird?“
Interesse generieren, aber zu welchem Preis?
Die „hart aber fair“-Redaktion reagierte am Sonntag auf Twitter auf die Vorwürfe. „Zur Kritik an unserem Titel: Dieser heißt nicht „Deutschland - nur für Deutsche oder offen für alle?“ Vielmehr geht es explizit um den Begriff (und das Gefühl von) Heimat, um die Frage etwa, für wen hier Heimat ist; für alle, die hier leben, oder nur für die, die von hier stammen.“
Sawsan Chebli, Staatssekretärin für Bürgerschaftliches Engagement und Internationales in Berlin, reagierte ebenfalls: „Ich verstehe, dass Titel Interesse generieren sollen und deshalb pointiert sind. Aber bei Heimat steht zu viel auf dem Spiel. Es geht um den Zusammenhalt in unserem Land. Sind zu viele Spinner da draußen, die meinen, dass Deutschland nur ihnen gehört.“
Dieter Bohlen fragt nach der Herkunft eines Mädchens
Viele Kritiker des Sendungstitels benutzten auf Twitter den Hashtag #vonhier und schilderten die Erfahrung, immer wieder gefragt zu werden, wo sie denn herkämen, wenn das Gegenüber vermute, sie hätten „sicher ausländische Wurzeln“. Der gleiche Hashtag wurde übrigens auch für Dieter Bohlen benutzt, der in seiner RTL-Sendung ein Mädchen hartnäckig dazu befragte, wo es herkomme. Ein Videoausschnitt davon hat bei Twitter in den vergangenen Tagen viele Reaktionen bekommen, die wenigsten freundlich.
Es ist auch nicht das erste Mal, dass der WDR mit kontroversen Talkshow-Titeln und -Ankündigungen auffällt. Eine ähnliche Diskussion wie jetzt gab es bei „Maischberger“ Anfang Juni 2018, die im Ersten direkt im Anschluss an die Verfilmung von Michel Houellebecqs Bestseller „Unterwerfung“ gezeigt wurde.
Die Sendung war zunächst mit der Leitfrage „Sind wir zu tolerant gegenüber dem #Islam?“ angekündigt worden. Berechtigte Nachfragen, wer denn „wir“ und wer „der“ Islam sei, waren die Folge in sozialen Netzwerken. Daraufhin änderte der WDR den Titel.
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Diesmal blieb er dabei. Die Einschaltquoten dürften für die Rundfunkanstalt am Montag auf jeden Fall stimmen. (mit dpa)
dpa