Berlin. Die Berliner Generalstaatsanwältin möchte die Gerichte der Stadt entlasten. Sie will den Straftatbestand des Schwarzfahrens abschaffen.

Die Berliner Generalstaatsanwältin Margarete Koppers hat sich für eine generelle Straffreiheit des Schwarzfahrens ausgesprochen. Im Interview mit der „Berliner Morgenpost“, die wie diese Redaktion zur FUNKE Mediengruppe gehört, sagte sie, dass der Straftatbestand abgeschafft werden müsste. „Und zwar völlig abgeschafft.“

Der Grund: Justiz und Polizei müssten entlastet werden.

Mit ihrem Vorstoß geht Berlins Generalstaatsanwältin noch einmal einen Schritt weiter als der Berliner Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) und die Senatoren für Justiz und Inneres. Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) hatte zuletzt dafür plädiert, dass Schwarzfahren zumindest ordnungswidrig bleibe.

Das ist der Unterschied zwischen Ordnungswidrigkeit und Straftat

  • bei einer Ordnungswidrigkeit ist eine Geldbuße fällig
  • eine Straftat zieht eine Geld- oder Freiheitsstrafe nach sich

Für Koppers ist der Vorschlag des Innensenators aber keine Lösung. Eine Einstufung als Ordnungswidrigkeit sei keine echte Entlastung der Justiz, sagt sie. Die Amtsgerichte müssten sich dann immer noch mit den Einspruchsverfahren herumschlagen. Auch Amtsanwaltschaft und Polizei müssten sich weiter mit diesen Verfahren beschäftigen.

„Wenn wir das Strafrecht auf alles ausrollen, was als abweichendes Verhalten wahrgenommen werden kann, dann brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn die Justiz nicht mehr hinterherkommt“, sagte Koppers.

Sie plädierte für eine gesellschaftliche Debatte. Es gebe Kernbereiche, in denen man das Strafrecht zwingend brauche, um die Gesellschaft zu ordnen. „In anderen Bereichen können wir auf den Zivilrechtsweg verweisen“, sagte die Juristin.

Das ist der Unterschied zwischen Strafrecht, Öffentliches Recht und Zivilrecht

  • im Strafrecht geht es um den Strafanspruch des Staates gegen einen vermeintlichen Straftäter (Körperverletzung, Diebstähle
  • im Öffentlichen Recht wird das Verhältnis zwischen Bürger und Staat geregelt (u.a. Polizeirecht, Sozialrecht, Verwaltungsrecht und die Grundrechte)
  • das Zivilrecht regelt das Verhältnis zwischen Bürgern (Verträge, Schadensersatzansprüche

Bislang ist das „Erschleichen von Leistungen“, wie das Schwarzfahren eigentlich heißt, eine Straftat. So steht es im Strafgesetzbuch, Paragraf 265a.

Eine Abschaffung des Paragrafen 265a würde neben der Justiz auch die Polizei entlasten, so die Hoffnung der Politiker und Juristen.

Verkehrsbetriebe warnen vor Bagatellisierung

Auch die Gefängnisse könnten laut Justizverwaltung entlastet werden. Mehr als 300 Menschen sitzen etwa in Berlin pro Jahr vorübergehend in Gefängnissen, weil sie Geldstrafen wegen Schwarzfahrens nicht zahlen wollen oder können.

Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) sehen den Vorstoß, das Schwarzfahren zu entkriminalisieren, kritisch. Dort warnt man vor einer Bagatellisierung.

Kritik kam in der Vergangenheit auch aus der Opposition – vor allem aus der CDU. Deren Fraktionschef Burkard Dregger plädierte dafür, Schwarzfahrer nicht zu Geldstrafen, sondern zu gemeinnütziger Arbeit zu verurteilen.