Berlin. Sie verkaufte Millionen Platten, dann war 18 Jahre Ruhe. Inzwischen steht Blümchen wieder auf der Bühne. Was Fans erwarten dürfen.

Es ist das Comeback der 90er: Nach Jahren der Pause ist Blümchen zurück - ihr Auftritt vor 60.000 Menschen auf Schalke im März war nur der Auftakt, seitdem gibt es eine neue eigene Single ("Computerliebe"), aber auch ein Duett mit David Hasselhoff. Am Samstag stand sie im Berliner Hoppegarten bei "90er Live" auf der Bühne. Wieder 25.000 Zuschauer.

Im Herbst 1995 begann mit „Herz an Herz“ ihr Aufstieg in den 90er-Pop-Himmel. Mit „Boomerang“ und „Kleiner Satellit (Piep, Piep)“ wurde Jasmin Wagner zum Vorbild zigtausender Jugendlicher. Doch 2001 kam das Ende – sie beendete nach fünf Jahren das Projekt.

Und tatsächlich: Während ihre ehemaligen Kollegen von Vengaboys bis Dr. Alban seit Jahren auf einer Welle der Nostalgie surfen und wieder Geld mit ihren alten Hits verdienen, blieb Wagner eisern. Blümchen? Nein, danke. Bis jetzt.

Wie sie sich vorbereitet hat - und wie sich das Comeback anfühlt.

Sie touren diesen Sommer durch Deutschland, sind der Haupt-Act von "90er Live". Wie hat das Comeback funktioniert, wie fühlt sich das an?

Ich hätte nie gedacht, dass das, was ich hier auf dieser Tour gerade erlebe, passiert in der Welt. Ich habe zehn Jahre am Theater gearbeitet und mich auf eine ganz andere Art und Weise mit der Showwelt verbunden. Ich hätte nie erwartet, dass die 90er so viele Emotionen auslösen, und dass ich so viel Emotion auslösen kann.

Bei Blümchen ist die Stimmung anders als bei anderen Acts.

Natürlich ist bei allen Stimmung, aber ich habe schon das Gefühl, wenn wir auf die Bühne kommen, geht noch einmal ein anderer Ruck durch die Leute. Ich denke, das liegt daran, dass ich damals genau wie sie Teenager war. Das ist sehr verbindend. Ich finde das so faszinierend, was da passiert. Man kann es nur Liebe nennen. Ich habe da großartige 40 Minuten. Das habe ich so nicht erwartet.

Welchen Effekt hat das auf Sie, auf die Zuschauer?

Wir verbinden uns nochmal mit der Leichtigkeit von damals, aber mit dem Bewusstsein: Wir sind im Heute. Und im Heute habe ich ein Lied mit David Hasselhoff aufgenommen, habe Kontakt zu anderen Künstlern, schreibe Lieder. Ich weiß nicht, wo das hinführt, aber ich merke: Wir können auch im Heute eine musikalische Identität schaffen. Das kann vielleicht nicht jeder sagen, der heute hier ist.

Wie ist Ihre Erfahrungf?

Mir macht es irre viel Spaß. Ich hab genauso viel Spaß wie das Publikum, wir sind da eins, das ist ein Prozess. Ich komme vom Theater - das ist härtere Arbeit im Vergleich hierzu. Mir war nach Leichtigkeit. Man ringt im Theater anders um Arbeitsprozesse und Erfolge. Hier ist es, als läge man sich in einen warmen Whirlpool voller Liebe.

Sie haben im Vergleich zu anderen Acts hier - 2Unlimited, Masterboy, Kate Ryan - mehr als nur ein, zwei Hits.

Ich beobachte, was die anderen machen. Viele covern Songs von anderen aus der Zeit. Da war ich tatsächlich im Vorteil: Ich konnte mir aussuchen, welche Songs ich mache. Wir hätten noch ein paar Mal die Zeit mit anderen Song füllen können.

Auch Ihre Show unterscheidet sich. Die meisten setzen auf das Minimum - singen, vielleicht ein paar Tänzer. Sie haben Einhörner, Fahrräder, Schmetterlinge. Eine echte Pop-Produktion.

Wir haben mit voller Liebe etwas gebaut, und dafür auch Theatermechanismen genutzt. Ziel war, etwas zu kreieren, das diese große, uneinladende Bühne einfärbt. Es soll ja auch ein Erlebnis sein. Ich denke, das ist uns gelungen.

1996: Blümchen startete in diesem Jahr richtig durch – und war von Mode bis Musik ein Sinnbild der 90er.
1996: Blümchen startete in diesem Jahr richtig durch – und war von Mode bis Musik ein Sinnbild der 90er. © imago stock&people | imago stock&people

Ihre Musik wurde oft abschätzig behandelt. Wie sehen Sie das heute?

Ja, es hieß immer: "Du bist Blümchen, du machst ja nur elektronische Musik." Das wurde immer in Frage gestellt. Jetzt merke ich: Wir haben etwas geschaffen, das prägend war für eine Generation. Auch mit einem gewissen Alleinstellungsmerkmal. Ich finde, wir haben da starke Sachen gemacht, von denen andere Produzenten ja auch durchaus abkupfern. Und jetzt höre ich die ganzen Geschichten: „Bei deinem Lied hatte ich meinen ersten Kuss“. Ich weiß nicht, was das für ein Kuss war, aber es freut mich, das zu hören.

Mit dem Comeback ging es auch wieder in die Klatschspalten. Knutschereien mit Justin Timberlake wurden hervorgekramt, Ihre engen Outfits thematisiert. Wie fühlte sich das nach so langer Zeit an?

Es war ok, ich hab ja darüber geredet, freiwiliig. Es gibt Sachen, die die Menschen nicht wissen, und das mit Justin war doch klein und harmlos. Und dass ein Körperteil in den Vordergrund gerückt wurde, mit sowas muss man leben. Ich stehe für Frauen kurz vor 40. Wir können fit sein, wir können die Zeit für uns nutzen, wir können uns kleiden, wie wir wollen. Es heißt nicht mehr streng Herd und Kinder, andere Wege sind endlich akzeptiert. Und wenn man ein bisschen auf sich acht gibt, kann man auch mit 40 noch bauchfrei rumlaufen. Warum auch nicht?

Man hätte übrigens annehmen können, Sie haben inzwischen mit Blümchen abgeschlossen. Seit Jahren gibt es 90er-Festivals, nur Blümchen war nie dabei.

Abgeschlossen klingt so dramatisch, als hätte mich die Zeit als Blümchen traumatisiert. Nach meiner Abschiedstournee 2001 habe ich ein Leben voller Möglichkeiten gesehen. Ich war 21, ich wollte mal andere Dinge probieren. Ich hatte da keine Wut oder Ablehnung. Aber auch keinen Anreiz.

War das hart, den Ruhm als Blümchen aufzugeben und nochmal einen Neustart zu wagen?

Dazu muss man sehen, dass man Ruhm nicht wirklich spürt, das machen die anderen. Ich habe mit 14, 15 keine Vorstellung davon gehabt, welcher Hype sich entwickelt, und den auch nie so erfassen können, da ich der Auslöser war, nicht der Zuschauer. Mit 21 hatte ich dann auch nicht Berühmtheit im Kopf. Sondern den Wunsch, mit dem Rucksack in die Welt aufzubrechen.

Der Weg führte Sie zurück vor die Kamera.

Ja, vieles hat sich ergeben. Ich hatte schon in der Zeit als Blümchen moderiert, das setzte sich fort. Ich war Deutschlands jüngste Primetime-Moderatorin bei RTL, ich habe Thomas Gottschalk bei der „Disney Filmparade“ beerbt. Ich habe Songs für andere Künstler geschrieben, die es in die Top 10 geschafft haben. Und ich habe Theater gespielt. Zehn Jahre sehr harte Arbeit waren und sind das.

Wie empfing man Sie in der doch sehr ernsten Welt des Theaters?

Mir war von vorneherein klar, dass man nicht sofort Preise gewinnt, wenn mal als Popstar plötzlich in den Theaterkeller umzieht. Und natürlich denkt jeder bei Jasmin Wagner an Blümchen. Dagegen kann man sich wehren, oder es als Teil seiner Geschichte annehmen. Aber ich habe eine große Neugierde in mir und habe hart an mir gearbeitet. Ich war nonstop am Theater, ich habe wunderbare Rollen bekommen und alle möglichen künstlerischen Facetten ausleben dürfen. Es hat funktioniert.

Nun der Schritt zurück in die 90er. Warum jetzt? Es muss doch schon viele Angebote zuvor gegeben haben.

Hätten Sie mich vor einigen Monaten gefragt, ich hätte das für unmöglich gehalten. Aber irgendwann fing es an, dass mir Freunde nachts die Mailbox vollgrölten, weil sie meine Songs auf 90er-Partys hörten. Da gab es so eine neue Welle. Und alle waren begeistert. Irgendwann bin ich dann mal mitgegangen, hier in Hamburg. Und…

…die haben Ihre Songs gespielt.

Genau. Die erste halbe Stunde war geil, es liefen lauter Songs von Dr. Alban, Culture Beat, all diesen Künstlern, die ich selbst damals ja auch toll fand. Und dann hörte ich plötzlich die ersten Takte von „Boomerang“.

Ihr Gefühl?

Kurze Panik, dass sich jetzt alle hinsetzen und schlechte Laune kriegen und ich offiziell die Partybremse bin. Ich bin nicht immer grundoptimistisch in solchen Dingen, und habe nie damit gerechnet, was dann passierte: Die Stimmung wurde sogar noch besser.

Haben die Leute Sie erkannt?

2018: Jasmin Wagner hat sich entschieden, Blümchen 2019 wieder auf die Bühne zu bringen.
2018: Jasmin Wagner hat sich entschieden, Blümchen 2019 wieder auf die Bühne zu bringen. © DERDEHMEL/Urbschat | DERDEHMEL/Urbschat

Es sprach sich schnell rum. Es gab so eine Woge der Liebe in meine Richtung, das war toll. Und ich habe mein Lieblingskompliment gehört: „Ich dachte, du bist Blümchen, aber du siehst viel zu jung aus.“ Aber man darf nicht vergessen, dass ich damals auch jung war, als ich angefangen haben. Die anderen bei den 90er-Partys sind einfach viel älter – weil sie es damals schon waren.

Die Euphorie Ihrer Freunde und die Begeisterung der Menschen waren also ausschlaggebend für die Entscheidung?

Es war ein Zusammenspiel aus solchen Erlebnissen und der generellen 90er-Welle. Wer hätte gedacht, dass irgendwann wieder Buffalos verkauft werden? Die sind auch zurück. Als das Angebot für einen Auftritt vor 60.000 Menschen Auf Schalke kam, fand ich das spannend. Ich habe aber erstmal mit zehn Freunden beraten: Soll ich das wirklich machen? Die sagten alle JA! Und ich fragte nochmals, ob ich das wirklich, wirklich machen soll. Und die sagten noch viel deutlicher: JA! Die sind eben auch alle mein Alter, wir sind ja alle dieses Alter – für uns ist das Nostalgie. Und eigentlich ist es auch ein kleines Geschenk für meinen besten Freund. Der hat meine Abschiedstour verpasst, weil sein Opa gestorben war, und hat mich nie live gesehen. Ich erfülle ihm quasi einen Wunsch.

Man wird da schnell zynisch: Die brauchen alle Geld, die müssen das machen.

Nein, die Umstände zwingen mich nicht dazu. Ich hab einfach Lust dazu. Ganz freiwillig. Und nach zehn Jahren künstlerischer Prozesse im Theater hab ich einfach mal Lust auf ein bisschen Leichtigkeit, Performance, Kostüme.

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von Instagram, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Schauen Sie heute auf die Songtexte von damals und schütteln den Kopf?

Nein. Ganz ehrlich: Wenn ich mir den Hiphop-Pop-Brei heute anhöre, schüttele ich teilweise auch mit dem Kopf. Das ist grammatikalisch teils höchst fragwürdig und lyrisch auch nicht extrem tief. Das waren Songs, die heute Leute noch im Ohr haben. Perfekte Melodien, Ohrwürmer.

Und die Musik?

Ich mag elektronische Musik nach wie vor und feiere am liebsten in passenden Clubs. Raves gibt es ja heute auch, mit genau solcher Musik.

Waren Sie mal im Berghain?

Natürlich, schon öfter, finde ich auch super. Das Kater Blau auch. Ich bin viel unterwegs.

Im Januar und Februar stand Jasmin Wagner noch bei vielen Terminen für das Altonaer Theater auf der Bühne. Am 30. März 2019 kehrte sie dann als Blümchen zurück – in der Veltins Arena „Auf Schalke“ bei der größten 90er-Party aller Zeiten. Weitere Stationen folgen 2020, alle Informationen auf „90er Live“.

Zur Person: Jasmin Wagner wurde 1980 in Hamburg geboren. Sie lebt in der Hansestadt, in Berlin und in Zürich, Heimat ihres Ehemannes Frank Sippel. Sie heirateten 2015. Sie schauspielert, singt, tanzt, moderiert, spielt Gitarre und Klavier. Sie fechtet, reitet und beherrscht Schwertkampf.