Berlin. Nachdem im Frühjahr ein Eisbär-Junges in Berlin gestorben ist, hat Muttertier Tonja jetzt wieder Nachwuchs: Klein, zart und in Gefahr.

Neues Eisbärenbaby in Berlin: Als Tierpfleger Detlef Balkow am Donnerstag seinen Dienst im Tierpark im Berliner Osten antrat und routinemäßig nach Eisbärin Tonja (8) sah, entdeckte er neben dem großen und 250 Kilo schweren Weibchen etwas Kleines, Zartes. Rund ein Dreivierteljahr nach dem Schock um den Tod von Tonjas erstem Nachwuchs, dem kleinen Fritz, hat das Tier wieder geworfen.

Mit der Bekanntgabe der Geburt am Freitag gehen die Bemühungen des Tierparks um einen neuen flauschigen Publikumsliebling in die zweite Runde. Dieses Mal ist Tonjas Wurfhöhle mit besseren und mehr Überwachungskameras ausgerüstet – damit entgeht rund um die Uhr kein Detail. „Die Geburt war nachts um 1.30 Uhr“, sagte Tierpark-Sprecherin Christiane Reiss.

Tierpark zeigt Video der Geburt im Netz

Selbst ein Video der Geburt hat der Tierpark online gestellt – zu sehen ist auch, wie Tonja das kleine zappelnde Bündel beschnuppert und ableckt. Schätzungsweise ein paar Hundert Gramm und etwa 30 Zentimeter groß sei der Nachwuchs, sagt Reiss. „Er ist noch blind, nackt und taub.“

Über Mikrofone sei Schmatzen zu hören – ein wichtiges Zeichen dafür, dass das Junge trinkt, sagt Eisbärenkurator Florian Sicks. Das Geschlecht des Tiers ist noch nicht bekannt.

Schon in den vergangenen Tagen hatten sich die Anzeichen gemehrt, dass Tonja tatsächlich trächtig ist, erzählt Sicks. Sie hatte sich im Oktober ins Winterquartier zurückgezogen. Vor einigen Tagen sei sie aber auf einmal sehr viel aktiver gewesen als gewöhnlich, es folgte eine ebenfalls unübliche Ruhephase, Essen nahm sie nicht mehr an, wie Sicks sagt. Tonjas Partner Wolodja (6) hatte sie im Frühjahr mehrfach gedeckt. Er ist nun der einzige Eisbär auf der Außenanlage.

Ein Junges kam schon tot zur Welt

Wie auch schon bei Tonjas erstem Wurf vor gut einem Jahr, als eines der Zwillinge nach wenigen Tagen starb, gibt es auch diesmal einen Wermutstropfen: Eigentlich hatte Tonja wieder zwei Junge. Das Erstgeborene sei jedoch schon tot zur Welt gekommen, erläutert Reiss. Danach sei es nicht mehr auf den Kamerabildern zu sehen gewesen. Das deutet darauf hin, dass Tonja es gefressen hat – wie bei Eisbären in solchen Fällen üblich.

In den nächsten Tagen geht im Tierpark das Zittern, Monitor-Starren und Lauschen weiter: Die Sterblichkeit bei jungen Eisbären liegt bei 50 Prozent, als besonders kritisch gelten die ersten zehn Tage. Selbst danach sei der Nachwuchs noch nicht ganz über den Berg, erklärte Tierpark-Direktor Andreas Knieriem.

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    Aufzucht durch Menschen wie bei Knut sind umstritten

    Hoffnung macht, dass es bereits Tonjas zweiter Wurf ist, sie hat damit mehr Erfahrung. Die ersten Fotos zeigen, wie sie das Kleine nah am Körper wärmt. Egal was in den nächsten Tagen passiert, eingreifen werde man nicht, betont Kurator Sicks. Aufzuchten durch Menschenhand, wie einst beim Berliner Liebling Knut, sind heute höchst umstritten.

    Tonjas Nachwuchs Fritz war im März im Alter weniger Monate erkrankt und gestorben. Die genaue Ursache gibt Forschern bis heute Rätsel auf.

    Tierschützer kritisieren Eisbärenhaltung in Zoos

    Die Reaktionen unmittelbar nach Bekanntwerden der Geburt – unter den ersten Gratulanten im Netz war die Berliner Polizei – zeigen eine anhaltende Begeisterungsfähigkeit der Menschen, auch nach dem Tod von Fritz. Dabei kritisieren Tierschützer gerade Eisbärenhaltung in Zoos immer wieder scharf. „Wie ist Eisbären geholfen, wenn Familien bei Zoo-Ausflügen mal 30 Sekunden vor dem Gehege stehenbleiben? Das ist eine Art, bei der Zoos immer groß den Artenschutz betonen, aber am Ende werden keine Eisbären ausgewildert“, sagte die Biologin Denise Ade vom Deutschen Tierschutzbund kürzlich der Deutschen Presse-Agentur.

    Der Tierpark argumentiert mit dem Bildungsauftrag und will mit Nachwuchs auf Tonjas bedrohte Artgenossen in freier Wildbahn hinweisen, betont eine Sprecherin. Aber natürlich sei mit einem Eisbärenbaby auch die Hoffnung auf mehr Besucher verbunden – damit wäre der Park in Zukunft womöglich nicht mehr auf Millionen-Zuschüsse des Landes angewiesen.

    Gleichwohl wolle man „keinen zweiten Knut“ und keinen damit verbundenen Hype fördern, hieß es. Ziel sei ein „gesundes Maß an steigenden Besucherzahlen“ für die weitläufige Anlage im Stadtteil Friedrichsfelde im Osten Berlins. Diese steht noch im Schatten des Berliner Zoos im Westen der Stadt, der ehemaligen Heimat von Knut. (dpa)