Berlin. Die erste Platte von ESC-Kandidatin Levina ist da: „Unexpected“. Im Mai vertritt die Sängerin Deutschland beim Eurovision Song Contest.

Als wir mit ihr telefonieren, sitzt die deutsche Kandidatin für den Eurovision Song Contest (ESC), Levina, gerade im Auto, auf dem Weg von Stuttgart nach Köln. Am Morgen war sie von Budapest nach München geflogen und hatte dort ihr Album promotet, Sony Music besucht, ein TV-Interview aufgezeichnet ...

Die Zeit der Berlinerin ist in diesen Tagen knapp. Am heutigen Freitag erscheint ihr erstes Album mit dem Titel „Unexpected“. Am 13. Mai wird sie dann in Kiew für Deutschland singen. Wir haben mit der deutschen ESC-Hoffnung gesprochen.

Du tourst seit Wochen für den Eurovision Song Contest durch ganz Europa, gibst Konzerte, führst Interviews, bist ständig unterwegs. Wie viel Zeit fürs Privatleben bleibt da noch?

Levina: Natürlich ist das eine totale Umstellung. Richtig viel Zeit für meinen Freund und meine Familie bleibt gerade nicht. Aber mit Facetime und Skype kann man ja auch auf Reisen prima in Kontakt bleiben. Das macht es etwas einfacher. Und alle zwei bis drei Wochen habe ich zwei, drei Tage Pause.

Ich bin sehr froh, dass mein Freund und meine Familie so viel Verständnis für mich haben. Es wussten ja auch alle, dass jetzt ein paar unglaublich intensive Monate auf mich zukommen. Meine Liebsten bieten mir Unterstützung und Rückhalt.

Haben sie dir schon einen Talisman geschenkt?

Levina: Nein, ich glaube, ganz so abergläubisch sind sie nicht. Aber sie kommen mit zum ESC und sind vor Ort dann meine Glücksbringer. Es bedeutet mir sehr viel, dass ich meine Eltern, meine Schwester und meinen Freund in Kiew mit dabeihabe.

Dein erstes Album gibt es ab jetzt zu kaufen. Was ist das für ein Gefühl?

Levina: Ich war ja am Dienstag kurz bei Sony Music in München, ein Besuch bei meinem neuen Label, wofür ich davor noch gar keine Gelegenheit hatte. Da habe ich auch mein neues Album das erste Mal in der Hand gehalten. Und das war ein wahnsinnig tolles, überirdisch schönes Gefühl.

Das ist ja das, was jeder Musiker will: ein eigenes Album veröffentlichen. Wenn dieser Traum dann wahr wird ... Das ist einfach ein atemberaubendes Gefühl.

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    Wie kam es zum Titel des Albums „Unexpected“ (zu Deutsch: Unerwartet)?

    Levina: Wenn man einen Titel für ein Album sucht, denkt man ja erst: Wo soll man da überhaupt anfangen? Wie ein Album heißt, spielt ja schon eine große Rolle. In dem Song „Perfect Life“, mit dem ich den ESC-Vorentscheid für mich entschieden habe, gibt es eine Zeile: „I come alive inside the light of the unexpected“ (Im Licht des Unerwarteten erwache ich zum Leben), und daraus wurde dann der Titel. Ich finde, er beschreibt meine Situation perfekt. Ich habe ja wirklich nicht damit gerechnet, dass ich es nach Kiew schaffe.

    Eines der Lieder, „Nothing At All“, hast du komplett selbst komponiert. Was bedeutet dir dieses Lied?

    Levina: Genau. Wir haben eine frühere Version des Liedes, die ich schon vor einiger Zeit geschrieben hatte, noch einmal umgearbeitet. In dem Lied geht es um Fremdenfeindlichkeit und darum, dass man nachdenken sollte, bevor man sein eigenes Leid auf andere projiziert. Dass man manchmal vielleicht lieber nichts sagen sollte, bevor man etwas Dummes sagt. Es freut mich sehr, dass dieser Song mit auf dem Album ist.

    Levina wäre mit Top-Ten-Platzierung zufrieden

    Mit welchen Komponisten hast du sonst zusammengearbeitet?

    Levina: Drei Songs habe ich zusammen mit Roland Spremberg und Laila Samuels komponiert, die anderen Lieder wurden für mich geschrieben. Ich konnte aus mehreren Möglichkeiten auswählen und war sehr zufrieden mit den Songs. Sie passen sehr gut zu mir.

    In dem Intro-Track „The Current“ geht es darum, dass Dinge passieren, die man gar nicht erwartet hätte. Es geht um den Strom, der einen mitzieht, und dass man manchmal gar nicht darüber nachdenkt, sondern Dinge passieren lässt.

    „Stop Right There“ thematisiert etwas, das wir alle kennen, glaube ich: das Gefühl, ungerecht von Fremden beurteilt zu werden, und dass man sich davon nicht beirren lassen sollte. Es ist toll, dass so viel Frisches dabei ist, das erst während der ESC-Phase entstanden ist. Das gibt dem Album etwas Unmittelbares, mit dem ich mich sehr gut identifizieren kann.

    ESC 2017: Levina ist unser Star für Kiew

    Die deutsche Teilnehmerin für den Eurovision Song Contest heißt in diesem Jahr Isabella „Levina“ Lueen.
    Die deutsche Teilnehmerin für den Eurovision Song Contest heißt in diesem Jahr Isabella „Levina“ Lueen. © Getty Images | Sascha Steinbach
    Die 25-Jährige setzte sich beim Vorentscheid am 9. Februar in der ARD gegen vier Konkurrenten durch.
    Die 25-Jährige setzte sich beim Vorentscheid am 9. Februar in der ARD gegen vier Konkurrenten durch. © dpa | Henning Kaiser
    Levina lebt in Berlin und London. Sie macht derzeit ihren Master in Music Management am London College of Music, vorher schloss sie dort ein Gesangsstudium ab.
    Levina lebt in Berlin und London. Sie macht derzeit ihren Master in Music Management am London College of Music, vorher schloss sie dort ein Gesangsstudium ab. © NDR | Walter Glöckle
    Levina schreibt Soul- und Popsongs, bekam mit neun Jahren Gesangs- und Klavierunterricht und spielte bis zu ihrem 16. Lebensjahr in Kindermusicals. Mit ihrer Band spielt sie regelmäßig in Bars.
    Levina schreibt Soul- und Popsongs, bekam mit neun Jahren Gesangs- und Klavierunterricht und spielte bis zu ihrem 16. Lebensjahr in Kindermusicals. Mit ihrer Band spielt sie regelmäßig in Bars. © NDR | Sony Music/Walter Glöckle
    Beim Vorentscheid sang sich Levina so sehr in die Herzen der Zuschauer, dass sie in Runde vier sogar gegen sich selbst antrat. Dabei ging es nur noch um die Entscheidung, welcher Song Levina nach Kiew begleitet.
    Beim Vorentscheid sang sich Levina so sehr in die Herzen der Zuschauer, dass sie in Runde vier sogar gegen sich selbst antrat. Dabei ging es nur noch um die Entscheidung, welcher Song Levina nach Kiew begleitet. © dpa | Henning Kaiser
    Es wurde „Perfect Life“ aus der Feder von Lindy Robbins. Die US-Amerikanerin schrieb bereits Hits für David Guetta („Dangerous“), Jason Derulo („Want To Want Me“) und die Backstreet Boys („Incomplete“).
    Es wurde „Perfect Life“ aus der Feder von Lindy Robbins. Die US-Amerikanerin schrieb bereits Hits für David Guetta („Dangerous“), Jason Derulo („Want To Want Me“) und die Backstreet Boys („Incomplete“). © Getty Images | Sascha Steinbach
    Gemeinsam mit Moderatorin Barbara Schöneberger nimmt Levina das Urteil der Jury entgegen. Die waren sich stets einig – und fanden nichts zu kritisieren.
    Gemeinsam mit Moderatorin Barbara Schöneberger nimmt Levina das Urteil der Jury entgegen. Die waren sich stets einig – und fanden nichts zu kritisieren. © dpa | Sascha Steinbach
    Als letzten Konkurrenten ließ Levina Axel Maximilian Feige hinter sich.
    Als letzten Konkurrenten ließ Levina Axel Maximilian Feige hinter sich. © Getty Images | Sascha Steinbach
    Die gebürtige Bonnerin hat bereits mehrere Preise gewonnen. Unter anderem siegte sie bei „Jugend musiziert“.
    Die gebürtige Bonnerin hat bereits mehrere Preise gewonnen. Unter anderem siegte sie bei „Jugend musiziert“. © dpa | Henning Kaiser
    Nachdem sie 2006 den ersten Preis beim Schülerwettbewerb der Gesellschaft für politische Bildung erhielt, stand ihr Berufswunsch fest: Sängerin. Offenbar eine gute Entscheidung.
    Nachdem sie 2006 den ersten Preis beim Schülerwettbewerb der Gesellschaft für politische Bildung erhielt, stand ihr Berufswunsch fest: Sängerin. Offenbar eine gute Entscheidung. © dpa | Henning Kaiser
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    Deutschland ist relativ weit unten gerankt, hast du Angst vor einem letzten Platz?

    Levina: Klar bin ich nicht besonders scharf darauf, dass Deutschland noch einmal den letzten Platz macht oder einen sehr schlechten. Natürlich hat man da auch Angst vor. Niemand möchte Letzter werden!

    Aber ich bin guter Dinge, ich gehe mit einer positiven Haltung an die Sache heran. Ich will vor allem mit meiner Performance zufrieden sein und sie mir auch in den Jahren danach noch gerne ansehen. Mit einer Top-Ten-Platzierung wäre ich schon richtig zufrieden.

    Im Zuge der Promotion bist du auch mit anderen Kandidaten bei ESC-Fankonzerten in Amsterdam, London und Tel Aviv aufgetreten. Empfindet man sie da auch schon als Konkurrenz?

    Levina: Überhaupt nicht. Ich muss sagen, das war bislang eine wirklich schöne Erfahrung. Wir sitzen ja im selben Boot, und es ist total schön, sich auszutauschen und näher kennenzulernen. Klar kann am Ende nur einer gewinnen, aber bis dahin wollen wir alle eine möglichst gute Zeit haben.

    Es sind auch wirklich richtig sympathische Menschen dabei, Nathan Trent aus Österreich mag ich total gerne, Artsvik aus Armenien ist sehr nett, Blanche aus Belgien, die Norweger sind total klasse ... Es machen echt viele tolle Menschen mit, und das zeichnet eine solche Veranstaltung auch aus.

    Mit Ingwer und Kindheits-Teddy nach Kiew

    Was nimmst du mit nach Kiew?

    Levina: Hauptsächlich verschiedene Outfits und Beauty-Produkte. Mein iPad, wenn ich manchmal etwas Ablenkung brauche, in den wenigen Pausen, die es gibt. Ein Buch, auch wenn ich vermutlich nicht zum Lesen kommen werde. Die Tage sind vermutlich so lang, dass ich danach direkt ins Bett falle. Ich werde auch eine Ingwerknolle mitnehmen, für alle Fälle. Und Struweline, den Teddy aus meiner Kindheit.

    Bleibt gerade überhaupt noch Zeit fürs Proben?

    Levina: Gerade schieben wir das immer so dazwischen, ein paar Probentermine haben bereits stattgefunden, aber ich denke, in Kiew wird der Fokus komplett auf der musikalischen Vorbereitung liegen. Dort werde ich mich besser darauf konzentrieren können. Da wird die Performance den letzten Schliff erhalten.

    Verfolgst du den Konflikt zwischen der Ukra­ine und Russland wegen des Einreiseverbotes für die russische Kandidatin Julia Samoilova?

    Levina: Ich habe das natürlich mitbekommen und finde es sehr schade, dass es den ESC überschattet. Beim ESC soll es ja darum gehen, dass Musik die Menschen ungeachtet von Unterschieden, politischen Konflikten oder Nationen zusammenbringt. Das macht mich traurig.

    Worauf freust du dich besonders nach dem ESC?

    Levina: Endlich ausschlafen! Ins Bett gehen und mal nicht den Wecker stellen. Sport machen, joggen gehen, mit meinem Freund und meiner Familie ganz entspannt und ohne Zeitdruck schöne Dinge erleben. Urlaubspläne haben wir noch keine gemacht. Sollte ich gewinnen, gibt es ja erst mal keinen Urlaub!

    Dieses Interview ist zuerst auf morgenpost.de erschienen.