Berlin. Mit dem Sieg von Ildikó Enyedi hat die Berlinale zum fünften Mal einer Frau den Hauptpreis zuerkannt. Kein Festival kann da mithalten.

Zierlich wirkt sie, und fast schüchtern, als sie den Preis entgegennimmt. Schon am Samstagmittag war Ildikó Enyedi überwältigt, als sie bei der Verleihung der Unabhängigen Jurys gleich drei Preise gewann. Aber dann wurde sie abends noch einmal ausgezeichnet, und zwar gleich mit dem Hauptpreis: Ihre ebenso absurde wie märchenhafte Liebesgeschichte ausgerechnet in einem Schlachthaus, „On Body and Soul“, gewann den Goldenen Bären.

In dem Film erzählt die Ungarin, die 1992 selbst einmal in der Berlinale-Jury saß, von einem Mann und einer Frau, die ihre Bestimmung füreinander dadurch erkennen, dass sie denselben Traum träumen.

Erste weibliche Preisträgerin in Berlin 1975

Es ist das fünfte Mal, dass der Hauptpreis der Berlinale an eine Frau geht. Das erste Mal, 1975 war das, ist er auch schon an eine Ungarin gegangen, an Márta Mészáros (für „Adoption“). Die Berlinale hat damit Venedig überholt, wo bislang vier Regisseurinnen den Goldenen Löwen gewannen (darunter die Deutsche Margarethe von Trotta 1981). Das Schlusslicht bildet Cannes, das größte der A-Festivals, auf dem bislang erst eine einzige Goldene Palme an eine Frau ging, an Jane Campion, und das ist auch schon ein Vierteljahrhundert her.

Viel wird derzeit über die Quote diskutiert. Auch in der Filmbranche. Und auch auf der Berlinale war sie Thema zahlreicher Veranstaltungen. Dieter Kosslick, der einstige Frauenbeauftragte von Hamburg, geht da mit gutem Beispiel voran: Von den 399 Filmen im Programm der Berlinale stammten 125 von Frauen, von den 18 Wettbewerbsbeiträgen waren es immerhin vier. Und mit Agnieszka Holland wurde gleich noch eine zweite Filmemacherin ausgezeichnet. Auch wenn es etwas bisschen merkwürdig anmutet, dass der Alfred-Bauer-Preis, eigentlich für Filme gedacht, die neue Perspektiven eröffnen, an eine 68-jährige Altmeisterin geht.

Auch zweitwichtigster Preis an eine Frau

Aber die 67. Berlinale, sie war ein Festival der starken Frauen. Das zog sich wie ein Leitfaden durchs Programm. Und das hat die Internationale Jury unter dem Präsidenten Paul Verhoeven, selbst ein großer Frauenregisseur, entsprechend honoriert. Der Große Preis der Jury, die zweitwichtigste Auszeichnung der Berlinale, geht an „Félicité“, in dem eine junge Senegalesin als Frau autark und unabhängig bleiben will in einer von Männern dominierten Welt. Immerhin ein Drehbuchpreis ging an „Una mujer fantástica“, das Drama über eine Transgender-Frau in Chile, die für ihre Identität kämpfen muss.

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    Es gab entsprechend zahllose Kandidatinnen für die beste Schauspielerin. Agnieszka Mandat, die sich in Agniezska Hollands Film blutig an skrupellosen Wilderern rächt, zählte ebenso dazu wie Alexandra Borbély, die autistische Lebensmittelgutachterin in Enyedis Schlachthaus-Romanze.

    Kim Minhee mit dem silbernen Bären als beste Darstellerin für den Film
    Kim Minhee mit dem silbernen Bären als beste Darstellerin für den Film "On the Beach at Night alone". © dpa | Britta Pedersen

    Auch Daniela Vega, die Transgender-Schauspielerin aus „Mujer fantástica“, durfte man dazuzählen, und den halben Cast aus „The Party“. Warum es am Ende die Koreanerin Kim Minhee wurde, für „On the Beach at Night Alone“, der in fast allen Kritiker-Spiegeln eher durchfiel, bleibt das Geheimnis der Jury. Aber dass Paul Verhoeven immer für Überraschungen gut ist, war von vornherein klar.

    Kaugummi auf den Bären geklebt

    Schwieriger war es dagegen, einen Kandidaten für den besten Schauspieler zu finden. Dass Georg Friedrich für den deutschen Film „Helle Nächte“ gewann, sollte einen eigentlich freuen. Aber auch Thomas Arslans halb gare Vater-Sohn-Geschichte ist in der Kritik auch durchgefallen. Friedrich war viel beeindruckender in „Wilde Maus“, dem zweiten Film, der mit ihm im Wettbewerb lief. Aber da spielte er nur eine Nebenrolle. Für Verwunderung und Belustigung sorgte Friedrich damit, dass er einen

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    Dass Aki Kaurismäkis melancholische Flüchtlingskomödie „Die andere Seite der Hoffnung“ „nur“ einen Regiepreis gewann, wirkt fast wie ein Trostpreis. Kein Film im Wettbewerb war so politisch, so aktuell und doch von so eigener Handschrift.

    US-Produktionen gehen völlig leer aus

    Ganz leer gingen mal wieder die Amerikaner aus. Das hat schon Tradition auf der Berlinale, man muss sich nicht wundern, wenn die nicht mehr kommen wollen oder ihre Filme nur noch außer Konkurrenz zeigen. Aber es verwundert schon bei einem Jury-Präsidenten wie Verhoeven, der lange in Hollywood gearbeitet hat.

    Es ist ein schönes und wichtiges Zeichen, dass die Berlinale mit seinen Frauen-Preisen aussendet. Mit den anderen Bären freilich bleibt die Jury ganz im Trend der vergangenen Jahre, eher esoterische Entscheidungen zu treffen. „Für mich zählt die Qualität der Filme, nicht die Botschaft“, hatte Verhoeven zu Beginn der Berlinale verkündet.

    Kein starkes Berlinale-Jahr

    Dass ein Film wie das Star-Drama „The Dinner“, das an seiner eigenen Botschaft erstickte, übergangen wurde, ist da völlig okay. Dass aber Beiträge wie „Helle Nächte“, „Félicité“ oder „On The Beach at Night Alone“ reüssierten, die nicht gerade durch besondere Qualität hervorstachen, irritiert da schon.

    Dieses Votum passt aber in ein Jahr, das nicht eben als ein starkes in die Annalen der Berlinale eingehen wird. Wo es viele maue Beiträge gibt, muss man sich nicht wundern, wenn es am Ende auch den einen oder anderen mauen Preis gibt.