Berlin. Drei Polizisten schossen auf einen offenbar psychisch kranken 25-Jährigen. Das SEK wurde zwar angefordert, war aber gerade beschäftigt.

Einen Tag nach einem tödlichen Polizeieinsatz im Berliner Bezirk Lichtenberg sind noch viele Fragen ungeklärt: „Die Ermittlungen laufen“, sagte ein Sprecher der Polizei am Mittwochmorgen. Wie in solchen Fällen üblich ermittelt nun eine Mordkommission und die Berliner Staatsanwaltschaft.

Wie die „Berliner Morgenpost“ erfuhr, schossen drei Beamte mit ihren Dienstwaffen auf den 25-Jährigen in dessen Wohnung in Berlin-Lichtenberg. Diese Angaben machte die Gewerkschaft der Polizei (GdP). Wie viele Schüsse abgegeben worden waren, war zunächst unklar.

Der offenbar psychisch kranke Mann hatte zuvor die Feuerwehr angerufen und Suizidabsichten geäußert. Als die Rettungskräfte eintrafen, bedrohte er sie durch die Wohnungstür. Darauf zogen sich die Feuerwehrmänner zurück und verständigten die Polizei.

SEK mit Einsatz gegen Terrorverdächtige beschäftigt

Kurz darauf trafen die Polizisten an der Wohnung ein. Auch sie wurden den Angaben zufolge von dem Mann durch die geschlossene Tür bedroht. Demnach habe er angekündigt, auf die Polizisten zu schießen, sollten sie in die Wohnung eindringen. Die Polizeibeamten forderten daraufhin Unterstützung durch ein Spezialeinsatzkommando (SEK) an.

Wie die „Berliner Morgenpost“ am Mittwochmorgen erfuhr, stand das SEK aber nicht zur Verfügung, weil zeitgleich ein Einsatz gegen drei islamische Terrorverdächtige stattfand. Bei dem Einsatz in Wedding wurden drei Männer im Alter von 21, 31 und 45 Jahren festgenommen. Das SEK ist berechtigt, einen Elektroschocker, den sogenannten Taser, einzusetzen. In Berlin gibt es vier Spezialeinsatzkommandos. Am Abend und am Wochenende hat in der Regel nur ein Kommando Bereitschaftsdienst.

Mehrfache Aufforderung, Messer fallen zu lassen

Weil der 25-Jährige sich mit dem Messer anscheinend schon selbst schwere Verletzungen zugefügt hatte, öffneten die Beamten gegen 18.20 Uhr mit einer Ramme die Wohnungstür. Daraufhin sei der Mann mit dem Messer auf die Beamten losgegangen. Die Polizei habe ihn mehrfach aufgefordert die Waffe fallen zu lassen, was er aber nicht tat. Dann fielen die Schüsse. Mitarbeiter des Rettungsdienstes versuchten noch vergeblich, den 25-Jährigen zu reanimieren.

„Dass drei Kollegen die gleiche Option wählten, zeigt uns die Ausnahmesituation, in der sie sich befanden“, teilte Steve Feldmann, Vorstandsmitglied der Berliner GdP mit. „Dass das untersucht wird, ist richtig und wichtig, aber ich habe keinen Grund, an ihrer rechtmäßigen Handlung zu zweifeln.“

Immer wieder Diskussionen um Einsatz von Elektroschock-Waffen

Im vergangenen Jahr hatte es immer wieder Diskussionen über den Einsatz von sogenannten Tasern bei der Berliner Polizei gegeben. Polizeigewerkschafter und Politiker hatten nach tödlichen Schüssen auf einen Flüchtling in einer Unterkunft in Berlin-Moabit kritisiert, der Einsatz wäre mit Elektroschock-Waffen möglicherweise glimpflicher ausgegangen.

Mit dem Taser werden zwei oder vier mit Widerhaken versehene Projektile auf die Zielperson geschossen. Elektrisch aufgeladene Teile machen die Person durch einen Elektroschock für kurze Zeit bewegungsunfähig.

In Berlin verwendet bislang nur das SEK den Taser bei Einsätzen. In Frankreich, England und in der Schweiz wird das Gerät bereits flächendeckend genutzt. (BM/les)

Dieser Artikel erschien zunächst auf www.morgenpost.de

Anmerkung der Redaktion: Aufgrund der hohen Nachahmerquote berichten wir in der Regel nicht über Suizide oder Suizidversuche, außer sie erfahren durch die Umstände besondere Aufmerksamkeit. Wenn Sie selbst unter Stimmungsschwankungen, Depressionen oder Selbstmordgedanken leiden oder Sie jemanden kennen, der daran leidet, können Sie sich bei der Telefonseelsorge helfen lassen. Sie erreichen sie telefonisch unter 0800/111-0-111 und 0800/111-0-222 oder im Internet auf www.telefonseelsorge.de. Die Beratung ist anonym und kostenfrei, Anrufe werden nicht auf der Telefonrechnung vermerkt.