Berlin. Flüchtlingskrise, Populismus, Terror – das waren die bestimmenden innenpolitischen Themen 2016. Einiges bleibt besonders in Erinnerung.

Im Rückblick mag jedes Jahr irgendwie besonders erscheinen – doch 2016 hatte es in sich. Terror, Brexit und Trump ließen die Welt aufschrecken, Flüchtlingskrise und Populismus beschäftigten Deutschland.

Die Übergriffe an Silvester in Köln haben ein schlechtes Licht auf die Polizeiarbeit und die Politik geworfen.
Die Übergriffe an Silvester in Köln haben ein schlechtes Licht auf die Polizeiarbeit und die Politik geworfen. © Maja Hitij/dpa | Maja Hitij

„Feiern weitgehend friedlich“: Der erste politische Moment des Jahres wurde zunächst von kaum jemandem als solcher wahrgenommen. Doch in der Rückschau zeigt sich, dass die Silvesternacht von Köln dem Flüchtlingsthema eine ganz andere Richtung geben und so den Verlauf des gesamten Jahres mitbestimmen sollte.

Erst mit Verzögerung wurde bekannt, dass die erste Mitteilung der Polizei – „Feiern weitgehend friedlich“ – nicht annähernd dem entsprach, was sich auf der Domplatte abspielte: Inmitten einer feiernden Menge, explodierenden Böllern und Rauch kreisten Gruppen Hunderter Männer, überwiegend Migranten, Frauen ein, belästigten, begrapschten und bestahlen sie.

Ein Untersuchungsausschuss des nordrhein-westfälischen Landtags durchleuchtet noch immer das Geschehen und das Agieren von Polizei und Landesregierung. Die Politik hat reagiert und die Asylgesetzgebung deutlich verschärft.

Der Satiriker Jan Böhmermann hatte sich nach dem Trubel um sein Erdogan-Gedicht einige Zeit zurückgezogen. Inzwischen ist er aber wieder da.
Der Satiriker Jan Böhmermann hatte sich nach dem Trubel um sein Erdogan-Gedicht einige Zeit zurückgezogen. Inzwischen ist er aber wieder da. © dpa | Oliver Berg

„Was jetzt kommt, das darf man nicht machen“: Es war eine verbotene „Schmähkritik“, mit der der TV-Satiriker Jan Böhmermann im März für diplomatische Verwicklungen sorgte. Er selbst stufte das in einem längeren Einleitungsgespräch in seiner ZDF-Sendung so ein – und ließ dann ein Gedicht voller Angriffe auf den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan folgen, großteils unter der Gürtellinie.

So weit, so unappetitlich. Erdogan schäumte und verlangte rechtliche Schritte. Kanzlerin Angela Merkel sprach von einem „bewusst verletzenden Text“, und die Bundesregierung gab den Weg für ein Strafverfahren gegen Böhmermann wegen Beleidigung eines Staatsoberhaupts frei. Für viele ein Skandal, ein Eingriff in die Freiheit der Kunst.

Schließlich nannte Merkel ihre Äußerung einen „Fehler“, das Verfahren wurde eingestellt, der Paragraf der „Majestätsbeleidigung“ soll abgeschafft werden. Allerdings klagt Erdogan weiter – als Privatmann.

Noch einmal tritt Bundespräsident Joachim Gauck nicht für den Platz im Schloss Bellevue an.
Noch einmal tritt Bundespräsident Joachim Gauck nicht für den Platz im Schloss Bellevue an. © dpa | Bernd von Jutrczenka

„Demokratische Normalität“: Spekuliert wurde bereits zuvor – aber als Bundespräsident Joachim Gauck dann im Juni ankündigte, auf eine zweite Amtszeit zu verzichten, war es doch irgendwie überraschend. Die Entscheidung sei ihm nicht leichtgefallen. „Ich möchte für eine erneute Zeitspanne von fünf Jahren nicht eine Energie und Vitalität voraussetzen, für die ich nicht garantieren kann“, sagte der 76-Jährige im Schloss Bellevue vor der Fahne mit dem Bundesadler. Es sei kein Grund zur Sorge, sondern vielmehr „demokratische Normalität“.

„Perfekte Merkel“: Das Jahr war geprägt vom erbitterten Flüchtlingsstreit zwischen CDU und CSU. Kaum eine Woche verging, in der Horst Seehofer nicht scharf gegen Merkel schoss. Die Klausur der Unionsspitze in Potsdam im Juni sollte Frieden bringen. Mit der Brexit-Entscheidung der Briten im Nacken und bei lähmender Sommerhitze wollten die Kanzlerin und der CSU-Chef sich annähern.

Der Zwist zwischen dem bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU) und der Kanzlerin zog sich durch das gesamte politische Jahr 2016.
Der Zwist zwischen dem bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU) und der Kanzlerin zog sich durch das gesamte politische Jahr 2016. © dpa | Sven Hoppe

Die Schattenseite: Seehofer wollte sich nicht auf Merkel als gemeinsame Kanzlerkandidatin festlegen. Stattdessen berichtete er von einer Merkel-Figur, die in seiner Modelleisenbahn-Anlage vorkomme. Seine bisherige sei zu groß, entspreche nicht dem Maßstab. Jetzt habe er eine neue – „eine maßstabsgetreue und perfekte Angela Merkel“. Versteht sich von selbst, dass die neue Merkel etwas kleiner ist.

„Ich beurteile Menschen nicht nach Herkunft“: Nach dreieinhalb Jahren des Schweigens ergriff die mutmaßliche Rechtsterroristin Beate Zschäpe im Münchner NSU-Prozess Ende September zum ersten Mal persönlich das Wort. Sie bedauere ihr „Fehlverhalten“ und verurteile, was ihre Freunde Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt den Opfern „angetan haben“, sagte sie vor dem Münchner Oberlandesgericht.

Die Erklärung dauerte nur eine Minute, die 41-Jährige sprach schnell und mit leiser Stimme. So mancher Prozessbeobachter und auch die Nebenklage äußerten starke Zweifel, dass sich Zschäpe inzwischen tatsächlich von „nationalistischem Gedankengut“ distanziert hat, so wie sie in der Erklärung betonte.

Anhänger der Pegida-Bewegung protestieren am Nationalfeiertag in Dresden gegen Angela Merkel.
Anhänger der Pegida-Bewegung protestieren am Nationalfeiertag in Dresden gegen Angela Merkel. © imago/Lars Berg | imago stock&people

„Volksverräter“: Die Masse schrie und pfiff und pöbelte – sinnbildlich für ein Land, das sich gespalten hatte. Die Einheitsfeier in Dresden am 3. Oktober war ein düsterer Tag, nicht nur wegen des grauen Himmels. Auf dem Weg zur Frauenkirche wurden die Politiker aufs Übelste beschimpft und beleidigt, „Volksverräter“-Rufe hallten, einer Politiker-Ehefrau kamen die Tränen. Die Grünen-Politikerin Claudia Roth versuchte, mit den Demonstranten ins Gespräch zu kommen. Ihr schlug blanker Hass entgegen. Ihre Antwort: ein Luftkuss im Abwenden.

„Unendlich viel darüber nachgedacht“: Im November war es endlich soweit. Monatelang war Angela Merkel immer wieder nach ihren Plänen für eine weitere Kanzlerschaft gefragt worden und hatte alle Frager mit dem Hinweis auf den geeigneten Zeitpunkt vertröstet. Dann stand sie im Adenauer-Haus im roten Blazer vor den Journalisten, befand: „Der geeignete Zeitpunkt ist heute da“, und sagte schließlich Ja zur vierten Kandidatur.

So wirklich überraschend war das nicht mehr. Dann schon eher ihre Beschreibung des Abwägens: „Ich habe sprichwörtlich unendlich viel darüber nachgedacht“, erklärte Merkel. Und dass sie in unsicheren Zeiten die Erwartungen vieler Menschen nicht enttäuschen wolle. Immerhin: „Jetzt weiß ich genau, was wir weiter machen müssen.“ (dpa)

Jahresrückblick: So aufregend war 2016!

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