Schon Prinzessin Diana brach aus dem steifen Hofzeremoniell aus und gab ihren Kindern Liebe und Geborgenheit. Auch William und Kate setzen auf Normalität für ihren Sohn.

London. Bei Prinzessin Diana und Prinz Charles war es ähnlich. Das stolze Elternpaar empfing zur Geburt von Prinz William am 21. Juni 1982 beste Wünsche aus aller Welt und setzte große Erwartungen in den Thronfolger des britischen Königshauses.

Thronfolger Nummer drei, der am 22. Juli um 16.24 Uhr im Londoner St. Mary’s Hospital das Licht der Welt erblickte, ist wie sein Vater und seine Großmutter Diana ein „Krebs“. Diesem Sternzeichen folgend wird das erste Kind von Prinz William und Herzogin Kate, beide 31, eines Tages ein führungsstarker Monarch mit einer „sehr speziellen Aura“ sein, der „sehr deutlich die Bedeutung der Familie, der Pflicht und des Staates versteht“. Diesen optimistischen Ausblick in die Zukunft des noch namenlosen Prinzen gibt zumindest der britische Astrologe Patrick Arundell.

Doch bis der Prinz von Cambridge, so sein offizieller Titel, als 43. Herrscher nach William dem Eroberer den Fortgang der 1000-jährigen Monarchie in direkter Linie sichert, fließt noch viel Wasser die Themse hinab. Für Adels-Experte Rolf Seelmann-Eggebert, 76, wird das Neugeborene „für den Rest seiner Tage eine wichtige Rolle im Weltgeschehen spielen“ und Großbritannien als König ins 22. Jahrhundert führen. „Bei der steigenden Lebenserwartung von Frauen und Männern ist es ja keineswegs ausgeschlossen, dass er mit 87 Jahren König von Großbritannien im Jahr 2100 wird.“

Zunächst gilt es jedoch, einen Namen zu finden: Bei den Buchmachern stehen George und James ganz oben auf der Liste, gefolgt von Alexander, Louis oder Henry. Wann die jungen Eltern den Namen bekannt geben, legen sie selbst fest. Wie so vieles andere: Kate und William wollen möglichst normale Eltern sein, ohne eine Rund-um-die-Uhr-Nanny und ohne Blitzlichtgewitter. Viele Experten sind skeptisch, ob das gelingen kann. „Ein royales Baby kann nie normal aufwachsen. Diese Kinder stehen vom allerersten Moment an in der Öffentlichkeit. Das war schon in der Vergangenheit so, aber heute ist es durch die sozialen Netzwerke sicher noch extremer. Jeder hat eine Handykamera, Nachrichten verbreiten sich rasend schnell über die ganze Welt. Ein privates und unerkanntes Leben ist fast unmöglich geworden“, sagt Adelsexpertin Stefanie Richter.

Doch ein erstes Zeichen in Richtung Normalität hat das Paar schon gesetzt: William stand – wie fast jeder Vater heutzutage – seiner Frau am Montag im Kreißsaal so lange zur Seite, bis sein Sohn das Licht der Welt erblickte. Das entspricht jedenfalls nicht dem Bild der „stiff upper lip“, das eine vermeintlich unerschütterliche Kühle der britischen Royals zum Ausdruck bringen soll. Und die erste Nacht verbrachte die kleine Familie zusammen im Krankenhaus.

Ein noch deutlicherer Hinweis auf die Ambitionen von William und Kate ist ihr Plan für die Erziehung: Großbritanniens jüngster Royal soll offenbar außerhalb des elitären Palastumfelds ins Leben starten. Kate will die ersten sechs Wochen nach der Geburt in ihrem Elternhaus in der Grafschaft Berkshire westlich von London verbringen. Als Großeltern könnten die Middletons einen Hafen bürgerlicher Normalität bieten, weit weg von der protokollarischen Strenge des Hofes. William nimmt sich zudem zwei Wochen Elternzeit vom Job als Rettungspilot bei der Royal Air Force. Das gibt ihm Zeit, das Wechseln der Windeln zu lernen – und sich an das nächtliche Geschrei seines Sprösslings zu gewöhnen.

Beste Voraussetzungen für Nestwärme

Dass das „Royal Baby“ in einer warmen und persönlichen Umgebung aufwächst, dafür bringen beide Eltern gute Voraussetzungen mit. Bei Kate ist es ihre bürgerliche Herkunft. Auch der Prinz versteht sich gut mit ihren Eltern, scheint bei ihnen eine emotionale Stabilität und Normalität zu finden, die ihm in seiner Kindheit fehlte. „Mike und Carole waren immer sehr herzlich, zuvorkommend und lustig“, beschrieb er seine Schwiegereltern in einem Interview. Und Kate hat es bislang meisterhaft verstanden, sich bei öffentlichen Anlässen vornehm zurückzuhalten. Das brachte ihr zwar den Ruf ein, eine Langweilerin zu sein. Lässt aber auch erwarten, dass sie ihr Kind zu behüten weiß.

Bei William sind es die schmerzhaften Erfahrungen der eigenen Kindheit und Jugend, die ihn den Wert eines geschützten Privatlebens erkennen ließen. Seine Mutter Diana, die 1997 in Paris tödlich verunglückte, brach aus dem Muster des steifen Hofzeremoniells aus, gab ihren Söhnen William und Harry Wärme und Liebe und zeigte ihnen das normale Leben. „Sie nahm ihre Kinder mit zu den Obdachlosen und ging mit ihnen in Vergnügungsparks“, sagt Hofberichterstatter Phil Dampier. „Ich bin sicher, Will und Kate werden das Gleiche tun wollen.“

Zugleich erlebte William, wie seine Mutter am öffentlichen Druck zerbrach. Dem will der Prince of Wales Normalität entgegensetzen. Seinem Biografen zufolge macht er auch heute noch sein Bett und kocht selbst. „Ich mag wirklich alles, was einem üblichen Leben gleichkommt“, sagte der Prinz während seiner Studentenzeit.

Wird es Kate und William also gelingen, ihren Sohn behütet und fern der Blitzlichtgewitter aufwachsen zu lassen? „Wir bekommen immer wieder zu hören, dass königliche Eltern ihren Babys eine normale Kindheit bieten wollen“, sagt Patrick Jephson, ehemaliger Privatsekretär von Diana. „Doch die Wahrheit ist leider, dass sie nicht normal sind und das auch nie sein können.“ Diese Zweifel teilt auch Claire Irvin: „Kate hat zwar betont, dass sie keine Kindermädchen will“, sagt die Chefredakteurin von „Mother & Baby“. „Aber das war vor den schlaflosen Nächten.“

Volk erwartet noch mehr Bürgerlichkeit

Optimistischer sehen die Untertanen, die von ihrem Königshaus im 21. Jahrhundert noch mehr Bürgerlichkeit erwarten, die Zukunft des kleinen Prinzen. Der Spross von William und Kate soll einmal „richtig arbeiten“, Erfahrungen in einem echten Beruf sammeln, statt nur zu repräsentieren. Das sieht laut einer Umfrage weit mehr als die Hälfte der Bevölkerung so. Kates und Williams Sohn hinter dem Schreibtisch einer Bank oder als Anwalt im Gerichtssaal – das ist heute viel leichter vorstellbar als noch zwei Generationen zuvor. Die Chancen stehen derzeit hervorragend, dass die Monarchie mit einem gekonnten Mix aus Moderne und Althergebrachtem auch noch dann hoch im Kurs steht, wenn der kleine Prinz einmal König ist. Derzeit sehen sich in Großbritannien 77 Prozent der Menschen als Monarchisten.

Einer der ersten internationalen Gratulanten war übrigens US-Präsident Barack Obama, der gemeinsam mit seiner Frau Michelle der königlichen Kleinfamilie Glück und Segen wünschte. In Neuseeland und Kanada – Großbritannien im Commonwealth verbunden – setzten Royalisten zur Feier des Tages öffentliche Gebäude in blaues Licht. In Australien versprach Ministerpräsident Kevin Rudd, dem Nachwuchs ein Gebäude im Zoo von Sydney zu widmen und in seinem Namen 10.000 Dollar (gut 7000 Euro) an ein Zoo-Forschungsprojekt zu spenden. Außerdem kündigte er an: „Ich weiß nicht, ob die Königsfamilie das braucht, aber wir werden ihnen wahrscheinlich auch eine Freikarte zum Taronga Park Zoo schenken.“ Gratuliert haben am Dienstag auch Williams Kollegen von der Luftwaffenbasis in Wales, wo er als Rettungshubschrauber-Pilot arbeitet. „Wir sind alle sehr glücklich“, hieß es von dort. Bei den Irish Guards, dem Regiment, dem William angehört, wurde mit Guinness auf den Thronfolger angestoßen. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu gratulierte: „Masel tov (Glückwunsch auf Hebräisch) im Namen des israelischen Volkes der Königin, Prinz Charles, dem glücklichen Paar und den Bürgern des Königreiches.“

Die jungen Eltern werden hoffentlich bald Zeit haben, den vielen Gratulanten zu danken. Am Dienstag teilten sie in ihrer ersten eigenen offiziellen Erklärung nach der Geburt mit: „Mutter, Sohn und Vater geht es heute Morgen gut“. William und Kate dankten den Mitarbeitern auf der Geburtsstation des St.-Mary‘s-Krankenhauses für die „großartige Aufmerksamkeit, die wir drei erfahren haben“.

Kates Eltern Carole und Michael Middleton waren die ersten Besucher, die das königliche Baby am Dienstag zu Gesicht bekamen. „Er ist absolut wundervoll. Dem Jungen geht es sehr gut, wir sind außer uns vor Freude“, sagte Großmutter Carole nach einem Besuch im Krankenhaus. Von der Reporterschar befragt, ob sie den Eltern einen Namen ans Herz gelegt habe, sagte sie: „Absolut nicht!“

Am Abend machten dann Prinz Charles und seine Frau Camilla dem Neugeborenen ihre Aufwartung. Vormittags hatte der Thronfolger bereits im nordenglischen Yorkshire seinen ersten Auftritt als Großvater absolviert. „Guten Morgen, Großpapa“, sagte eine Bewohnerin von Bugthorpe und brachte ihn damit zum Lachen. Nachdem er zahlreiche Glückwünsche entgegengenommen hatte, verkündete der Thronfolger: „Ich bin begeistert und sehr aufgeregt.“ Camilla, die bereits Großmutter ist, fügte hinzu, die Geburt sei ein „erhebender Moment für das Land“. Charles könne wundervoll mit Kindern umgehen. Vielleicht kann er ja mal als Babysitter aushelfen. Dann steht ja einer guten Kindheit für den kleinen Prinzen nichts mehr im Weg …