Essen/Paris. Der WM-Titel hat Frankreich in eine kollektive Leichtigkeit versetzt. Doch die Bedeutung darf nicht überschätzt werden. Ein Kommentar.
Für einen Präsidenten kann es nichts Besseres geben, als wenn die Mannschaft seines Landes den begehrtesten Titel holt, den es im weltweiten Sport zu gewinnen gibt. Und so präsentierte sich Emmanuel Macron als Super-Fan der Équipe Tricolore. Frankreichs Präsident sprang auf der Tribüne fast so hoch wie die Spieler von Trainer Didier Deschamps bei Kopfballduellen, er gratulierte im Gegensatz zu Russlands Präsident Wladimir Putin ohne Schirm im strömenden Regen seinen Weltmeistern. Es sollen keine Zweifel an der Glaubwürdigkeit seiner Euphorie in den Raum gestellt werden, aber genutzt hat Macron der Titel auf jeden Fall.
So feiern die Franzosen ihre Weltmeister
Fußball ist das verbindende Element in Frankreich
Der junge dynamische Präsident erfährt gerade politisch seine Grenzen. In Europa geht es ihm nicht schnell genug, und seine Reformen im Land muss er gegen Kritiker durchsetzen. Der Gewinn des WM-Titels hat Frankreich in eine kollektive Leichtigkeit versetzt. Die Nation kommt nach vielen schrecklichen islamistischen Terroranschlägen im Land aus ihrem Blues heraus. Fußball ist das verbindende Element der Gesellschaft. Ob rechts oder links, schwarz oder weiß: Die Begeisterung über den Titel ist riesig.
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Die Bedeutung des Fußballs darf aber auch nicht überschätzt werden. Vor 20 Jahren wurde das französische Weltmeister-Team unter dem Slogan „black-blanc-beur“ (schwarz-weiß-arabisch) zum Inbegriff eines Multi-Kulti-Frankreichs erklärt. Aber es gibt in Frankreich weiterhin Unruhen in den Vorstädten. Um diese sozialen Probleme zu lösen, reicht kein WM-Titel aus. Das französische Team mit zahlreichen Spielern mit Migrationshintergrund hat jedoch bewiesen, dass aus Einzelkönnern eine starke Einheit geformt werden kann. In einer Zeit, in der der Individualismus vorherrscht, ist dies ein sehr gutes Zeichen.