Sankt Petersburg. Wie beim WM-Titelgewinn vor 20 Jahren treffen die Verteidiger. Aber es gibt Kritik am Final-Einzug. Von Anti-Fußball ist die Rede.

Je näher eine

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auf ihr Ende zugeht, desto mehr werden Mythen und Mystik beschworen, um das Geschehene zu erklären. Der Fluch von Titelverteidigung und Confed-Cup-Sieg zum Beispiel, die Häufigkeit von Weltmeistern aus bestimmten Gruppen oder überhaupt jede Form von historischer Parallele. Frankreich erfreute sich am Dienstagabend an einer, die im Krestovski-Stadion von Sankt Petersburg schnell die Runde machte. Sie erinnerte an den bisher einzigen WM-Titel 1998 – und sie sagt vieles aus über den Finalisten 2018.

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Bei der Heim-WM vor 20 Jahren trafen drei unterschiedliche Verteidiger für Frankreich. Bixente Lizarazu in der Gruppenphase, Laurent Blanc per Golden Goal im Achtelfinale gegen Paraguay, Lilian Thuram sogar zweimal im Halbfinale gegen Kroatien.

Franzosen im Siegestaumel

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    Drei Tore der Abwehrspieler

    In Russland haben die Abwehrspieler einen ebenso starken Einfluss auf die Resultate. Ohne die spektakuläre Direktabnahme von Benjamin Pavard beim Stand von 1:2 gegen Argentinien wäre Frankreich wohl längst zu Hause. Raphael Varane köpfte das Führungstor gegen Uruguay. Und sein Partner in der Innenverteidigung, Samuel Umtiti, erzielte nun das 1:0 gegen Belgien. Der Mann vom FC Barcelona überzeugte danach auch mit der knappsten Aussage zum Halbfinale: „Wir haben das Gebotene gemacht“, sagte er.

    So ließ sich tatsächlich herunterbrechen, was nicht mal die Franzosen selbst bestritten: Sie hatten zu keinem Zeitpunkt versucht, das Spiel zu gestalten. Die Meinung ihrer Gegner verriet Thibaut Courtois: „Sie spielen Anti-Fußball.“ Belgiens enttäuschter Torwart klagte: „Wir haben gegen eine Mannschaft verloren, die keinen Spielstil hat, die nur verteidigt. Schade für den Fußball.“

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    Sich in Frankreichs Spiel zu verlieben, ist auch für neutralere Beobachter nicht leicht. Doch die Équipe will nun mal Weltmeister werden und folgt dabei den landesüblichen Traditionen der vergangenen 20 Jahre, als oft nur die Magie von Zinédine Zidane ein ähnliches Ergebnisdenken überstrahlte.

    Den letzten WM-Finaleinzug 2006 in Deutschland erreichte Frankreich mit drei Toren in der Gruppenphase und zwei 1:0-Siegen in Viertel- und Halbfinale. Auch 1998 zeigten die Weltmeister unter Aimé Jacquet und mit Kapitän Didier Deschamps keinen Hurrastil.

    Als lebenslanger Defensivstratege kann der aktuelle Trainer Deschamps ohne die Unterhaltungspflicht des EM-Heimturniers 2016 ungeniert nach seinen Stärken handeln. Jede Taktik wird angepasst. „Er weiß wirklich, wie man Spiele anzugehen hat“, sagte der einmal mehr tadellose Varane.

    Nun kann Deschamps wie vor ihm allein Mario Zagallo (Brasilien) und Franz Beckenbauer (Deutschland) Weltmeister als Spieler und Trainer werden. Im Weg steht das Trauma des mit 0:1 in der Verlängerung verlorenen EM-Finals 2016 gegen Portugal. „Das ist bei uns allen noch präsent“, sagt der Trainer, allzu endspielpanisch wirkten die Spieler in Sankt Petersburg jedoch nicht. Kapitän Hugo Lloris wies sogleich auf einen vielleicht bedeutenden Unterschied hin. „2016 spielten wir erst am Donnerstag das Halbfinale. Diesmal können wir das Finale in Ruhe vorbereiten.“ Die mögliche Taktik? „Wir sind ein ziemlich komplettes Team. Wir können verschiedene Stile spielen.“

    Bester Angriff ist draußen

    Der vom Dienstag hatte es nicht nur Belgiens Torsteher Courtois gründlich vergällt, sondern auch dem lange besten Spieler des Abends, Eden Hazard. „Ich verliere lieber mit diesem Belgien, als mit diesem Frankreich zu gewinnen“, sagte Chelseas Dribbelkünstler. Tatsächlich geht mit den Roten Teufeln die beste Offensiv-Elf des Turniers – 14 Tore – und bleibt die eiserne Defensive der Franzosen.

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    So konsequent verteidigten diese in Sankt Petersburg, dass sie auch rhetorisch keine Ausnahme machten. „Riecht ihr schon den Titel?“, wurde Antoine Griezmann gefragt. „Erst mal riechen wir nur nach Parfüm“, entgegnete der geduschte Angreifer – ziemlich französisch.