Nischni Nowgorod. Sogar die Elfmeter sitzen sicher bei den Engländern. Trotzdem ist Trainer Southgate nicht zufrieden nach dem 6:1 gegen Panama.

England schafft durch das 6:1 gegen Panama seinen höchsten WM-Sieg der Geschichte und erreicht wie Belgien vorzeitig das Achtelfinale – Kane trifft drei Mal und führt die Torschützenliste an.

England demontiert den WM-Neuling 6:1

Gareth Southgate schien dem Treiben mit jener Gemütsruhe zuzusehen, die er sonst vielleicht bei einem Sonntagsspaziergang durch die Wiesen und Wälder seiner heimatlichen Grafschaft Hertfordshire und beim Anblick der grasenden Schafe entwickelt. Nun saß Southgate allerdings in seiner Funktion als englischer Nationaltrainer bei einem WM-Spiel auf der Bank des Stadions ins Nischni Nowgorod. Anlass, seine Ausgeglichenheit einzubüßen, bestand jedoch schon nach gut 20 Minuten nicht mehr. Zu diesem Zeitpunkt führte England gegen Panama bereits 2:0 durch die Tore von John Stones (8.) und Harry Kane (22./FE).

Das Einzige, was Southgates Ruhe bei seinem gefühlten Sonntagsspaziergang am Wolga-Ufer noch vor der Pause unterbrach, waren die weiteren Tore durch Jesse Lingard (36.), Stones (40.) und Kane (45.+1/FE).

Am Ende hatten die Engländer die Demontage des WM-Neulings Panama nach einer gemütlicheren zweiten Halbzeit bei einem 6:1 (5:0) belassen. Kane fälschte noch einen Schuss von Ruben Loftus-Cheek ab (62.), der als einziger Neuer für Dele Alli (Hüftblessur) in die Startelf gerückt war. Panamas Felipe Baloy (78.) gelang zudem der Ehrentreffer beim besiegelten WM-Aus nach der Gruppenphase.

Torjäger Harry Kane stolz auf sein Team

Englands vorzeitige Zulassung zum Achtelfinale war dagegen nach dem zweiten Sieg im zweiten Spiel ebenso erreicht wie der mit Abstand höchste WM-Sieg einer englischen Auswahl. Zuvor hatte die Geschichte nur Erfolge mit maximal mit zwei Toren Unterschied bereitgehalten. Nun hatten sie mal eben den zweithöchsten Pausenstand der WM-Historie egalisiert, das 5:0 der deutschen Nationalelf 2014 im Halbfinale gegen Gastgeber Brasilien.

„Ich bin extrem stolz auf die Art und Weise, wie wir gespielt haben“, sagte Kapitän Kane. „Extrem stolz“ war er auch in eigener Sache, nach seinen drei Toren und nun insgesamt deren fünf in zwei Spielen, womit der Stürmer von Tottenham Hotspur derzeit in Führung liegt vor Portugals Cristiano Ronaldo und Belgiens Romelu Lukaku (je vier). „Nicht viele Spieler haben in der WM-Historie einen Hattrick geschafft“, erinnerte Kane, „es läuft gut bislang. Hoffentlich kann ich so weitermachen und Erster bleiben.“

„Aus aufgeblasen Egos werden aufblasbare Einhörner“

Zuletzt waren die großen Turniere für England erst recht zu freudlosen Veranstaltungen geraten, einige Peinlichkeiten inklusive. So erwartungsfroh die Mannschaft von der Insel stets verabschiedet wurde, so viel Schelte bekam sie ab, wenn sie wieder einmal sehr frühzeitig heimkehrte. Es bedurfte noch nicht einmal des nächsten Fauxpas eines Torhüters oder unschöner Elfmeter-Erlebnisse gegen Deutschland, um im Zynismus und der Häme der gewohnt scharfzüngigen britischen Presse zerrieben zu werden. Von der WM 2014 reisten sie schon nach der Gruppenphase ab und von der EM 2016 nach einer 1:2-Blamage gegen Island im Achtelfinale.

Diesmal lässt sich das Turnier deutlich besser an, wovon auch die relative mediale Ruhe in England zeugt. Fotos von Englands Kickern beim regenerativen Planschen mit aufblasbaren Einhörner in einem Schwimmbad gab es nach dem 2:1-Sieg zum Auftakt gegen Tunesien zu bestaunen und dazu wohlmeinende Kommentare. „Aus aufgeblasen Egos werden aufblasbare Einhörner“, befand der Guardian.

Einzig durch die sogenannte Zettelaffäre war kurz etwas Unruhe aufgekommen, nachdem ein Fotograf Southgates Assistent Steve Holland mit der vermeintlichen Formation für das Panama-Spiel abgelichtet hatte. Für englische Verhältnisse ist das nur wenig störende Begleitmusik.

Kane verwandelt Elfmeter zielsicher

Das könnte auch daran liegen, dass es anderswo gerade mehr zu lästern gibt, weil einige Favoriten mit sich und den sogenannten Kleinen zu kämpfen haben. Im ersten Spiel galt das auch noch für die Engländer. Erst in der Nachspielzeit hatten sie Tunesien niedergerungen. Das Erfolgsrezept aus dem Auftakt hatten sie nun mitgebracht nach Nischni Nowgorod. Wie schon bei den beiden Toren gegen Tunesien ging der Führung gegen Panama ein Eckball voraus, den diesmal Verteidiger Stones von Manchester City mit dem Kopf verwertete.

Bald darauf demonstrierte Kapitän Kane gleich zwei Mal, dass sich das Elfmetertraining unter Southgate offenbar gelohnt hat. Seine beiden identisch mit rechts in den linken Winkel gehämmerten Strafstöße wirkten so sicher und präzise, dass sich sein Trainer vielleicht gefragt hat, warum er damals im EM-Halbfinale 1996 gegen Deutschland nicht auch so geschossen hat.

Zwischen Kanes beiden Elfmetern lagen zwei Tore, bei der zudem die spielerische Raffinesse der Engländer zu bestaunen war. Zunächst bei Lingards schönem Schlenzer zum 3:0, dem ein verzögerter Doppelpass mit Raheem Sterling vorausgegangen war. Dann vor dem 4:0 beim pfiffigen Freistoßtrick samt Kombination über drei Stationen. Spielerische Eleganz – auch das ist neu für die Engländer.

Southgate unzufrieden nach 6:1-Gala

Trotz des 6:1-Erfolges war Englands Trainer Gareth Southgate nicht gut auf die Leistung seiner Elf zu sprechen. „Ich kann nicht sagen, dass ich zufrieden bin. Der Start war nicht gut. Zudem war das Gegentor sehr enttäuschend.“

Immerhin gab er nach Abpfiff zu: „Ich bin aber auch wirklich hyper-kritisch.“