Sotschi. Auch mit der Hilfe von Standards holte Deutschland 2014 den Titel. Andere Teams sind mittlerweile gefährlicher. Zum Beispiel Schweden.

Ein bisschen beeindruckt wirkt Joachim Löw schon. „Kein Zweifel“, sagt der Bundestrainer, „Schweden verteidigt super, absolut. Da fühlen sie sich wohl, sie wollen gerne verteidigen, das tun sie mit Hingabe und sowas von geordnet.“ Das ist er, der Gegner, der sich den Deutschen am Samstag in den Weg stellt, wenn Tore her müssen, um ein Vorrunden-Aus des Weltmeisters zu verhindern. Wenn Tore her müssen, die der Nationalmannschaft zuletzt nicht leicht fielen (drei Treffer in den letzten vier Spielen).

Beeindruckende Quote des DFB-Teams bei der WM 2014 und der EM 2016

Ein Ausweg aus diesem Dilemma können immer auch Standardsituationen sein: Freistöße und Eckstöße, die ohne Gegnerdruck vor das Tor geflankt werden dürfen. Ein gestalterisches Element. Auf dem Weg zum Titel vor vier Jahren entstand ein Drittel der deutschen Tore aus diesen Momenten. Miroslav Klose wendete mit seinem Tor die Vorrundenniederlage gegen Ghana ab. Mats Hummels entschied das ausgeglichene Viertelfinale gegen Frankreich mit seinem Kopfballtreffer. Benedikt Höwedes hätte um ein Haar im Finale gegen Argentinien den goldenen Treffer erzielt. Alles passiert nach Ecken. Ähnlich beeindruckend geriet die deutsche Quote bei der EM 2016.

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    „Bisher sind die Spiele auf keinem besonders hohen Niveau. Das ist eine WM der Hingabe und Leidenschaft. Die Mannschaften verteidigen mit allem was sie haben“, diagnostiziert Löw. Deshalb ist es bislang das Turnier der Standards. Etwas mehr als die Hälfte aller Treffer in Russland fiel bisher nach ruhenden Bällen (28 von 55 / Stand nach dem Spiel Brasilien gegen Costa Rica).

    „Aus Standards kann man viel machen“, sagt Löw: „Das war Thema in Besprechungen und auf dem Platz.“ Doch des Bundestrainers Zuneigung für diese Art der Torvorbereitung ist nicht allzu innig. Der Fußball-Ästhet feilt lieber am Zusammenspiel seiner Mannschaft, um Tore aus dem Spiel heraus zu erzielen. Entsprechend waren die Trainingszeiten auch dieses Mal in der Vorbereitung auf das Turnier verteilt. Standards wurden nachrangig behandelt.

    Nur vor der WM 2014 war das anders. Löws damaliger Assistent Hansi Flick rang seinem Chef Extra-Zeiten zur Einübung einiger Varianten ab. Die Spieler durften gar eigene Tricks entwerfen. Diesem Umstand verdankt die Fußball-Welt den Stolperer von Thomas Müller im Achtelfinale. Der sollte die Algerier verwirren, aber weil der Ball von Toni Kroos dann nicht wie geplant kam, blieb es bei einem Beitrag für Humoristen.

    DFB-Team traf zuletzt im Oktober 2017 nach einer Standardsituation

    Das letzte deutsche Tor nach einer Standardsituation fiel im Oktober 2017: Antonio Rüdiger per Kopf gegen Aserbaidschan. 45 Ecken flogen seitdem effektlos in den gegnerischen Strafraum – oder wurden gleich kurz ausgeführt, wie gegen Mexiko (0:1) im ersten Spiel der WM. Ein Freistoß von Toni Kroos schlug gegen die Latte. Ansonsten: Keine standardisierte Gefahr, kein Tor.

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      Doch Vorsicht: Was vorn den entscheidenden Siegtreffer herbeihebeln kann, vermag hinten zum Verhängnis zu werden. Nationalmannschaftsdirektor Oliver Bierhoff hält die Skandinavier für gefährlich, denn sie haben „bei Standardsituationen einige Spieler, die uns wehtun können“. Löw weiß das auch. Auch er wittert offenbar eher Gefahr als Chance. „Wir brauchen morgen Spieler, die im Luftkampf stark sind. Die Schweden sind bei Standards gut“, verrät er, wie das eigene Tor verteidigt werden soll. Und vorn? „Wir brauchen nicht zu glauben, dass wir morgen mit hohen Bällen gegen Schweden etwas gewinnen. Dann sagen die danke.“