Essen. Nationalspieler Mesut Özil hat sich Fragen zu der Erdogan-Affäre entzogen. Das Thema ist damit nicht erledigt. Ein Kommentar.

Grundsätzlich ist nichts dagegen einzuwenden, dass türkisch-stämmige deutsche Nationalspieler sich mit türkischen Politikern treffen. Das gilt, ganz allgemein gesprochen, auch für den Präsidenten des Landes. Für viele Menschen ist es eine Ehre, hochrangige Würdenträger zu treffen. Für viele Deutsche mit Wurzeln in anderen Ländern hat das eine verständliche, vermutlich besonders emotionale Komponente.

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Im Fall von Recep Tayyip Erdogan liegen die Dinge freilich anders. Der türkische Staatschef hat ein gelinde gesagt eigenwilliges Demokratieverständnis, er verfolgt Andersdenkende, benutzt ausländische Journalisten als politische Geiseln und betreibt in Syrien ein eher schmutziges kriegerisches Geschäft.

Wenn sich also die beiden WM-Fahrer Mesut Özil und Ilkay Gündogan mit Erdogan ablichten lassen, ist das weit mehr als ein sentimentaler Moment fürs Familienalbum – keine bloße Geste der Höflichkeit. Es ist, gewollt oder nicht, ein politisches, ein provozierendes Statement. Eines, das erklärender Worte bedarf.

Gündogan hat sich jetzt spät noch geäußert. Wenn angesichts der Empörung in Deutschland Mesut Özil sich Fragen dazu oder Medienkontakten gleich ganz entzieht, ist das in mehrfacher Hinsicht falsch. Das Thema ist nämlich nicht, wie mancher wünscht, erledigt: Es könnte Spieler, Team und Stab bis nach Russland verfolgen und bei Spielen bremsen, weil es als mentale Blockade wirkt. Allein deshalb wäre es wichtig, den Erdogan-Besuch noch aufzuarbeiten. Tatsächlich aber geht es in erster Linie nicht um Sport, sondern um Verantwortung von Menschen mit Einfluss.

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Fußball-Profis mit Millionen Anhängern sind vor allem öffentliche Personen, die zwar ein Recht auf Privatsphäre, deren öffentliche Auftritte aber eben keinen privaten Charakter haben. Ihre Popularität ist nicht allein Privileg, sie verpflichtet. Wer also öffentlich provoziert, sollte den Mut oder zumindest den Anstand haben, sich dazu genauso öffentlich zu bekennen.