Köln. Vor 41 Jahren holte Deutschland in Dänemark den Titel. Das traut der damalige Spieler Klühspies auch dem aktuellen Team zu.

Es ist ein paar Tage her, da hatte Kurt Klühspies kurz dieses Verlangen. Er stand in der Spielfeldmitte, in der Kölner Arena jubelten mehr als 19.000 Menschen auf den Rängen. Klühspies hielt einen Handball umklammert, am liebsten hätte er ihn wieder mit Schmackes auf eines der Tore gefeuert. „Das war schon Gänsehaut-Atmosphäre. Zugegeben: Die Hand hat schon gejuckt”, sagte Klühspies. Es war die Halbzeitpause im Hauptrundenspiel der Deutschen gegen Island. Neben ihm standen Heiner Brand, Arno Ehret, Horst Spengler und Manfred Freisler. Den Rollstuhl, in dem Joachim Deckarm sitzt, hatten sie gemeinsam aufs Feld gerollt, nun winkten sie dort den Zuschauern zu und wurden für ihren größten Erfolg geehrt.

Bewegender Auftritt in Köln

Es ist ein paar Jahre her, da standen jene Männer auf einem Handballfeld in Dänemark. Weltmeisterschaft 1978, Endspiel in Kopenhagen. Eine junge deutsche Mannschaft auf der einen, das dominante Team der Sowjetunion auf der anderen Seite. Es war ein Finale, um das sich heute noch viele legendäre Geschichten ranken. Die mit den Bierdosen und der DDR. Die 193 Sekunden lange von Dieter Waltke. Und am Ende die über den Triumph des Außenseiters. Ein Stück deutsche Sportgeschichte.

Der Auftritt am Samstag in Köln dauerte nur wenige Minuten. Aber die alten Helden genossen ihn. Immer wieder hob Deckarm seine Arme, als die Zuschauer laut Happy Birthday sangen. Am ersten Hauptrundenspieltag der WM 2019 war der einstige Rückraumspieler 65 Jahre alt geworden. Danach wurde viel gelacht und in Erinnerungen geschwelgt. Nicht wenige hatten mit dem Turnier vor 41 Jahren zu tun. Mit der WM 1978.

Kurt Klühspies, Weltmeister von 1978
Kurt Klühspies, Weltmeister von 1978 © dpa pa

Bis ins Finale hatte sich das deutsche Team durch einige kuriose Spiele gekämpft, darunter das 14:14 gegen die DDR, bei dem Kurt Klühspies fünf Treffer erzielt hatte. Nun das Endspiel. Taktische Tipps gab es ausgerechnet aus dem sozialistischen Teil Deutschlands. Wolfgang Böhme hatte sich am Vorabend des Finals zu Klühspies aufs Zimmer geschlichen. Da saßen sie nun, die Führungsspieler der DDR und der BRD, und stellten mit Bierdosen Spielzüge der Sowjets nach. Die Dosen waren von Bundestrainer Vlado Stenzel als Schlafmedizin ausgegeben worden.

Ob am Ende die taktischen Tipps den Ausschlag gaben? Gegen den überlegenen Gegner versuchten es die Deutschen mit konzentrierter Abwehrleistung, Tempo und Spielwitz. Die Deckung dirigierte Heiner Brand, Torwart Manfred Hofmann parierte drei Siebenmeter. In der Offensive zeigte Joachim Deckarm mit seinen sechs Treffern, warum er als bester Handball der Welt galt. Ein Jahr später sollte sich das Leben des begnadeten Rückraumspielers ändern: Europapokalspiel mit dem VfL Gummersbach in Ungarn. Deckarm stieß mit einem Gegenspieler zusammen, knallte mit dem Kopf auf den Betonboden. Doppelter Schädelbasisbruch, ein Gehirnhautriss und schwere Gehirnquetschungen – seitdem ist Deckarm ein Pflegefall.

Manager nach der Handballkarriere

Seine einstigen Teamkameraden haben Deckarm immer unterstützt. Einmal im Jahr treffen sie sich. Früher haben sie Benefizspiele veranstaltet, heute lassen sie es ruhiger angehen. Wandern, Golfspielen – den Namen Joachim-Deckarm-Freizeit trägt das Treffen trotzdem noch immer. „Es ist immer wieder eine schöne Zeit, wenn wir uns wiedersehen“, schwärmt Klühspies, der nach seiner Handballkarriere als Manager beim Sportartikelhersteller Adidas arbeitete und nun mit 66 Jahren „im verdienten Ruhestand“ ist.

Sie lassen die deutschen Handball-Fans aktuell hoffen: Bundestrainer Christian Prokop sowie seine Spieler Henrik Pekeler, Kai Häfner und Fabian Böhm (von links) spielen nach der erfolgreichen Hauptrunde um die Medaillen.
Sie lassen die deutschen Handball-Fans aktuell hoffen: Bundestrainer Christian Prokop sowie seine Spieler Henrik Pekeler, Kai Häfner und Fabian Böhm (von links) spielen nach der erfolgreichen Hauptrunde um die Medaillen. © dpa

Damals in Kopenhagen stand auch Dieter Waltke auf dem Feld. Jimmy nannten sie ihn wegen seiner Frisur, die an US-Rockstar Jimmy Hendrix erinnerte. Der deutsche Jimmy legte nur ein kurzes Solo hin. Unzufrieden mit seiner Einsatzzeit, wollte der Linksaußen vor dem Finale abreisen. Er blieb, Stenzel wechselte ihn ein, Waltke traf dreimal – und schmorte dann wieder auf der Bank. 193 Sekunden hatte er in dem Finale – nein: im gesamten Turnier also – gespielt. Und doch war er so einer der prägenden Spieler beim 20:19-Triumph.

Einladung zum Endspiel 2019

Und im Jahre 2019? „Erneut Weltmeister werden – das ist machbar“, sagt Klühspies. „Die Abwehr ist sensationell, der Teamgeist ist da.“ Falls es mit dem Finaleinzug im dänischen Herning klappt, werden Klühspies und die anderen 78er dort sein, Verbandspräsident Andreas Michelmann hat versprochen, sie einzuladen. In das Land, in dem sie vor 41 Jahren den Titel holten.