Berlin. Clemens Prokop organisierte die Leichtathletik-EM in Berlin - und hofft, das dort 2022 alle Wettbewerbe der European Championships stattfinden.

Clemens Prokop (61) war von 2001 bis 2017 Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV). Der Jurist aus Regensburg leitete zudem als Präsident das Organisationskomitee der Europameisterschaften in Berlin. Nicht nur deshalb fällt seine Bilanz sehr positiv aus. Aber er wünscht sich noch mehr von der Hauptstadt.

Was nehmen Sie mit von der EM, Herr Prokop?

Clemens Prokop: Dass Berlin wieder mal bewiesen hat, dass wir bei Top-Ereignissen des Sports fantastische Organisatoren und Gastgeber sind. Berlin nimmt so ein Ereignis als ganze Stadt auf, die Menschen leben mit der Veranstaltung. Im Stadion haben wir nicht nur herausragende Leistungen gesehen, sondern auch ein herausragendes Publikum erlebt. Außerdem hat die Idee mit dem Breitscheidplatz sehr gut geklappt. Es war ein politisches Statement vor dem Hintergrund des Attentats. Und: Unser Sport trägt wie eine Monstranz vor sich her, dass bei uns Hautfarbe, Religion und sonstige persönliche Vorgaben nicht zählen, sondern wir Menschen nur aufgrund ihrer individuellen Leistung bewerten. Genau diese Botschaft wurde auf dem Breitscheidplatz verkündet. Wir hatten geschätzt 150.000 Menschen dort während der EM. Wir haben nicht nur sportlich hochklassige Tage hinter uns, sondern auch emotional bewegende.

Was bleibt von der Premiere der European Championships in Berlin und Glasgow?

Prokop: Wenn ich die Mediendaten sehe, die sie ausgelöst haben, sind sie ein großes Erfolgsmodell. Alle schwärmen von hohen Quoten. Man kann aus dieser Idee noch mehr machen, es ist eine große Chance für die Sommersportarten, an medialer Wucht zu gewinnen. Ich glaube, wenn sie zusammenfinden, kann dem Fußball die Stirn geboten werden.

Es war zu hören, dass es im Vorfeld viel Widerstand einzelner Verbände gab, dass acht Sportarten innerhalb von zwei Wochen ihre EM austragen.

Prokop: Die Reaktionen, die ich bekommen habe, sind allgemein begeistert. Es ist ja oft so, dass vor Beginn einer Erneuerung viele Bedenken stehen. Wenn aber der Erfolg eintritt, sind gerade die mit den meisten Bedenken schon immer überzeugt gewesen. Dieser Zusammenschluss ist ein sehr attraktives Paket. Ich könnte mir das unter modifizierten Bedingungen, was die Sportarten angeht, die die Leichtathletik begleiten, hier in Berlin vorstellen. 2022 soll es die nächste Auflage geben. Warum nicht Berlin? Die Hauptstadt hat die Sportstätten, es sind keine großen Investitionen nötig, und eine Art Frühlingsgefühl Olympischer Spiele würde sich in Berlin verbreiten. Für mich war der einzige Schwachpunkt bei der Premiere 2018: Ich glaube, in einer Stadt wird die Faszination noch größer. Und man kann es effizienter gestalten, was die Strukturen angeht. Mein Plädoyer ist, in eine Stadt zu gehen. Nach Berlin.

Alles, was man über die Leichtathletik-EM wissen muss

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    Sie sind ja sehr optimistisch. Glauben Sie, dass Berlin das so schnell organisiert bekäme. Nicht vielleicht erst 2026?

    Prokop: Berlin hat den Ehrgeiz, bei den Topereignissen des internationalen Sports mitzumischen. Olympische Spiele sind derzeit kein Thema. Was würde zu Berlin passen? 2026 soll London Interesse haben. Also würde sich 2022 anbieten. Berlin hätte die Fähigkeit, so eine Veranstaltung ohne große Investitionen in die Infrastrukturen durchzuführen.

    Berlin weiß doch nicht mal, was mit dem Olympiastadion passiert.

    Prokop: Da bin ich jetzt wirklich mal optimistisch. Ich bin sicher, dass nach diesen Europameisterschaften die Frage mit der blauen Laufbahn geklärt ist. Sie wird bleiben.

    Es gibt doch auch andere deutsche Städte, die Interesse bekundet haben, wie Hamburg oder München.

    Prokop: Hamburg müsste erst mal erklären, wo die Leichtathletik stattfinden soll, die Kernsportart. Die European Championships sind ein Event, das um die Leichtathletik-EM herumgebaut wird.

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    Jetzt gehörten sieben Sportarten dazu. Wie viele könnten Sie sich denn vorstellen?

    Prokop: Man muss sich hüten, in den Gigantismus anderer Sportveranstaltungen zu verfallen. Wir wollen keine teuren Investitionen bei den Ausrichtern verursachen, wo Sportstätten gebaut werden müssen, die für die Zukunft keinen Sinn machen. Die Zahl ist nicht beliebig erhöhbar. Ich glaube, bis zu zehn Sportarten könnte man vom Konzept fahren. Aber wir dürfen nicht die Fehler Olympischer Spiele nachmachen.

    Sportarten wie die Leichtathletik müssen sich verändern, wenn sie nicht untergehen wollen. Was schlagen Sie vor?

    Prokop: Das ist ein sehr emotionaler Diskussionspunkt. Müssen wir zum Beispiel die Regeln der Sportart verändern? Ich bin ein Fan davon, bei Sieben- und Zehnkampf nicht bei den abschließenden Läufen alle gleichzeitig starten zu lassen. Sondern der oder die Führende läuft zuerst los, rein optisch wüsste man, wer als erster ins Ziel läuft, ist der Sieger. Wie beim Biathlon in der Verfolgung etwa. Das wäre doch viel emotionaler. Jeder Athlet weiß, wenn ich den vor mir noch überhole, bin ich Dritter oder Erster. Der muss nicht während des Laufs rätseln: Reicht meine Zeit oder nicht? Auch für die Zuschauer wäre das viel klarer.