Berlin. Bei der Leichtathletik-Europameisterschaft kamen die Fans vor Ort und am TV voll auf ihre Kosten. Ergebnisse machen Hoffnung auf Tokio.

Es waren emotionale Bilder, die aus dem Berliner Olympiastadion hinaus in die Welt gingen. Auch am Wochenende wieder, als die Leichtathletik-EM in Berlin beendet wurde. Die ausgelassene Begeisterung des Hochsprung-Goldgewinners Mateusz Przybylko, die genießerische Freude der Weitsprung-Europameisterin Malaika Mihambo, der fulminante Spurt von Gesa Felicitas Krause am Ende der 3000 Meter Hindernislauf – die Fans der deutschen Sportlerinnen und Sportler kamen erneut voll auf ihre Kosten.

Ähnlich hatten sie sich schon mit dem hemmungslos weinenden Arthur Abele gefreut, dem König der Zehnkämpfer. Und mit Speerwurf-Europameister Thomas Röhler. Und mit Speer-Europameisterin Christin Hussong. Aber auch mit Gina Lückenkemper, die über 100 Meter unter elf Sekunden zur Silbermedaille lief und das Publikum dabei begeisterte.

"Gänsehaut-Feeling" bei Zuschauern und Athleten

„Wir haben im Stadion genau das bekommen, was wir uns gewünscht haben – das Gänsehaut-Feeling“, sagte Jürgen Kessing, Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV). Dafür sorgten die Athleten mit herausragenden Leistungen und die halbe Million Zuschauer, die dem Spektakel im Stadion und auf dem Breitscheidplatz eine würdige Kulisse boten.

Und das Ergebnis kann sich aus deutscher Sicht sehen lassen. Schon einen Tag vor dem Ende hatten die Athleten mit 17 Medaillen eine mehr gesammelt als noch vor zwei Jahren in Amsterdam. Am Ende waren es insgesamt 19 deutsche Medaillen. Dass dies das Ziel des DLV war, hatte vorher natürlich keiner gesagt. „Wir wollten keinen Druck aufbauen. Und wenn man dann immer wieder mit Zahlen konfrontiert wird, ist das nicht hilfreich“, erklärte Idriss Gonschinska, Leitender Direktor Sport im DLV.

Der Plan ging auf. Das deutsche Team jubelte im Werfen, Springen und Laufen. „Die Vielfalt dieses Sports haben wir in dieser Woche gesehen, und das ist bei vielen Menschen angekommen“, sagte Präsident Kessing.

Merkel und Seehofer ließen sich nicht im Stadion blicken

Nur bei einer offenbar nicht. Bundeskanzlerin Angela Merkel besuchte die Wettkämpfe vor ihrer Haustür nicht. Auch andere Politiker wie Sportminister Horst Seehofer und den Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier, der sogar die Schirmherrschaft der EM innehatte, suchte man unter den Zuschauern vergeblich. „Aber im Endeffekt waren so viele Menschen im Stadion, die wirklich sehen wollten, was wir machen, und das ist viel mehr wert“, sagte Diskuswerferin Shanice Craft.

Nicht nur die Menschen im Stadion wollten sehen, was sich in Berlin tut. „Die Zuschauerquoten, die Marktanteile im TV sprechen dafür, dass die Leichtathletik in dieser Woche einen neuen Schub bekommen hat“, sagte Kessing. Verantwortlich dafür waren vor allem die Erfolge der deutschen Athleten. Denn das Prinzip des Zuschauerinteresses ist klar: keine deutschen Medaillen, keine guten Einschaltquoten.

Das weiß auch der DLV. Er hatte deshalb viel investiert, um seine Athleten bestmöglich vorzubereiten. „Wir haben bewusst auch einige unpopuläre Entscheidungen getroffen und uns absolut auf die Tage hier fokussiert. Vieles davon ist aufgegangen. Natürlich gab es auch die eine oder andere Entwicklung, die wir uns anders vorgestellt hatten“, sagte Gonschinska.

Bilanz der Sprinter ist ausbaufähig

Ein Beispiel sind die deutschen Sprinter. Sie liefen wie schon in den Jahren zuvor nur hinterher. Mit Ausnahme von Vize-Europameisterin Lückenkemper gingen alle leer aus. Nur wenn auch noch Hürden zwischen den Athleten und der Ziellinie standen, sprinteten die Deutschen mit um die Medaillen. So wie die Wattenscheiderin Pamela Dutkiewicz und Cindy Roleder, die mit Silber und Bronze den Erwartungen gerecht wurden.

„Unser Motto war, dass die Athleten performen können, wenn es darauf ankommt“, sagte Gonschinska. Sechs Medaillen wurden dank Saisonbestleistungen gewonnen.

Bis auf Diskuswerfer Robert Har­ting wird kaum einer aus dem aktuellen DLV-Team seine Karriere beenden. So werden sie sich nun mit der Zwischenstation der WM in Katar im nächsten Jahr auf Tokio 2020 vorbereiten. Damit die Athleten auch dort solch emotionale Bilder wie in Berlin liefern können.