Glasgow. Deutsche Männer gehen bei der Turn-EM in Glasgow leer aus. Bundestrainer Andreas Hirsch: Leistung reicht nicht für eine Medaille.

Haltung bewahren auch in der Niederlage, das zeichnet faire Sportsleute aus. Auch wenn es vorrangig fehlende Haltung war, die den deutschen Turnern bei den European Championships in der SSE Hydro Arena von Glasgow ein medaillenloses Wochenende – und damit das gleiche Abschneiden wie der deutschen Frauenriege eine Woche zuvor – bescherte, blieb Bundestrainer Andreas Hirsch in seiner Analyse beherrscht, aber gewohnt direkt. „Bei dem Leistungsvermögen, das wir haben, haben wir mit zwei Fehlern kein Anrecht auf Bronze“, sagte der Berliner nach Rang vier im Teamfinale.

Zu viele Punktabzüge bei den Haltungsnoten

Weil am Sonntag in den Einzelfinals der Unterhachinger Marcel Nguyen (30) mit Rang sechs am Boden und an den Ringen ebenso nicht in den Medaillenkampf eingreifen konnte wie der Erfurter Nils Dunkel (21) als starker Vierter am Barren, zog Hirsch mit Blick auf die WM in Doha (Katar) Ende Oktober ein realistisches Fazit. „Wir müssen daran arbeiten, stabiler zu werden und lieber weniger Risiko zu turnen, dafür aber die Übungen sauberer auszuführen“, sagte er angesichts zu vieler Punktabzüge in den Haltungsnoten, die besonders am Sonnabend im Teamfinale die mögliche Medaille gekostet hatten.

Vor allem Andreas Bretschneider fühlte sich ein Stück weit schuldig dafür, dass man zuschauen musste, wie die Franzosen sich über Bronze freuten. „Es ist sehr ärgerlich, dass wir nicht ohne Fehler durchgekommen sind. Die Franzosen haben das geschafft, deshalb stehen sie jetzt vor uns“, sagte der 29 Jahre alte Chemnitzer frustriert. Einer dieser angesprochenen Fehler war Bretschneider ausgerechnet an seinem Spezialgerät, dem Reck, unterlaufen. Beim Rybalko, einem eingesprungenen Flugteil mit eineinhalbfacher Drehung, hatte er den Halt verloren und war gestürzt. „Das ist ein Element, das normalerweise kein Problem darstellt und bei dem ich noch nie abgestiegen bin“, sagte er. Die Diskussion darüber, dass das Gerät zu schlechte Hafteigenschaften gehabt habe, wollte Bretschneider nicht befeuern, auch wenn tatsächlich wieder eine Reihe Topathleten am Reck Probleme hatte. „Die Bedingungen sind für alle gleich, es haben genug Leute ihre Übungen durchgeturnt“, sagte er.

Russische Turner bleiben in Europa unschlagbar

Dass die Franzosen in der Endabrechnung mit 246.928 Punkten mehr als drei Zähler vor den Deutschen (243.629) lagen und hinter den in Europa unbesiegbaren Russen (257,260) sowie Großbritannien (253,362) Bronze holten, lag tatsächlich daran, dass sie ihre Übungen fehlerlos durchturnten. Die Deutschen dagegen hatten neben Bretschneiders Missgeschick einen weiteren Sturz zu verkraften, als sich Nick Klessing (20/Halle an der Saale) am Sprung bei der Landung nach dem Roche (Doppelsalto) auf den Hintern setzte. Außerdem fehlte es besonders am Reck an der optimalen Ausführung, die Haltungsnoten waren nicht ausreichend. Einzig Routinier Nguyen, der an vier Geräten bester Deutscher war, zeigte sich uneingeschränkt konkurrenzfähig.

Selbstkritik im deutschen Team

An Selbstkritik mangelte es immerhin nicht im deutschen Team. „Wir können viel reden über zu harte Wertungen oder schlechte Bedingungen, aber wenn wir unsere Übungen ohne Fehler durchturnen, sind wir vorn dabei“, sagte Andreas Toba (27/Hannover). In Europa mit allen Nationen außer Russland und Großbritannien auf Augenhöhe sein zu können, diese Erkenntnis will man auf dem Weg nach Doha als positiven Ansporn mitnehmen.