Berlin. EM-Silber war für die Hürdensprinterin Pamela Dutkiewicz vor Monaten undenkbar. Ein Arzt, ihr Freund und ein Plan machten es möglich.

Wenn Pamela Dutkiewicz von ihrem Gewinn der EM-Silbermedaille in Berlin spricht, dann stimmt da etwas nicht. Das, was sie sagt, passt nicht zu dem, was sie ausstrahlt. Die 26 Jahre alte Hürdensprinterin vom TV Wattenscheid erzählt, wie sehr sie sich über diese Medaille bei der Leichtathletik-Europameisterschaft freue. Sie redet von Herzrasen, von Anspannung, vom Happy End. Dabei müsste sie vor Glück, vor Freude, vor Erleichterung platzen. Doch was man sieht, ist eine junge Frau, die ganz ruhig da steht. Irgendwie komisch.

Zwei Verletzungen stoppten Dutkiewicz nach der WM 2017

Einen Tag später – es war eine kurze Nacht – versucht sie zu erklären, was in ihr vorgeht. Sie wählt dafür ein Bild: „Ich fühle mich wie ein Schwamm, den man ausgewrungen hat.“ Seit dem Moment, als sie in 12,72 Sekunden vor Titelverteidigerin Cindy Roleder (Halle/12,77) und hinter der Weißrussin Elvira Herman (12,67) im Olympiastadion ins Ziel gekommen war, hatte sie keine Minute zum Durchschnaufen. Um sacken zu lassen, was sie da eigentlich geschafft hat.

Noch vor wenigen Monaten schien eine EM-Medaille für Pamela Dutkiewicz meilenweit entfernt. Erst stoppte die WM-Dritte von 2017 eine Rückenblockade, dann ein Muskelfaserriss im Oberschenkel. Statt Sprints und Technikeinheiten gab es für sie: Seilchenspringen, Aqua-Jogging, Ergometer. Und ein bisschen Halli-Galli – ein Kinderkartenspiel, „um meine Reaktion zu trainieren“.

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Dutkiewicz kann heute ein bisschen darüber schmunzeln. Doch, natürlich: „Das war echt ätzend“, gibt sie zu. „Oft saß ich da und hatte Tränen in den Augen, weil ich dachte: Was machst du hier? Du trittst drei Minuten in die eine, drei Minuten in die andere Richtung, während die anderen schon richtig Gas geben.“

Sie erzählt das und ist dabei ganz ruhig. Sie redet mit sanfter Stimme. Erklärt auf Nachfrage, ganz geduldig. Man kann sich Pamela Dutkiewicz in solchen Momenten sehr gut in ihrem Leben nach der Sportlerkarriere vorstellen: als Grundschullehrerin vor einer Klasse.

In Nürnberg holte Dutkiewicz den Meistertitel

Mit sich selbst war Dutkiewicz nicht so geduldig. Vor allem ihrem Arzt Jürgen Vogt sowie ihrem Freund und Physiotherapeuten Maik Emmerich habe sie es zu verdanken, dass sie diese Phase mental überstanden habe. Beide zusammen warfen ihren Tagesplan über den Haufen, führten sie mit alternativem Training aus der Krise. „Das hat meinen Horizont erweitert“, sagt Dutkiewicz. „Ich war immer auf Pläne fixiert. Auch wenn mein Körper mal nicht wollte, habe ich gedacht, ich kann nur schnell sein, wenn ich es mache wie immer. Dieses Jahr hat mir gezeigt, dass es auch auf anderen Wegen geht. Das gibt mir innere Ruhe, für das, was noch kommt.“

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Und das, was dann kam, war gut. Dutkiewicz lief Anfang Juli in Luzern die drittschnellste Zeit aller Europäerinnen, holte in Nürnberg mit Meisterschaftsrekord den nationalen Titel. Dann die Heim-EM, das frenetisch jubelnde Publikum im Olympiastadion. Das Halbfinale, das sie gewann. Die Nervosität, die man ihr ansah, als sie für das Finale vorgestellt wurde. Der Himmel, der verrückt spielte: Erst kam die Hitze, dann wurde es dunkel. Wind ist für eine rhythmische Disziplin wie Hürdenlauf schon schlimm genug. Doch dann begann es auch noch zu regnen. „Mehr Drama ging nicht“, sagt Dutkiewicz. Und dann: Der Lauf, der Zielsprint, das Happy End.

„Da ist eine unglaubliche mentale Last von mir gefallen“, sagt die Wattenscheiderin. „Ich wollte das unbedingt, weil ich wusste: Wenn ich das jetzt schaffe, dann kann ich Großes erreichen.“ Das könnte bei der Weltmeisterschaft 2019 in Doha so sein. Oder vielleicht 2020 in Tokio. Denn eine Olympia-Medaille, die fehlt Dutkiewicz noch.