Hockenheim. Der Heppenheimer bemüht sich nach seinem Crash um Zuversicht. Lewis Hamilton hat nun 17 Punkte Vorsprung in der Gesamtwertung.

Mit dem „Finale dahoam” sollten wir es künftig besser lassen. Das ging schon bei den Bayern schief, und die hessische Variante lief nicht viel besser. Die Formel 1 wird zur Halbzeit nicht nur zu einem technischen Entwicklungs-Wettlauf zwischen Ferrari und Mercedes, sondern auch zu einer Weltmeisterschaft der großen Gefühle. Auch hier heißt der Spitzenreiter Lewis Hamilton.

Das Bild vom Ferrari, wie er eine Werbetafel in der Sachs-Kurve demoliert hat und in den Reifenstapeln steckt, erinnert an jene Szene aus dem Herbst 2016. Lewis Hamilton hatte den Großen Preis von Malaysia damals ähnlich in der Tasche wie Vettel seinen allerersten Sieg in Hockenheim, dann platzte der Mercedes-Motor. Hamilton kniete nieder, blickte fassungslos in den Himmel – er spürte in diesem Moment, dass er den Weltmeistertitel an Nico Rosberg verloren hatte. Fünf Pünktchen fehlten ihm am Saisonende.

Vettel; "Ich werde trotzdem gut schlafen"

Natürlich weiß auch Vettel, dass ihm die verlorenen 25 Zähler nach seiner ersten Nullnummer des Jahres am Ende zum ersten WM-Titel mit Ferrari fehlen können. Aber der Trotz siegt: „Ich werde trotzdem gut schlafen. Es war nicht der schlimmste Fehler, den ich je gemacht habe, nur vielleicht der mit der größten Wirkung.“ Kalte Reifen, etwas zu spät gebremst, Hinterräder blockiert. Vielleicht auch Öl auf der leicht feuchten Piste. Der Heppenheimer gibt zu, dass er es mit dem Patzer „weggeworfen“ habe, aber es würde absolut nichts verändern beim nächsten Rennen schon am Wochenende in Ungarn: „Wir können zuversichtlicher sein als alle anderen…“

Das mag rein technisch gelten, denn der Ferrari hat – offenbar durch eine geschickte Nutzung der Batterie-Software reichlich zusätzliche Energie in sich, und der langsame Hungaroring liegt den Roten Aber die mentale Power der Gegenspieler von Mercedes, gestärkt durch diesen unerwarteten Doppelerfolg, darf nicht unterschätzt werden. Hamilton, der samstags noch vor Zorn und Verzweiflung nach einem Hydraulik-Defekt geheult hatte, kämpfte nach seinem vierten Saisonsieg mit Freudentränen. Teamchef Toto Wolff, den selten etwas erschüttert, wirkte ähnlich mitgenommen: „Der Unterschied zwischen den besten und den sehr guten Rennfahrern zeigt sich an den schwierigen Tagen. Dann sind die Besten dazu fähig, den Unterschied zu machen.”

Hamilton hat 17 Punkte Vorsprung in der Gesamtwertung

Auch Vettel muss den Druck stärker spüren als er es zugeben mag, vielleicht war dieser angesichts eines herannahenden Hamilton auch mitentscheidend für den Fehler im Motodrom. „Auf einer Welle surfen“ nennt der Brite, der jetzt 17 Punkte Vorsprung in der WM-Gesamtwertung hat, diese Phase der Hochgefühle. Zu diesem mentalen Lauf passt auch die Entscheidung der Rennkommissare, den Sieger nicht für seine Fahrt aus der Boxeneinfahrt über den Rasen zurück auf die Piste zu bestrafen. Es habe keine Gefahr gedroht, das sei beim Präzedenzfall mit Kimi Räikkönen vor zwei Jahren anders gewesen.

Hamilton war auch geständig, dazu herrschte Chaos beim Wetter und den Strategen. Widersprüchliche Befehle vom Kommandostand („Komm rein, bleib draußen“) hatte er einfach durch die fahrerische Selbstjustiz ersetzt, es war die intuitiv richtige Entscheidung: „Vielleicht war ich in dieser Phase der, der am gelassensten geblieben ist.“ Eine adäquate Amtshandlung für einen Comeback-König.

Hamilton wechselt vom Reifenschongang in den Angriffsmodus

Es ist der unerschütterliche Glaube an sich selbst, auf den es in den verbleibenden zehn WM-Läufen ankommt. Hamiltons Ritt von Rang 14 ganz nach vorn zeigt aber, dass es auch auf die fahrerischen Fähigkeiten ankommt. Der Brite hielt sich in den Situationen zurück, die auch ohne Regen gefährlich waren, und er wechselte vom Reifenschongang dann in den Angriffsmodus, als sich Vettel schon sicher sein konnte.

„Ich bin stolz, dass ich keinen Fehler gemacht habe. Wahrscheinlich war es insgesamt gesehen das beste Rennen, das ich je gefahren bin“, glaubt Hamilton. Sebastian Vettel sagt, dass er selten auf das höre, was sein Rivale so erzähle. Vielleicht hat er aber den Funkspruch am Ende der Rennübertragung mitbekommen, als Lewis Hamilton an die Box funkt: „Liebe schlägt alles.“