Moskau. Belgiens Mittelfeldspieler Kevin De Bruyne ist neuerdings mehr Vorbereiter als Torschütze. Im Achtelfinale der WM geht es gegen Japan.

. Der Hauch von schlechtem Gewissen ist nicht zu überhören, als Roberto Martínez zu einer kleinen Kevin-De-Bruyne-Schwärmerei ansetzt. „Ich glaube Kevin wird bei dieser Weltmeisterschaft bislang nicht angemessen gewürdigt“, sagt der Trainer der belgischen Nationalmannschaft über den Fußballer von Manchester United, von dem nicht wenige Experten glaubten, er könne der Superstar dieses WM-Turniers werden. Nun haben die Belgier drei Partien absolviert, gefeiert werden jedoch die Torjäger Eden Hazard und Romelu Lukaku, während de Bruyne viel dunkel Arbeit irgendwo in den tiefen des Mittelfelds verrichtet.

Der 27-ährige ist ein Opfer des Systems, wobei „Opfer“ eigentlich nicht der passende Begriff ist, um die Situation des Strategen von Manchester City zu beschreiben. De Bruyne ist aus den sonnigen Gefilden, wo die spektakulären Bilder entstehen, in den Maschinenraum des belgischen WM-Projektes versetzt worden, weil es sonst niemanden gibt, der das ähnlich gut könnte, auch gegen die Japaner wird er wieder dort spielen.

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In seinen ersten Jahren war De Bruyne immer eher Angreifer, Flügelspieler, ein Mann für die großen offensiven Momente. Pep Guardiola versetzte ihn dann bei Manchester City ins Zentrum, in den Raum hinter den Spitzen, wo er in der Premier League in 101 Partien 21 Tore erzielte und 44 weitere vorbereitete. Bei dieser WM spielt er nun defensiver, „Kevin hält alles zusammen, sein Einfluss ist entscheidend“, erklärt Trainer

De Bruyne bekommt im belgischen Team defensivere Aufgaben

Sein Problem ist seine Vielseitigkeit, Eden Hazard und Lukaku haben nicht das Talent für defensivere Aufgaben, also muss De Bruyne ran, und damit geht ihm wahrscheinlich die Chance verloren, zum Star dieser WM zu werden. In England war schon spekuliert worden, dass der Belgier nach einem guten Turnier mit Toren und spektakulären Pässen in Russland zum Kandidaten auf den Titel des Weltfußballers werden könne, das ist nach seiner Versetzung in die Räume vor der Abwehr eher unwahrscheinlich. Dafür haben die Belgier jetzt nicht nur einen starken, Torhüter, einen brillanten Angriff und eine sehr solide Abwehr sondern auch eine Doppelsechs mit Axel Witsel und De Bruyne, die zweifellos konkurrenzfähig ist bei dieser WM. „Kevin spielt dort eine essenzielle Rolle für die Art und Weise, wie wir spielen wollen, für unser Pressing und das hohe Verteidigen“, sagt Martínez, der mit Thierry Henry einen Weltmeister in seinen Stab aufgenommen hat, um in der entscheidenden Phase dieses Turniers auf Erfahrungen zurückgreifen zu können, die ihm selbst und seinen Spielern fehlen.

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Was De Bryune wirklich über seine Versetzung denkt, mit wie viel Groll er auf die Rolle im Angriff und damit im Zentrum der Weltöffentlichkeit verzichtet, lässt sich kaum beantworten, immerhin sagt er: „Es macht mir auch Spaß, Tore vorzubereiten.“ Doch der Ehrgeiz, der diesen stillen Mann mit den tief ins Nagelbett herunter gekauten Fingernägeln treibt, ist gewaltig. Sein Sturheit hat ihm schon so manchen Ärger eingebracht.

In Wolfsburg bezeichnete De Bruyne einen Balljungen als "Motherfucker"

Als Jugendspieler wurde er einmal von einer Gastfamilie rausgeworfen, weil die Launen und die introvertierte Art des Talents den Alltagsfrieden störten. Als De Bruyne in der Bundesliga beim VfL Wolfsburg spielte bezeichnete er einen Balljungen als „Motherfucker“, weil er ihm die Kugel nicht schnell genug zugeworfen hatte. Jugendtrainer Frank De Leyn bei KAA Gent erzählt gerne die Anekdote aus einem Trainingslager in Spanien, als er mit De Bruyne schimpfte, weil der sich weigerte, beim Wegräumen der Trainingsutensilien zu helfen. Der junge Kevin beschloss, aus Protest die Nacht auf dem Platz zu verbringen, und kam erst nach einem langen Gespräch mit in die Kabine. Hand in Hand mit De Leyn, „er war stur, ein großer Dickkopf“, wird der Nachwuchscoach vom englischen „Guardian“ zitiert.

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    Diese Neigung zum Fanatismus ist Bürde und Erfolgsgeheimnis zugleich. Als Kind durften De Bruyne und ein Kumpel nur noch mit Plastikball im Garten kicken, weil die Jungs alle Blumen und Büsche in Stücke bolzten. Sie handelten einen Deal aus: Sie würden nur noch mit dem schwächeren Fuß spielen, wenn sie wieder einen richtigen Ball verwenden konnten und setzten das durch. Jetzt ist De Bruyne mit beiden Füßen beinahe gleich stark und bereit für die großen Momente, bisher sind die Belgier ja sehr leichtfüßig durch diese WM geschwebt. Während Lionel Messi und Cristiano Ronaldo schon ausgeschieden sind, geht es für Kein De Bruyne jetzt erst richtig los.