Venlo. Sechs Münchener, drei Dortmunder, drei Leipziger: Das Kräfteverhältnis hat sich verschoben. Und folgt nun einer Tradition.

Eine Handvoll Fans hat sich am Ausgang des Stadions De Kuel von Venlo versammelt. „Julian, Julian, Julian“, skandiert einer von ihnen, als ein junger Mann mit hellblonden Haaren auf einem weißen Mountainbike vorbeirollt. Und der so angefeuerte Julian Brandt blickt kurz herüber, grinst, und setzt dann seine Fahrt in Richtung Hotel De Bovenste Molen fort – wo bis Freitag die deutsche Nationalmannschaft untergebracht ist, bevor sie am Samstag in der EM-Qualifikation bei Weißrussland antritt (20.45 Uhr/RTL).

Dass dort ein Zimmer für den 23-Jährigen bereitgehalten wird, ist nichts Ungewöhnliches mehr, der Offensivspieler gehört schon länger zum DFB-Tross. Neu ist, dass er als Spieler von Borussia Dortmund dabei ist, wenngleich der Wechsel von Bayer Leverkusen erst zum 1. Juli offiziell vollzogen wird. Und damit verschiebt Brandt auch das Kräfteverhältnis im DFB-Kader, statt drei Leverkusenern sind es nun drei Dortmunder: Brandt, Marco Reus und Nico Schulz, ein weiterer Zugang. Hinzu kommen zwei weitere Großgruppen: sechs Spieler von Bayern München, drei weitere von RB Leipzig.

23 Spieler aus 16 Klubs bei WM 2018

12 aus 22 – es herrscht wieder Blockbildung in der Nationalmannschaft. Noch bei der so desaströs verlaufenen WM 2018 kamen die 23 Spieler aus 16 Klubs, neben den Bayern stellte nur eine Mannschaft mehr als ein Kadermitglied: Paris Saint-Germain. Nun gibt es wieder einige größere Gruppen. Beim DFB sieht man das gerne. „Die Qualität der Spieler muss im Vordergrund stehen“, betont Assistenztrainer Marcus Sorg, der den verletzt fehlenden Bundestrainer Joachim Löw vertritt. „Aber es hilft natürlich, wenn Spieler sich tagtäglich gemeinsam mit Fußball befassen und gewisse Abläufe und die Intuition untereinander gefördert werden.“ Wenn also Julian Brandt in Zukunft zuverlässig erahnt, wohin Marco Reus gleich laufen wird, wenn der Leipziger Lukas Klostermann genau weiß, wie Timo Werner die Flanken gerne hätte.

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Von Thomas Tartemann und Marian Laske

Ob 1954, 1974 oder 2014: Die Nationalmannschaft war immer dann besonders erfolgreich, wenn sie auf starke Blöcke setzte. Von der WM 1954 kursiert die schöne, aber nicht mehr zweifelsfrei zu beweisende Geschichte, dass Bundestrainer Sepp Herberger zuvor Julius Ludorf aussortierte, obwohl er ihn besser fand als Ottmar Walter. Ludorf aber spielte nicht für den 1. FC Kaiserslautern, sondern blöderweise für die SpVgg Erkenschwick. Weil später Deutschland mit fünf Lauterern in der Startelf Weltmeister wurde, ging die Blockbildung ebenso wie das Herbergersche „Elf Freunde müsst ihr ein“ umgehend über in den fußballdeutschen Mythenschatz.

Reibungen zwischen Bayern und Dortmundern

Später waren es sechs Münchener und drei Gladbacher, die den EM-Titel 1972 holten. 1974 wurden sieben Bayern, sechs Gladbacher und drei Kölner gemeinsam Weltmeister. 1996 versammelten sich sieben Münchener und sechs Dortmunder um die Wortführer Jürgen Klinsmann (Bayern) und Matthias Sammer (BVB). In den Jahren 2011 bis 2013 wirkten die Reibungen zwischen den Profis der Ligarivalen Bayern und Dortmund zwar eher leistungshemmend. 2014 aber bewohnten neben den sieben Bayern-Profis fünf Dortmunder das legendäre Campo Bahia – und stärkten den Glauben daran, dass die deutsche Mannschaft immer dann besonders erfolgreich ist, wenn möglichst viele ihrer Spieler gemeinsam anreisen.

Auf absehbare Zeit zumindest dürfte es bei der Blockbildung bleiben: Der FC Bayern hat großes Interesse an den Angreifern Timo Werner und Leroy Sané. Und auch der BVB setzt wieder verstärkt auf DFB-Spieler. „Das wird immer ein wichtiger Punkt bleiben“, sagte Sportdirektor Michael Zorc im Gespräch mit dieser Redaktion. „Wir sind ein deutscher Klub und wir wollen uns weiter in der deutschen Spitze etablieren. Und dazu gehören dann auch deutsche Nationalspieler.“