Dortmund. Die Niederlage bei Borussia Dortmund zeigt: Nicht einmal auf ihre Erfahrung können sich die Münchener noch verlassen.

Als Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge nach Abpfiff des Bundesliga-Spitzenspiels von ihren Tribünenplätzen stiegen und quer über den Dortmunder Rasen in Richtung Kabinen gingen, sahen sie aus wie begossene Pudel. Tatsächlich hatten die Bayern-Chefs zuvor im schwarz-gelben Torrausch die Unsitte einer Bierdusche über sich ergehen lassen müssen, aber die hätten sie als Nebensächlichkeit ertragen, wenn dem Hacken-Tor von Robert Lewandowski in der Nachspielzeit nicht wegen Abseitsstellung mit Recht die Anerkennung verweigert worden wäre. Wenn der FC Bayern in diesem packenden Topspiel wenigstens noch einen Punkt gesichert hätte.

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Doch an diesem Tag, an dem den Münchenern bester Wille zur Leistung nicht abzusprechen war, hatten selbst Spielwitz, Offensivdrang und die individuelle Klasse von Routiniers wie Robert Lewandows­ki und Franck Ribéry nicht ausgereicht, um den Spitzenreiter Borussia Dortmund auszubremsen. Nachdem der zweimalige Torschütze Lewandowski die Bayern mit 2:1 in Führung gebracht hatte, hätten sie diesen Vorsprung ihrer DNA entsprechend abgebrüht halten müssen. Doch geradezu naiv ließen sie sich von den Dortmunder Hochgeschwindigkeitsfußballern überrumpeln, überlaufen, übertrumpfen.

Sieben Punkte Rückstand auf den BVB

3:2 für den BVB. Sieben Punkte Rückstand für die Münchener, die nur zwei der letzten sieben Ligaspiele gewannen. Krise in Dauerschleife, auf allen Ebenen: in der Führung, beim Trainer, im Team. FC Bayern – der Meister der Ratlosigkeit.

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„Wir werden bis zum letzten Spieltag versuchen, die Meisterschaft nach München zu holen“, kündigte Präsident Hoeneß am Sonntag bei Sky trotzig an. Natürlich werden sich die Bayern zur Gegenwehr formieren, natürlich könnte es sich als fatale Fehleinschätzung erweisen, sie schon so früh abzuschreiben. Doch momentan ist kein Ausweg aus ihrem Dilemma zu erkennen, zumal Hoeneß bereits klarstellte, dass die Mannschaft erst im Sommer neu aufgestellt werden soll: „Wir werden im Winter sicher keine Aktivitäten auf dem Transfermarkt machen.“

Eine Fortsetzung des WM-Debakels

Dann aber erscheint es derzeit wahrscheinlich, dass sie ihre offenkundigen Probleme durch die Saison schleppen werden. Schließlich erleben die Bayern die Fortsetzung des WM-Debakels der Nationalmannschaft: Manuel Neuer ist nicht mehr unfehlbar; Mats Hummels und Jerome Boateng offenbaren nicht nur läuferische Defizite; Thomas Müller hat das Überraschende aus seinem Spiel verbannt.

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Auf ihre Routine können sich die Bayern nicht mehr verlassen. Beim Siegtor für Dortmund verloren sie vorne links den Ball und hechelten dann planlos hinterher, Trainer Niko Kovac konstatierte entgeistert: „Da hätten wir als erfahrene Mannschaft anders agieren müssen.“

Kahn attackiert Bayern-Trainer Kovac

Und wie genau? Oliver Kahn, lange Jahre Bayern-Torwart und heute ZDF-Experte, tadelte seinen früheren Mitspieler Kovac im Sportstudio unmissverständlich: „Es gab gar keine Absicherung. Das war dumm. Gab es da keine Absprache? Das muss man auch den Trainer fragen!“

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Seit Wochen wird Kovac vorgehalten, dass er der Mannschaft bisher keine Struktur und keine Harmonie gegeben habe. Am Samstag hat er die Diskussion über eine mögliche Trennung aufschieben können, weil sein Team wieder Fußball spielte und bis zum Schluss nicht aufgab. Aber zur Wahrheit gehören eben auch haarsträubende Fehler im Defensiv-Verhalten. Und wenn Uli Hoeneß nun sagt, das Spiel habe gezeigt, dass die Mannschaft „wieder in einem sehr guten Zustand“ sei, dann macht er sich etwas vor. Realitiätsferne – auch eines dieser Phänomene, die den Zustand des FC Bayern erklären.