Glendale. Die Kansas City Chiefs gewinnen den Super Bowl 2023. Das Team um Magier Patrick Mahomes könnte die NFL in den nächsten Jahren dominieren.

Im Internet auf Youtube gibt es ein Video, das die Trainer des American-Football-Teams Kansas City Chiefs gerne ihren Spielern zeigen. In der Kurzfassung: Es handelt davon, wie der spätere Basketball-Star Allen Iverson zu Beginn seiner College-Zeit zu stolz war, einen Mitspieler nach dessen Trick zu fragen.

Weil Iverson gemerkt hatte, dass er nun bei den Größeren nicht mehr allein mit seinem Talent den Gegenspieler nass machen und zum Korb ziehen konnte. Am Ende sprang Iverson, der als einer der besten Spielmacher der Geschichte gilt, über seinen Schatten und fragte doch. Die Lehre aus dem Video, die den Chiefs-Verantwortlichen wichtig ist, lautet: Jeder kann dir etwas beibringen, wenn du danach fragst und es zulässt.

Kansas City Chiefs und Patrick Mahomes gewinnen hochklassigen Super Bowl 2023

Als Patrick Mahomes am Sonntagabend Ortszeit in Glendale/Arizona mal auf dem mit rot-gelben Konfetti bedeckten Rasen, mal oben auf der Siegerempore mit der Vince-Lombardi-Trophäe in den Händen oder mal später im Interviewbereich des State Farm Stadiums stand und über den 38:35-Sieg seiner Kansas City Chiefs über die Philadelphia Eagles in einem spannenden und hochklassigen Super Bowl sprach, ließ der 27 Jahre alte Quarterback mehrmals durchblicken, genau so einen Moment auch gehabt zu haben.

Auch der Beste, den der Football-Sport gerade auf dieser Position zu bieten hat, kann noch dazulernen, eben: noch besser werden. „Ich weiß diesen Sieg sehr zu schätzen“, sagte Mahomes stolz wie Patrick, „erst das Scheitern in einem Super Bowl hat es mir ermöglicht, hier wieder als Champion zu stehen.“

Mahomes, von einer Verletzung am rechten Knöchel geschwächt und in einem Schreckensmoment der ersten Halbzeit an selbigem von Eagles-Abfangjäger T.J. Edwards schmerzreich getroffen, war mit drei Touchdown-Pässen, 182 erworfenen und 44 erlaufenen Yards der wertvollste Spieler der Partie. MVP sagen die Amerikaner dazu. Oder wie Mitspieler Travis Kelce (33), der das Bruderduell gegen den zwei Jahre älteren Jason aufseiten der Eagles gewann, es nannte: „M-V-Pat – ihr versteht mich schon.“

Auch Chiefs-Trainer Andy Reid, der Kansas City bereits vor drei Jahren zum Super-Bowl-Triumph geführt hatte, hob die Entwicklung seines wichtigsten Spielers hervor: „Er ist in der Kabine erwachsener geworden“, erklärte der 64-Jährige mit der wohlwollenden Zufriedenheit und bärigen Statur eines Großvaters, „die großen Quarterbacks machen jeden um sich herum besser – auch den Cheftrainer. Also hat er einen verdammt guten Job gemacht.“

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Mahomes‘ Iverson-Erfahrung trug sich im vergangenen August in Fort Worth zu. Auf seine Ranch in Texas lud der Chiefs-Kapitän eine ganze Gruppe neuer Passempfänger ein. Kansas City hatte nämlich nach der vergangenen Saison Tyreek Hill, wohl einen der besten und mit Sicherheit der schnellste Wide Receiver in der NFL, nach Miami transferiert.

Der Quarterback musste dadurch sein Spiel von langen Würfen auf kürzere Pässe umstellen, und: „Ich musste lernen, ein besserer Anführer zu sein“, so Mahomes, an dem das 9:31 im Super Bowl 2021 gegen Tom Bradys Tampa Bay Buccaneers und das Halbfinal-Aus in der vergangenen Saison gegen die Cincinnati Bengals genagt hatten.

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In Fort Worth ging es gar nicht darum, Bälle zu werfen und Passrouten einzustudieren. Es war kein Training, sondern ein Coaching, bei dem das Receiver-Corps seinen Dirigenten kennenlernen sollte.

Und ob es nun Neulinge wie Kadarius Toney oder Skyy Moore waren, die im Finale gegen Philadelphia nach dem Zehn-Punkte-Rückstand zur Pause Pässe für Touchdowns fingen und so gemeinsam mit Kicker Harrison Butker, der acht Sekunden vor dem Ende das entscheidende Field Goal zum 38:35 verwandelte, oder Routiniers wie JuJu Smith-Schuster waren: Mahomes empfand es überhaupt nicht als bedenklich, sich auf die Neuen einzulassen und auch von ihnen etwas zu lernen.

Es war nicht gleich supererfolgreich und auch nicht immer wunderschön anzusehen: Aber selbst in neuer Aufstellung schaffte es Mahomes, in der abgelaufenen so viele Yards und Touchdowns zu werfen wie kein anderer Quarterback in der NFL. „Er hat die Großen gesehen und tut nun alles dafür, der Größte zu sein“, erklärte Andy Reid.

Zwei Super-Bowl-Siege nennt Mahomes sein Eigen – zwischen ihm und dem siebenmaligen Champion Tom Brady liegt also noch ein Ozean voll mit möglichen Erfolgen. Die Beiden sind jetzt noch nicht vergleichbar; aber wenn man weiß, wie Brady zum Goat (Größter aller Zeiten) wurde, erkennt man viele Dinge, die auch auf Mahomes zutreffen.

Chiefs-Superstar Patrick Mahomes ist beim Super Bowl 2023 zum MVP ausgezeichnet worden.
Chiefs-Superstar Patrick Mahomes ist beim Super Bowl 2023 zum MVP ausgezeichnet worden. © AFP

Wie zuletzt Mahomes musste auch Brady sich immer wieder auf wechselndes Personal einstellen, den eigenen Einfluss geltend machen, um aufs Neue die Kultur zu vermitteln, die er für sich selbst als Maßstab erachtete. Denkbar ist auch, dass Mahomes wie Brady einst bei den New England Patriots seinen Halbmilliarden-Dollar-Vertrag, den er 2020 in Kansas City unterzeichnete, strukturell anpassen wird, damit das Team konkurrenzfähig bleiben kann. Ärmer wird der Vater von zwei kleinen Kindern dadurch ja nun nicht.

Überragender Jalen Hurts reicht Philadelphia Eagles nicht

Und deshalb war nach dem Sieg über die Eagles – die in Person von Jalen Hurts (304 geworfene Yards, drei selbst erlaufene Touchdowns) zwar den besten, aber eben nicht den wertvollsten Spieler des Super Bowls in ihren Reihen hatten – natürlich die Rede von einer Chiefs-Dynastie, wie es sie in den 70ern durch die Pittsburgh Steelers, in den 80ern durch die San Francisco 49ers, in den 90ern durch die Dallas Cowboys oder zuletzt durch die New England Patriots gab.

Drei Super-Bowl-Teilnahmen in den letzten vier Jahren, zwei Siege und unglaublich viel Potenzial für weitere Triumphe sind ja durchaus Indikatoren dafür. „Einmal ist Anfängerglück – zweimal nicht mehr“, sagte Travis Kelce, der aber von Mahomes noch eingefangen wurde: „Wir haben noch einen langen Weg vor uns, bevor wir es eine Dynastie nennen.“

Dass Patrick Mahomes genau dies aber erreichen möchte, wenn das Siegerkonfetti beiseite gekehrt ist und die feierlichen Paraden in Kansas City beendet sind – dafür muss er in Zukunft garantiert nicht überwinden und irgendjemanden in seinem Umfeld fragen.