München. In seinen fußballfreien Wochen hat Manuel Neuer viel Zeit. Die WM, der Ski-Unfall und sein Comeback beschäftigen den Nationaltorwart. Kritik kriegt der FC Bayern ab.

Nationaltorwart Manuel Neuer hat sich erstmals nach dem WM-Debakel und seinem folgenschweren Ski-Unfall umfassend zu Wort gemeldet, den FC Bayern für eine Entscheidung kritisiert und den Spekulationen um ein mögliches Karriereende in der DFB-Elf ein jähes Ende gesetzt.

„Ich bin noch da. Auch wenn manche Menschen vielleicht das Gefühl haben, sie hätten die alten Spieler satt“, sagte der verletzungsbedingt pausierende Keeper in einem Interview der „Süddeutschen Zeitung“, das auch im Portal „The Athletic“ erschien.

Mit Bundestrainer Hansi Flick sei er im Austausch. „Er geht ganz klar davon aus, dass ich zurückkehre. Ich bin sicher, dass ich das schaffen werde“, kündigte der 36-Jährige angriffslustig an.

Kritik an Topalovic-Freistellung

Es ist das erste Mal, dass Neuer ausführlich über die schwelenden Top-Themen der vergangenen Fußball-Wochen spricht. Über seinen Bayern-Nachfolger Yann Sommer, den Ski-Unfall und die verkorkste und von politischen Themen bestimmte WM. Doch nichts hat den Weltmeister von 2014 so hart getroffen wie das Aus seines engen Freundes Toni Tapalovic als Torwarttrainer beim deutschen Fußball-Rekordmeister.

Dass sein Vertrauter und Trauzeuge gehen musste, kann Neuer nicht nachvollziehen. „Für mich war das ein Schlag, als ich bereits am Boden lag. Ich hatte das Gefühl, mir wird mein Herz rausgerissen, das war das Krasseste, was ich in meiner Karriere erlebt habe“, gestand der Keeper.

Die Bayern hatten Ende Januar etwas überraschend die Freistellung von Tapalovic verkündet. „Insbesondere Differenzen über die Art und Weise der Zusammenarbeit haben jetzt dazu geführt, dass wir getrennte Wege gehen“, hatte Sportvorstand Hasan Salihamidzic gesagt. Trainer Julian Nagelsmann äußerte, dass mit Tapalovic nie ein Miteinander entstanden sei. Für Neuer bleibt der Rausschmiss ein Rätsel. „Wir wollen als Bayern München anders - eine Familie - sein. Und dann passiert etwas, das ich so hier noch nicht erlebt habe“, kritisierte der FIFA-Welttorhüter des Jahres 2020.

Bei Neuer hinterlässt die Geschichte Enttäuschung. Aber auch ohne seinen langjährigen Weggefährten will er sich zurückkämpfen. Er habe Spaß daran, an seinem Comeback zu arbeiten. „Es wird kein Schaden bleiben“, versicherte Neuer.

„Wenn ich spielen will, muss ich der Beste sein“

Trotz des gravierenden Rückschlags im fortgeschrittenen Fußballalter klingt der 36-Jährige nicht so, als wolle er seinen alten Stammplatz bei den Bayern oder im Nationalteam kampflos hergeben. „Der Beste wird spielen. Wenn ich spielen will, muss ich der Beste sein“, sagte Neuer mit Blick auf den drohenden Positionskampf. Beim FC Bayern wird der Schlussmann von Sommer vertreten. Im Nationaltrikot wollen sich Kevin Trapp und Marc-André ter Stegen in Neuers Abwesenheit beweisen.

Nicht nur um seine Zukunft, auch um die jüngste Vergangenheit kreisten Neuers Gedanken in den bisherigen, fußballfreien Wochen: unter anderem um die verkorkste WM in Katar samt all ihrer Randnotizen. „Politische Dinge haben eine Gewichtung gehabt, die es so für uns als Sportler noch nie gab. Mit der Anreise hatten wir einen Klotz am Bein“, erinnerte sich Neuer und beklagte mangelnde Unterstützung durch den DFB in der Debatte um die „One Love“-Binde: „Im Endeffekt hätte uns sicher eine klarere Ansage geholfen.“

Nach der WM war Ablenkung gefragt. Joggen, wandern und eben auch die verhängnisvolle Ski-Tour, die Neuer mindestens den Rest der Saison kostet. „Unter dem Schnee war irgendetwas, was mich gestoppt hat. Ich hatte vielleicht eine Geschwindigkeit von zehn, zwölf Stundenkilometern“, beschrieb Neuer den Tag an seinem „Hausberg“, an dem er sich seinen Unterschenkel brach. Gefühle, seine Mannschaft im Stich gelassen zu haben, begleiteten ihn in den Folgetagen.

So schnell wie die Verletzung kam, so schnell kam auch die Zuversicht zurück, dass alles wieder so werde wie früher. Neuer präsentiert sich angriffslustig: „Wenn ich nicht performe, werde ich den Posten räumen. Aber rechnen Sie nicht damit!“