Essen. Deutschlands Ski-Legende Rosi Mittermaier ist tot. Die Olympiasiegerin von 1976 und Mutter von Felix Neureuther starb am Mittwoch.

Es war 1976 beinahe unmöglich, Rosi Mittermaier zu entgehen. Von den Titelblättern der Zeitungen, im Inneren hochglänzender Illustrierten von Stern bis Quick strahlte die Ski-Rennläuferin von der Winklmoos-Alm der deutschen Bevölkerung entgegen. Seitenfüllend und in Farbe. Vorausgegangen war ein sportliches Märchen. Völlig überraschend hatte die damals 25-Jährige, die zuvor bald zehn Jahre im Rennzirkus unterwegs gewesen war, bei den Olympischen Winterspielen in Innsbruck erst eine Goldmedaille in der Abfahrt gewonnen und im Slalom nachgelegt. Wenige Tage später holte die Sportlerin, die bis dahin nie ein Abfahrtsrennen hatte gewinnen können, auch noch die Silbermedaille im Riesenslalom.

Das öffentliche Interesse wurde sich zu einer gigantischen Welle. Die Anteilnahme von Menschen und Medien erschreckte die Bayerin zunächst heftig. Die ersten öffentlich verbreiteten Fotos der Sportlerin, die von den abgelegenen Höhenlagen der Republik in deren Herz raste, zeigen eine leicht schüchtern-verlegene Frau, deren natürlicher Charme sich noch entfalten musste. Anlässlich ihres siebzigsten Geburtstags erzählte sie noch einmal, was damals auf sie eingeprasselt war: „Im Olympischen Dorf habe ich Badewannen voller Blumen bekommen“, erinnerte sich Mittermaier. In ihrem Heimatort Reit im Winkl seien in einem Monat mehr als 27.000 Briefe angekommen.

Eigentlich begann der Aufstieg zur deutschlandweit gefeierten und geliebten Ikone erst nach ihrer eigentlichen Karriere. Die beendete Rosi Mittermaier noch 1976 zum Ende der Weltcupsaison. „Ich war auf einmal mit fremden, älteren Menschen, wie Firmenchefs auf Messen, in Sporthäusern oder mit wichtigen Kunden beim Abendessen. Und das weltweit. Ich war ja erst 25 Jahre alt und sehnte mich nach nichts mehr als nach meinem gewohnten Umfeld“, sagte Mittermaier anlässlich ihres 70. Geburtstages über ihren frühen Rückzug.

In den wenigen Monaten, nach dem Olympia-Sieg Anfang Februar bis zum Rücktritt im Frühsommer wurde die öffentliche Umarmung der Gold-Rosi, wie sie seit Februar fast ausschließlich genannt wurde, fest, eng – und dauerhaft.

Die Olympiasiegerin blieb auch deshalb über Jahrzehnte populär, weil sie die erdrückende Liebe der Öffentlichkeit entspannt annahm, ohne sich jedoch völlig vereinnahmen zu lassen. Sie nutzte ihre Beliebtheit für Werbeverträge und soziales Engagement – unter anderem war sie Schirmherrin der Kinder-Rheuma-Stiftung. Später tingelte sie durch diverse Fernsehshows und brachte auch bei trivialsten Formaten mindestens ihr Werben für Sport und Bewegung unter. Zu beiden Themen schrieb sie Bücher.

Die Menschen zwischen Flensburg und Füssen verehrten die „Leistungssportlerin ohne Ehrgeiz“, wie sie Ehemann Christian Neureuther einmal nannte, weil sie sich trotz der regelmäßigen Beobachtung durch Fernsehkameras ihre Bodenständigkeit bewahrte. Das Lächeln war nicht mehr schüchtern, blieb aber natürlich. Sie wirkte oft volkstümlich, aber nie naiv. Sie überragte bis zuletzt ähnlich erfolgreiche oder sogar erfolgreichere Sportler und Sportlerinnen, weil ihr Leben mit einem Wort sehr gut beschrieben ist. Sie blieb skandalfrei.

Vermutlich half Rosi Mittermaier ihre Heimat. Gerade weil sie am Rande der Republik lebte, sich buchstäblich in die Einsamkeit der Berge zurückziehen konnte, blieb sie geerdet, konnte mit gigantischen Felsmassiven als Anker den Verlockungen von Geld und Glamour gut widerstehen.

Ein weiterer Anker, der ihr Halt gab, war das Familienleben. 1980 hatte sie den Ski-Rennläufer Christian Neureuther geheiratet. Was zum Fest für die Klatschpresse hätten werden können, blieb – normal.

Dabei halfen ihre Tochter Ameli (41), eine heute in München lebenden Modedesignerin. Und Sohn Felix (38), ebenfalls ein erfolgreicher Skirennläufer, der mit Gattin Miriam, einer früheren Biathletin, und den beiden Kindern in der Nähe der Alpen geblieben ist. Die Menschen schlossen Rosi Mittermaier auch deshalb schnell in ihr Herz, lieben sie bis heute, weil sie wie kaum eine andere Deutsche mit ihrer Familie die heile Welt personifizierte. Das galt damals. Das galt bis jetzt.

Am Donnerstag teilte ihre Familie mit, dass Rosi Mittermaier im Alter von 72 Jahren nach schwerer Krankheit im Kreise der Familie „friedlich eingeschlafen“ sei.

Das Land hat ein Lächeln verloren.