Essen. Manuel Neukirchner spricht im Podcast „WM Inside – Der Expertentalk“ über das Turnier in Katar. Einen Boykott hält er für falsch.

Es gibt vielen Debatten rund um die Weltmeisterschaft in Katar. Eine dreht sich darum, ob man sie gleich ganz boykottieren sollte. Politiker, Zuschauer, aber auch Mannschaften und Spieler. Die Diskussion wird vermutlich auch dann nicht verstummen, wenn der Ball längst rollt.

Für diejenigen, die nicht unmittelbar am Turnier beteiligt sind, scheint die Entscheidung vergleichsweise einfach. Für alle, die direkt, also als Spieler oder sonst beruflich mit der WM 2022 in Katar zu tun haben, wird das schon ungleich schwieriger. Stellvertretend beschreibt Manuel Neukirchner, Direktor des Deutschen Fußballmuseums in Dortmund, im Podcast „WM Inside – Der Expertentalk“ der Funke-Mediengruppe, die auch diese Zeitung herausgibt, das Dilemma, den „Spagat“, der nötig ist: „Es betrübt mich als Fußballfan total, dass die Vorfreude nicht aufkommen kann, weil wir bei der WM so viele gesellschaftliche Themen haben, die einfach fassungslos machen. Als Museum müssen wir aber die Fußballwelt so darstellen, wie sie ist - und nicht nur so, wie wir sie uns wünschen.“ Die Lösung könne also nicht sein, einfach wegzugucken.

WM Inside: Den kompletten Podcast mit Gast Manuel Neukirchner können Sie hier hören

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Manuel Neukirchner: Keine Veränderung durch Ausgrenzung

Historiker, Journalisten oder eben Museumsdirektoren dürfen demnach die WM gar nicht ignorieren. Im Gegenteil, sie müssen hinschauen, um die Fakten um eine WM zu sammeln, der, so Neukirchner, „ein Platz in den Geschichtsbüchern bereits jetzt gewiss ist“.

Im Gespräch mit Funke-Sport-Redaktionsleiter Peter Müller und Moderator Nils Halberscheidt argumentiert der 55-Jährige aber nicht allein mit der Pflicht der Chronisten: „Ich bin ein Gegner von Boykotten. Veränderung erreichen wir nur durch Verständigung, nicht durch Ausgrenzung.“ Es würde niemandem helfen, wenn der Bildschirm schwarz bliebe.

Manuel Neukirchner, Direktor des Fußballmuseums in Dortmund, hält nichts von einem Boykott der WM 2022 in Katar.
Manuel Neukirchner, Direktor des Fußballmuseums in Dortmund, hält nichts von einem Boykott der WM 2022 in Katar. © ffs | Julian Heppe

Das Argument der Völkerverständigung führen – das vergiftet es – die Weltverbände an, wenn es um umstrittene Gastgeber geht. Das galt für die WM 2018 in Russland, bei der sich die Herren im Kreml von kritischer Berichterstattung weitgehend unbeeindruckt zeigten, ähnlich war es bei den Olympischen Spielen in China. Immerhin, so mag man anführen, kamen vor und während der Wettbewerbe internationale Berichterstatter ins Land, deren neugierige Blicke für für einige Wimpernschläge die Aufmerksamkeit einer Weltöffentlichkeit auf Missstände richtete. Darauf setzt auch Neukirchner und sagt: „Deshalb wird in Katar die Rahmenberichterstattung sehr wichtig.“ Darüber verlange es aber der Respekt vor den Sportlern, dass, sobald der Ball rolle, auch dorthin geschaut werde. Für ein Museum, das Sport zum Thema habe, „gehöre sich das so“.

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Das Selbstverständnis des Fußballmuseums wird an einem Buch deutlich, das Manuel Neukirchner geschrieben hat: „In Deutschland, dein Fußball“ skizziert er in Anlehnung an Neil MacGregors „Geschichte der Welt in 100 Objekten“ an 44 Exponaten deutsche Fußballgeschichte, er beschreibt Sternstunden und Abgründe: Mario Götzes Weltmeisterschuh ist dabei, der WM-Ball von 1954, aber auch ein Tonbandmitschnitt vom Bundesligaskandal 1971 und Manuskriptseiten von Toni Schumachers Skandalbuch „Abpfiff“ von 1987.

Die erste Folge von "WM Inside - der Expertentalk" mit Andreas Rettig finden Sie hier

Einen Fortschritt sieht der Museumsdirektor beim Blick auf diesen „ganzen Wahnsinn“, wie er die WM nennt: „Die Spieler machen das sehr gut.“ Manuel Neuer und Leon Goretzka beispielsweise würden sich immer zu wichtigen Themen äußern: „Die Spieler der heutigen Generationen würden sich aber den Mund ohnehin nicht verbieten lassen. Das war 1978 in Argentinien noch anders. Da hat man den Spielern klipp und klar gesagt: ,Haltet den Mund‘. Die heutige Generation ist die mündigste Spielergeneration, die wir je hatten.“

Lob für DFB-Präsident Bernd Neuendorf

Lob bekommt auch der neue DFB-Präsident Bernd Neuendorf für den Umgang mit dem schwierigen WM-Gastgeber: „Er spricht die Missstände klar an, und ich nehme ihm das auch ab.“ Er stelle die richtigen Fragen und wolle die richtigen Antworten bekommen. Der DFB-Chef habe zudem deutlich gemacht, dass es solche Vergaben nach Russland und Katar künftig nicht mehr geben werde. Da werde es im europäischen Fußball künftig auch eine Allianz geben. Und der DFB werde dort ganz weit vorne sein.