Manama. Vieles ist neu in der Formel 1 – das Duell Lewis Hamilton gegen Max Verstappen bleibt. Der Brite will beweisen, dass seine Ära nicht beendet ist.

Die alte Formel 1 kam einem gar nicht so alt vor, und trotzdem ist jetzt vieles neu. Vom Flughafen Manama bis zum Bahrain International Circuit verfolgt einen vor dem Saison-Auftakt mit dem Großen Preis von Bahrain am Sonntag (16 Uhr/Sky) auf Schildern, Fahnen und Videotafeln immer wieder diese Prophezeiung: „Eine neue Ära beginnt.“

Der Brite ist Jäger und Treiber

Der größte Reglement-Einschnitt seit 40 Jahren soll die Drei-Klassen-Gesellschaft einen. Auch wenn nach außen zwei immer noch eine Klasse für sich sind: Max Verstappen und Lewis Hamilton, die großen Dramatiker des vergangenen WM-Finales. Ob das schon der Machtwechsel hin zum siegenden Holländer gewesen ist? Zumindest gibt es für die große Revanche einen Rollenwechsel: Hamilton trägt jetzt den Zusatz „Ex-Weltmeister“ mit sich herum, Verstappen die stolze 1 auf dem Auto. Der Brite ist Jäger und Treiber in einer Saison voller Unbekannten und sagt mit einem wissenden Lächeln: „Ihr werdet sehen, ich werde in diesem Jahr ein aggressiver Fahrer sein.“

Vertrag für Verstappen bis 2028

Gegenspieler Verstappen betont, dass der umstrittene Titelgewinn im Dezember in Abu Dhabi seinen Erfolg in keiner Weise überschatte: „Dramatische Momente gehören zum Sport, und die Formel 1 ist ein hartes Geschäft. Lewis wird es verschmerzen, er hat ja schon sieben Titel. Der Sport muss also nicht gesunden.“ Der Champion, der gerade von Red Bull Racing mit einem Rentenvertrag bis 2028 ausgestattet worden ist, sieht sich als Vorreiter einer neuen Generation.

Red-Bull-Pilot Max Verstappen mit Teammitgliedern in Bahrain,
Red-Bull-Pilot Max Verstappen mit Teammitgliedern in Bahrain, © IMAGO

Zu den Dränglern Anfang 20 gehören auch Charles Leclerc, George Russell und Lando Norris. Viel Feind’, viel Ehr’. „Wir brauchen mehr, die um den Sieg kämpfen können“, sagt der Titelverteidiger nicht ohne Selbstbewusstsein. Das hätte in der Tat was: nicht nur eine neue Aerodynamik, sondern gleich eine ganz neue Zeitrechnung.

Zunächst ist es eine Reise ins Ungewisse. Also genau das, was sie in der bis ins Detail kalkulierenden Königsklasse des Motorsports hassen. Bei den Testfahrten hoppelten die Autos wie die Hasen, eine Folge des Ansaug-Effekts. Die Rennwagen sind schwerer, härter und steifer geworden. Mick Schumacher freut sich auf die veränderte Herausforderung: „Das ist wie auf dem Spielplatz hier.“ Die Frage dabei ist, wer von den Rennställen noch verschleiert, oder wer wirklich verzweifelt ist. Mit der ersten allgemeinen Verunsicherung haben die Regelmacher eines ihrer Ziele bereits erreicht. Jetzt muss die Revolution nur noch im Rennen stattfinden.

Verstappen: „Ich habe nichts mehr zu beweisen“

Die Sache mit dem Druck ruft bei Max Verstappen nur ein Achselzucken hervor: „Ich habe nichts mehr zu beweisen. Manche, die nur auf das Finale gucken, vergessen, dass ich im letzten Jahr die meisten Siege geholt, die meisten Führungsrunden gehabt und die meisten Poles eingefahren habe.“

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Der 24-Jährige war aber auch der Erste, der sich nach dem Saisonende gewünscht hatte: „Lewis muss zurückkommen.“ Denn tatsächlich ist es so, dass Verstappen beweispflichtig ist. Da geht es mehr um Würde denn um Bürde, und darum, ob er die neue Ära auch zu seiner Ära machen kann. Natürlich will er zeigen, dass er Hamilton unter allen Bedingungen hinter sich halten kann, weshalb auch keineswegs ein sanfteres Vorgehen von ihm zu erwarten ist. Er mag alles erreicht haben, was er sich erträumen konnte – und dennoch fängt jetzt erst alles richtig an. Für Selbstzufriedenheit, sagt Verstappen, sei er nicht anfällig: „So bin ich nicht erzogen worden, dafür hat schon mein Vater gesorgt.“

Rekord-Chance für Hamilton

Lewis Hamilton in Bahrain.
Lewis Hamilton in Bahrain. © imago/Laci Perenyi | IMAGO/Jerry Andre

„Alte Rivalitäten, neu entfacht“ – so wirbt der Bezahlsender Sky für seine Live-Übertragungen. Lewis Hamilton, der mit 37 Jahren beseelt ist von der Möglichkeit, mit einem achten Titel alleiniger Rekordweltmeister zu werden, hat acht Wochen Auszeit gebraucht, um das Unfassbare zu fassen, in der allerletzten Runde den sicheren WM-Sieg noch entrissen bekommen zu haben. Ob er nun aggressiver zur Sache gehen wird? In Sakhir erscheint er mit einer weißen Designer-Jacke, um die ein schwarzer Gürtel gebunden ist. Schwarzer Gürtel! Wenn das kein Zeichen ist.

Als Kind war er auf dem Schulhof gemobbt worden, sein Vater schickte ihn daraufhin zum Kampfsport-Unterricht. Aus dieser Zeit stammt wohl sein ungeheures Durchsetzungsvermögen, im Branchenjargon „Hammertime“ genannt.

Der Entthronte behauptet allerdings, dass es für ihn nicht um Revanche gehe: „So ticke ich nicht. Ich will der Beste sein, der ich sein kann, und bei meiner Leistung zulegen.“ Was wohl so ziemlich aufs Gleiche herauskommt. Hamilton hofft – anders als Verstappen – auf die Herausgabe der kompletten Ermittlungs-Ergebnisse des skandalumwitterten Finales: „Unser Sport braucht Transparenz.“ Immerhin hatten die Mercedes-Proteste gegen die Wertung dazu geführt, dass Rennleiter Michael Masi seinen Job verlor.

Dass sich Konstrukteurs-Weltmeister Mercedes selbst nur in einer Außenseiter-Rolle sieht, findet Max Verstappen höchst amüsant: „Das muss ja ein furchtbares Auto sein, sie werden hier mit Abstand Letzter werden. Wie immer in den letzten fünf Jahren.“ Aber das Beste an all den Ungewissheiten und Diskussionen in Bahrain ist – nicht nur für ihn – die Hoffnung, dass von nun an mehr über die Zukunft als über die jüngste Vergangenheit gesprochen wird. Wie formuliert es doch Lewis Hamilton so schön: „Lasst das Positive geschehen.“