Peking. Linn Kazmaier schreibt das erste deutsche Märchen bei den Paralympics. Mit gerade einmal 15 Jahren holt die Biathletin Silber.

Linn Kazmaier wusste nach ihrem sensationellen Husarenstück gar nicht, wohin mit ihren Gefühlen. Ekstase, Stolz, Fassungslosigkeit - all das vermischte sich nach dem bislang besten Biathlon-Rennen ihres Lebens. Selbst Friedhelm Julius Beucher, dem so erfahrenen und wortgewandten Präsidenten des Deutschen Behindertensportverbandes (DBS), der schier schon alles erlebt hat, gingen bei dieser historischen Leistung fast die Superlative aus.

„Ich dachte, das kann doch nicht wahr sein“, sagte der 75-Jährige: „Was steckt in diesem Mädchen für eine Kraft, ein Wille und auch ein Naturtalent. Ich bin entzückt.“ Peking sei für Kazmaier „hoffentlich nur eine Zwischenstation auf dem Weg in eine ganz erfolgreiche Zukunft“. Davon ist nach dem überraschenden zweiten Platz gemeinsam mit Guide Florian Baumann im Kühlschrank von Zhangjiakou auszugehen.

Jüngste deutsche Teilnehmerin

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Mit nur 15 Jahren und vier Monaten ist die Schwarzwälderin nicht nur die jüngste deutsche Teilnehmerin in Peking und die zweitjüngste überhaupt - sie krönte sich im Biathlon-Sprint über 6 km auch zur jüngsten deutschen Medaillengewinnerin bei Winterspielen. Lediglich Schwimmerin Yvonne Hopf war bei ihren Medaillen 1992 in Barcelona mit 14 Jahren aus deutscher Sicht bei Paralympics jünger.

Sie habe schon von Edelmetall „geträumt“, sagte Kazmaier dem SID: „Aber nicht, dass es jetzt klappt, sondern irgendwann mal mit 20 oder so. Damit habe ich überhaupt nicht gerechnet.“ Dabei zeichnete sich ihr enormes Potenzial schon länger ab. Wegen einer angeborenen Zapfendystrophie und einem Nystagmus sieht Kazmaier nur verschwommene, wackelnde Bilder. Ständig muss sie Sonnenbrille tragen, sonst wirkt alles, als starre sie auf einen Gletscher in der Sonne.

Schon bei WM im Lillehammer stark

Ein Schnupperkurs am Notschrei im Jahr 2015 entfachte ihre Liebe für den nordischen Sport. „Ich weiß noch, dass ich die ganzen zweieinhalb Stunden Heimfahrt durchgequasselt habe, so begeistert war ich“, erzählt sie rückblickend. Schon bei der WM im Lillehammer war die Schülerin als Sechste gleich zweimal beste Nicht-Russin. Nach deren Ausschluss wegen des Angriffskrieges in der Ukraine packte sie ihre Chance beim Schopf.

„Ich freue mich total, aber ich kann es noch nicht so richtig glauben“, sagte Kazmaier. Ohne den einen Schießfehler hätte bei minus 10 Grad und böigem Wind sogar Gold gewunken. Das kann der etwas schüchterne Teenager in den verbleibenden Wettkämpfen im Skilanglauf und Biathlon ja noch nachholen - überraschen würde das nun niemanden mehr. (sid)