Abu Dhabi. Red-Bull-Pilot Max Verstappen ist Formel-1-Weltmeister. Im letzten Rennen siegt er dramatisch. Ein Mercedes-Protest wurde abgewiesen.

Was für ein Rennen! Der Machtwechsel ist vollzogen: Mit einer irren Aufholjagd und viel Safety-Car-Glück hat Max Verstappen einer denkwürdigen Formel-1-Saison die Krone aufgesetzt und sich seinen ersten WM-Titel geholt. Der Niederländer schnappte dem siebenmaligen Champion Lewis Hamilton in der allerletzten Runde von Abu Dhabi den schon sicher geglaubten Sieg weg - und damit auch den Rekordtitel.

"Wahnsinn, mein Ziel als kleiner Junge war es immer, Formel-1-Champion zu werden. Das ist ein ganz besonderer Moment", sagte Verstappen im Ziel. Sein Vater „Jos“ Verstappen strahlte vor Freude: "Max ist Weltmeister - so fühle ich mich jetzt auch." Feuerwerk hatte Minuten zuvor den Nachthimmel erleuchtet, Zehntausende Fans in Orange feierten Verstappens entscheidendes Manöver, und der Niederländer selbst konnte es zunächst kaum fassen. „Das ist unglaublich Jungs“, funkte er mit zittriger Stimme an die Box: „Können wir das bitte in den kommenden 10 bis 15 Jahren zusammen machen?“

Mercedes legt Protest ein - vergeblich

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Hamilton dagegen saß lange in seinem Auto, behielt den Helm auch danach noch lange auf. Er und Mercedes müssen sich mit dem achten Konstrukteurstitel in Serie trösten. Weiterhin bleibt der Brite „nur“ geteilter Rekordchampion mit Michael Schumacher. Wegen zweier angeblicher Verstöße gegen das Sportliche Reglement hatte Mercedes aber Protest eingelegt. Dabei ging es einerseits darum, dass kein Fahrer ein anderes Auto überholen darf, solange das Safety Car das Feld anführt. Vor dem Restart hatte Verstappen am Ende der vorletzten Runde allerdings beschleunigt und sich zeitweilig neben den vorausfahrenden Hamilton gesetzt. Zudem protestierte Mercedes dagegen, dass vor dem Ende der für den Ausgang des Rennens vorentscheidenden Safety-Car-Phase fünf überrundete Rennwagen zwischen Hamilton und Verstappen das Safety Car überholen durften, die überrundeten Boliden hinter dem Niederländer aber nicht. Das Resultat hing dementsprechend erst mal in der Schwebe. Der aber wurde knapp fünf Stunden nach Rennende vom Weltverband abgewiesen.

Vor dem Rennen war die Ausgangslage ebenso brisant. Verstappen gegen Hamilton: Zum 14. Mal im 22. Rennen machten die beiden Superstars die Plätze eins und zwei unter sich aus. Durch seinen 20. Grand-Prix-Erfolg liegt Verstappen in der Endabrechnung einer denkwürdigen Saison lediglich um acht Punkte vorn.

Max Verstappen überquert die Ziellinie.
Max Verstappen überquert die Ziellinie. © AFP

Dritter wurde der spanische Ferrari-Pilot Carlos Sainz. Sebastian Vettel (Aston Martin) kam nicht über Rang elf hinaus, Mick Schumacher erreichte im Haas als 14. das Ziel. Vor dem Showdown hatte Verstappen kräftig gegen Platzhirsch Hamilton gestichelt. „Wenn ich in seinem Auto gesessen hätte, wäre die Saison längst entschieden“, tönte der Niederländer im Telegraaf-Interview.

So eng ging es zuletzt 1974 zu

Nach einer Saison mit zahlreichen WM-Führungswechseln sowie Kollisionen der Rivalen in Silverstone, Monza und Dschidda gingen Verstappen und Hamilton punktgleich (369,5) ins Saisonfinale, eine derart enge Konstellation gab es in 71 Jahren Formel 1 nur ein weiteres Mal: 1974 beim Duell des späteren Titelträgers Emerson Fittipaldi (McLaren) mit Clay Regazzoni (Ferrari). Verstappen führte allerdings vor dem entscheidenden Rennen die Fahrerwertung wegen der mehr erzielten Siege an. Deswegen und aufgrund seines aggressiven Fahrstils gab es im Vorfeld reichlich Spekulationen, der Niederländer könnte einen Crash in Betracht ziehen.

Auch Rennleiter Michael Masi sah sich bemüßigt, dezidiert auf Sanktionsmöglichkeiten wie Punktabzüge und Sperren hinzuweisen, sollte es zu Unsportlichkeiten kommen. All dies ging nicht spurlos am 24-jährigen Verstappen vorbei. „Max wird in der Sonne auch nicht mehr braun, der bleibt bleich“, scherzte Red-Bull-Motorsportberater Helmut Marko.

Hamilton mit besserem Start

Der deutlich routiniertere Hamilton (36) änderte nichts an seinen Abläufen. „Es geht darum, das zu tun, was ich am meisten liebe: ich selbst zu sein auf der Strecke und alles zu geben“, sagte er vor dem Start. Diesen erwischte Hamilton besser, der Engländer bog trotz Startplatz zwei als Erster nach rund 300 Metern in Kurve eins ein. Sechs Kehren später griff Verstappen an, drängte seinen Widersacher aber nach Ansicht der Rennkommissare von der Strecke, weswegen Hamilton die Führung behalten durfte. „Das ist unglaublich“, wetterte Verstappen im Funk. Wieder einmal fühlte er sich von der Rennleitung benachteiligt.

Die weichen Reifen des Niederländers, die ihm in der Frühphase eigentlich einen Vorteil geben sollten, bauten schnell ab. In der 14. von 58 Runden kam Verstappen zum Boxenstopp, Hamilton zog eine Runde später nach. Red Bull zog nun seinen Joker, ließ Verstappen-Teamkollege Sergio „Checo“ Perez lange auf der Strecke, um Hamilton einzubremsen. Der Mexikaner wehrte sich mit allen Mitteln, musste Hamilton nach rundenlangem Kampf zwar passieren lassen - doch Verstappen war wieder bis auf zwei Sekunden dran am Rivalen. „Checo ist eine Legende“, funkte Verstappen.

In Schlagdistanz kam er aber nicht, weswegen Red Bull volles Risiko ging und ihn bei einer virtuellen Safety-Car-Phase zu einem weiteren Reifenwechsel reinholte. Verstappens schwierige Aufgabe lautete nun, pro Runde gut eine Sekunde wettzumachen. Ein weiteres Safety Car fünf Umläufe vor dem Ende eröffnete Verstappen eine weitere unverhoffte Chance - und die nutzte er spektakulär. (fs/sid/dpa)