Dortmund. Die deutsche Hall of Fame des Fußballs wird größer: 2021 kommen Jürgen Kohler, Miroslav Klose, Joachim Streich, Horst Eckel und Udo Lattek hinzu.

Wenn Sportjournalisten ihre Meinungen austauschen, dann kann es schon mal kontrovers werden. Auch die Diskussionen der Jury vor der Nominierung von fünf neuen Mitgliedern für die 2018 gegründete und im Deutschen Fußballmuseum in Dortmund beheimatete Hall of Fame des deutschen Fußballs wurden lebhaft und leidenschaftlich geführt. Am Ende führten sie zu einem harmonischen Ergebnis.

Denn zweifellos haben es die 2021 Neuberufenen allesamt verdient, in diesen edlen Kreis aufgenommen zu werden. Auffällig: Es sind Vertreter aus verschiedenen Epochen – die Auswahl ist generationenübergreifend.

Jürgen Kohler: Abräumer und Allesgewinner

Der Mann aus der berühmten Mannheimer Vorstopperschule war der Schrecken vieler Mittelstürmer. Seine Verbissenheit im Zweikampf war berühmt, sein Kampf um jeden Ball legendär. Stellvertretend dafür steht eine Aktion, für die ihn die Fans von Borussia Dortmund bis heute verehren: Er saß schon auf dem Hosenboden, er schien aussichtslos geschlagen zu sein, als er im April 1997 im Halbfinal-Rückspiel der Champions League bei Manchester United Eric Cantona im Liegen vor der Torlinie noch die Sohle entgegenstreckte. Ohne diese Abwehraktion, da war man sich in Dortmund einig, hätte der BVB nicht die Königsklasse gewonnen.

Was für ein BVB-Moment: Jürgen Kohler 1997 mit dem Champions-League-Pokal.
Was für ein BVB-Moment: Jürgen Kohler 1997 mit dem Champions-League-Pokal. © firo

Jürgen Kohler stieg zum „Fußballgott“ auf, wurde auch zum Fußballer des Jahres gewählt. Weltmeister war er schon 1990 geworden. Vor seiner Zeit beim BVB galt er auch beim 1. FC Köln, beim FC Bayern und bei Juventus Turin als unersetzlich. Der heute 56-Jährige wurde dreimal in Deutschland und einmal in Italien Meister. „Ich bin stolz darauf, nicht nur mit einer Mannschaft Titel geholt zu haben“, sagt er. „Und natürlich ist es eine riesige Auszeichnung, in die Hall of Fame aufgenommen zu werden.“

Miroslav Klose: Top-Torjäger mit WM-Rekord

Wer an Miroslav Klose denkt, der denkt an spektakuläre Salti nach tollen Toren. Und wer an ein besonderes Spiel von Miroslav Klose denkt, der denkt an 2014, ans Halbfinale der Weltmeisterschaft. An das 7:1 gegen den Gastgeber Brasilien, ein Fußballspiel mit höchstem Seltenheitswert. Ein Spiel, bei dem Miroslav Klose brillierte, nicht nur wegen seiner zwei Tore.

Er war ja nicht nur ein Angreifer, der wusste, wo das Tor steht. Er war vor allem ein spielender Stürmer, einer, der Räume suchte und fand. Einer, den die deutsche Nationalmannschaft auch fünf Jahre nach dem Ende seiner Karriere – dieser Zeitraum ist übrigens Voraussetzung für eine Aufnahme in die Hall of Fame – noch nicht annähernd gleichwertig ersetzen konnte.

Miroslav Klose, geboren in Polen, ist einer der letzten großen Fußballer, die nicht klassisch in Profivereinen ausgebildet wurden. Erst mit 22 Jahren wurde der heute 43-Jährige im Jahr 2000 Bundesligaspieler in Kaiserslautern, ein Jahr später stieg er zum Nationalspieler auf.

Mit 71 Treffern ist der Weltmeister von 2014, der auch für Werder Bremen, Bayern München und Lazio Rom spielte, der erfolgreichste Torschütze der Nationalmannschaft – und mit 16 Toren zudem WM-Rekordtorschütze vor dem Brasilianer Ronaldo.

Weltmeister! Miroslav Klose 2014 mit dem WM-Pokal in Rio.
Weltmeister! Miroslav Klose 2014 mit dem WM-Pokal in Rio. © firo

Joachim Streich: Idol des DDR-Fußballs

Wäre Joachim Streich ein bundesdeutscher Fußballer gewesen, hätte seine Karriere schillernder sein können, weil er sicher einige internationale Erfolge mehr hätte feiern können. Doch auch in 98 Länderspielen für die DDR, mit denen er zum Rekordnationalspieler wurde, sowie in sechs Jahren bei Hansa Rostock und zehn beim FC Magdeburg machte sich der Stürmer einen großen Namen. Joachim Streich, heute 70, war mit 229 Treffern der DDR-Oberliga-Rekordtorschütze.

"Wenn man sich in diese Garde einreihen kann – wer da nicht stolz ist, der tut mir leid“, sagt Joachim Streich. © firo

Nun in die Hall of Fame berufen worden zu sein, empfindet er als besondere Ehre: „Es gab in Deutschland immer überragende Fußballer, von Generation zu Generation. Wenn man sich in diese Garde einreihen kann – wer da nicht stolz ist, der tut mir leid.“

Horst Eckel: Legende von 1954

Der letzte noch lebende Weltmeister von 1954 wird im nächsten Jahr 90 Jahre alt. Horst Eckel vom damals führenden 1. FC Kaiserslautern galt im Spielsystem seiner Zeit als Idealbesetzung eines rechten Außenläufers. Seinem FCK blieb er immer treu. Unter heutigen Maßstäben hätte er mit Millionen-Angeboten aus dem Ausland überhäuft werden müssen, doch er sagt dazu nur: „Ob es mir dann besser gegangen wäre, das ist eine andere Frage.“ Werte wie Freundschaft waren ihm wichtiger, und so ist es nicht verwunderlich, dass er auch bei der neuen Auszeichnung den Teamgedanken in den Vordergrund stellt: „Es ist mir eine große Ehre, nach Fritz Walter, Helmut Rahn und Sepp Herberger als vierter Weltmeister von 1954 gewählt worden zu sein. Der Gewinn der Weltmeisterschaft aber war ein gemeinsamer Erfolg. Wir waren eine Mannschaft.“

Eine Legende: Horst Eckel.
Eine Legende: Horst Eckel. © firo

Udo Lattek: Der Ausnahmetrainer

Das Ende war ein trauriges. Als Udo Lattek 2014 im Alter von 80 Jahren starb, hatte er eine schlimme Zeit hinter sich – mit Schlaganfällen, einer Hirnoperation, Parkinson und Altersdemenz. Vorher aber hatte Udo Lattek ausgiebig gelebt – und sein Leben genossen. Als Fußballtrainer war er unfassbar erfolgreich, und er liebte es, diese Erfolge feiern zu können. Dass er auch stolz auf seine Titelsammlung war, das verbarg er vor allem als Kult-Experte im Sport1-Talk Doppelpass sonntagsmorgens nicht.

In seiner größten Zeit, in den für den deutschen Fußball Goldenen Siebzigern, hatte er ein Titel-Abo – mit den damals genialen Mannschaften von Bayern München und Borussia Mönchengladbach. Mit acht Meistertiteln krönte er sich zum erfolgreichsten Bundesligatrainer. Udo Lattek konnte auch direkt und unbequem sein. Aber all seine Methoden ließen sich leicht erklären: Sieger haben im Hochleistungssport immer recht.

2000: Udo Lattek als BVB-Trainer.
2000: Udo Lattek als BVB-Trainer. © firo