Bremen. Wegen eines mutmaßlich gefälschten Impfpasses verliert Bremens Trainer Markus Anfang den Job. Er bringt die Branche in Misskredit.

Hinter dem SV Werder Bremen liegt eines der turbulentesten Wochenenden seiner mehr als 120-jährigen Vereinsgeschichte. Nicht das 1:1 am Samstag gegen den FC Schalke 04 im ausverkauften Weserstadion, sondern ein Besuch der Staatsanwaltschaft am Abend zuvor sorgte für Aufregung, die weit über ein Fußballspiel strahlte.

Trainer Markus Anfang und sein Assistent Florian Junge hatten noch vor dem Zweitliga-Duell der abgestürzten Traditionsvereine ihren Rücktritt eingereicht. Beide werden dringend verdächtigt, ihrem Arbeitgeber gefälschte Impfzertifikate vorgelegt zu haben. Die Staatsanwaltschaft Bremen hat mittlerweile den Impfpass von Anfang beschlagnahmt. „Inwieweit der Impfausweis tatsächlich falsch ist, das werden wir zeitnah klären können“, sagte Staatsanwalt Frank Passade.

Werder-Geschäftsführer Baumann: Vorwurf ist massiv

Werder-Vorstandschef Klaus Filbry verwies zwar darauf, dass es in einem laufenden Ermittlungsverfahren keine Vorverurteilung geben dürfe, doch habe die Polizei „eine sehr klare Indizienlage übermittelt“. Geschäftsführerkollege Frank Baumann sagte: „Der Vorwurf, der im Raum steht, ist massiv“.

Ohne die Rücktritte des schwer belasteten Trainergespanns, das bislang ein Fehlverhalten nicht zugegeben hat, hätte sich der Verein mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen auseinandergesetzt. Filbry verriet, dass Anfang bereits vor längerer Zeit Vorbehalte gegen eine Corona-Schutzimpfung in einem persönlichen Gespräch vorgebracht hätte: „Er hat mir gegenüber sehr nachvollziehbare Gründe dargelegt, was ihn zu diesem Thema beschäftigt. Er hat uns aber irgendwann sehr klar mitgeteilt, dass er das Thema angegangen und dass er jetzt geimpft sei.“ Hat der 47-Jährige seinen Zwiespalt durch einen gefälschten Impfpass gelöst, die mittlerweile leicht verfügbar sind?

DFL spricht von einem "nicht hinnehmbaren Affront"

Der gebürtige Kölner hat den wegen seiner vielen Privilegien in der Corona-Krise ohnehin argwöhnisch beäugten Profifußball womöglich schwer in Misskredit gebracht. Daher sprach auch die Deutsche Fußball-Liga (DFL) von einem „nicht hinnehmbaren Affront gegenüber allen, die sich in den vergangenen Monaten haben impfen lassen“, sollte sich der Verdacht erhärten. Anfangs Trainerkarriere könnte in diesem Fall zuende sein.

Auch für den einstigen Vorzeigeverein von der Weser, der nur mühsam den wirtschaftlichen Kollaps nach dem Bundesliga-Abstieg abwendete, ist der Imageschaden gewaltig. Der Fußballlehrer war gegen eine sechsstellige Ablöse vom Zweitliga-Konkurrenten SV Darmstadt 98 losgeeist worden, um ihm die Mission „Wiederaufbau“ anzuvertrauen.

Dimension der Pass-Affäre reicht über den Fußball hinaus

Dass der Verdacht einer Impfpassfälschung gerade jetzt eine gesellschaftspolitische Dimension besitzt, war sich die Bremer Geschäftsführung glücklicherweise sofort bewusst.
Cheftrainer werden nicht umsonst als die wichtigsten Angestellten bezeichnet, weil sie mehr als zwei Dutzend Profis und meist auch einen halb so großen Trainer- und Betreuerstab anleiten. Wer da vorgibt, geimpft zu sein, obwohl er es nicht ist, tritt nicht nur seine Vorbildwirkung mit Füßen, sondern bringt seine direkte Umgebung in Gefahr. Ein User im Portal der „DeichStube“ schrieb treffend: Mit einem gefälschten Impfpass zu leben, sei so, als ob man sich im Auto den Gurt aufmalt, statt ihn anzulegen.

Werder fahndet nun unter Hochdruck nach Trainer, der eine offensive Ausrichtung bevorzugt, junge Spieler entwickelt – und glaubhaft wirkt. Die nahe liegende Lösung wäre Ole Werner, der bei Werders nächstem Gegner Holstein Kiel wohl im Sommer den Bundesliga-Aufstieg geschafft hätte, wenn nicht das tückische Virus damals in seinem Kader gewütet hätte, als der Impfstoff noch nicht ausreichend in Deutschland zur Verfügung stand. Der 33-Jährige stellte nach einem Fehlstart an der Förde vor zwei Monaten sein Amt zur Verfügung.

Bremens Roger Assalé im Netz rassistisch beleidigt

Anfangs Job übernahm gegen Schalke einmalig Co-Trainer Danijel Zenkovic, unter dem die Mannschaft bei den besonderen Umständen noch einen sehr beherzten Auftritt hinlegten. „Irre ist nett ausgedrückt. Es war ein richtiger Scheißtag“, bilanzierte Stürmer Niclas Füllkrug, der in der neunten Minute der Nachspielzeit noch ein Elfmetergeschenk zum 1:1 nutzen konnte.

Warum Schiedsrichter Tobias Stieler überhaupt vom Videoassistenten an den Kontrollmonitor geschickt wurde und beim angeblichen Einsteigen von Henning Matriciani gegen den theatralisch stürzenden Roger Assalé eine Berührung am Fuß erkannt haben wollte (und ein Handspiel des Bremer Einwechselspielers übersah), blieb rätselhaft. Der ivorische Leihstürmer wurde daraufhin in den Sozialen Medien rassistisch beleidigt.

Die Szene des Spiels: Der Bremer Roger Assalé (2.v.l.) geht im Zweikampf mit Schalkes Henning Matriciani zu Boden.
Die Szene des Spiels: Der Bremer Roger Assalé (2.v.l.) geht im Zweikampf mit Schalkes Henning Matriciani zu Boden. © Firo

Schalker fühlen sich von den Schiedsrichtern betrogen

Die Schalker Verantwortlichen hatten ihren Zorn allein auf die Unparteiischen gerichtet. „Wir fühlen uns schlichtweg betrogen“, fasste Vorstand Peter Knäbel zusammen. Von einer „absoluten Frechheit“ redete Trainer Dimitrios Grammozis, Sportvorstand Rouven Schröder von einer der „krassesten Fehlentscheidungen“ der jüngeren Zeit. Fast in den Hintergrund geriet, dass Torjäger Simon Terrode mit seinem 154. Zweitligatreffer – einem technisch nicht einfachen Abstauber per Flugkopfball (82.) - zum alleinigen Rekordhalter der 2. Bundesliga aufstieg.