Pontivy. Der Belgier Tim Merlier gewinnt den ersten Massensprint der Tour de France. Schwere Stürze trüben allerdings auch die dritte Etappe.

Supersprinter Caleb Ewan lag nach einem brutalen Abflug bei Tempo 70 unter großen Schmerzen minutenlang auf dem Asphalt, Tour-Favorit Primoz Roglic rollte blutend und mit zerrissener Hose ins Ziel: Die erste Sprintetappe der 108. Frankreich-Rundfahrt ist von einer wahren Sturzorgie überschattet worden. Die traurige Gunst der Stunde nutzte in Pontivy der Belgier Tim Merlier zu einem Überraschungssieg.

Für Sprintstar Ewan ist die Tour de France nach seinem Sturz beendet. Das teilte sein Team Lotto-Soudal am Montag mit. Der Australier erlitt einen Schlüsselbeinbruch. Der dabei ebenfalls zu Fall gekommene Slowake Peter Sagan kam glimpflich davon. Der dreimalige Weltmeister kann nach Angaben seines Teams Bora-hansgrohe trotz einer Schnittwunde an der Hüfte am Dienstag starten.

„Es ist die Tour, es ist gefährlich. Es war eng, es war schnell. Wir können froh sein, dass es trocken war. Vielleicht wäre im Nassen noch mehr passiert“, sagte Ewans deutscher Helfer Roger Kluge, der seinen australischen Lotto-Soudal-Kapitän noch sicher durch das Chaos bis auf die letzten Kilometer geleitet hatte: „So etwas passiert leider immer wieder.“

Caleb Ewan verliert die Kontrolle über sein Rad

Im Sprint um den Sieg nach 182,7 km durch die Bretagne, an dem nach diversen Zwischenfällen in der Schlussphase kaum mehr 20 Profis beteiligt waren, lag die nur 1,65 m große „Pocket Rocket“ Ewan perfekt auf Kurs. Als der Australier aus dem Windschatten 400 m vor dem Ziel angreifen wollte, verlor er die Kontrolle über sein Rad, räumte seinen Rivalen Peter Sagan (Slowakei) vom deutschen Team Bora-hansgrohe gleich mit ab - den Zuschauern stockte der Atem. Immerhin: Sagan schien unverletzt geblieben zu sein.

Stattdessen jubelte unverhofft Merlier - nur einen Tag nach dem großen Triumph seines Alpecin-Fenix-Kapitäns Mathieu van der Poel an der Mur-de-Bretagne. Der Belgier, der im Mai bereits eine Giro-Etappe gewonnen hatte, siegte vor seinem Teamkollegen und Landsmann Jasper Philipsen sowie dem Franzosen Nacer Bouhanni (Arkea-Samsic). Bester Deutscher war Max Walscheid (Neuwied/Qhubeka-Nexthash) auf einem starken zehnten Platz.

Die Führung in der Gesamtwertung verteidigte der Niederländer van der Poel erfolgreich. Der Enkel von Frankreichs Radlegende Raymond Poulidor konnte sich angesichts der schweren Stürze weder über das Gelbe Trikot noch über Merliers Sieg unbeschwert freuen. „Das Tempo ist heutzutage so hoch, da passiert so etwas ganz schnell“, sagte der 26-Jährige.

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Der frühere Weltklasse-Profi Marc Madiot, Teamchef des französischen FDJ-Teams, hatte seinen Siegsprinter Arnaud Demare wenige Kilometer vor dem Ziel bei einem Sturz verloren und sagte völlig aufgebracht: „Ich bin Vater. Wenn ich so etwas sehe, möchte ich nicht, dass mein Kind Radprofi wird. Das ist kein Radsport mehr.“ Der einstige Tour-Etappensieger forderte: „Wir müssen das ändern, sonst wird es Tote geben.“

Auch für zwei Favoriten auf den Tour-Sieg brachte die Etappe schmerzhafte Rückschläge. Der slowenische Vorjahreszweite Roglic stürzte zehn Kilometer vor dem Ziel heftig und musste an der Seite von Tony Martin dem Feld hinterherjagen - dieses formierte sich gerade für das Finale und war dementsprechend schnell unterwegs.

Roglic verlor 1:21 Minuten auf Sieger Merlier und eine runde Minute auf seinen großen Konkurrenten Tadej Pogacar. Wie schwer seine Sturzverletzungen waren, schien wie bei Ewan zunächst nicht absehbar. Roglic verlor zudem am Montag seinen Helfer Robert Gesink nach einem Sturz - für das Team Jumbo-Visma war es ein schwarzer Tag.

Zuvor war in der von einigen Wolkenbrüchen beeinflussten Anfangsphase im Hauptfeld Geraint Thomas heftig zu Fall gekommen und blieb unter Schmerzen am Boden liegen. Ärzte behandelten die ausgekugelte rechte Schulter des 35 Jahre alten Tour-Siegers von 2018, der das Rennen fortsetzen konnte. Ineos-Kapitän Thomas jagte an der Seite von drei Teamkollegen zehn Kilometer lang mit Tempo 50 dem Hauptfeld hinterher und schaffte den Anschluss.