Tampa. Ganze sieben Mal hat er den Super Bowl gewonnen, mehr als jedes NFL-Team für sich. Nun feiert die Sportwelt Tom Brady (43) als Legende.

Im vergangenen März schien die Karriere des Tom Brady ein Ende zu nehmen. Zwei Jahre nach seinem sechsten Super-Bowl-Gewinn mit den New England Patriots wollte ihm der Klub aus Boston keinen neuen Vertrag mehr geben. Wer hätte anders gehandelt? 42 Jahre alt, galt Brady nicht gerade als Idealbesetzung für die Zukunftsplanung eines Teams.

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Die Tampa Bay Buccaneers waren da weniger von Zweifeln getrieben. Sie gaben dem Mann, der im American Football zurecht den Spitznamen GOAT (Greatest of all time) trägt, einen Zweijahresvertrag. Aus Respekt vor dem Größten aller Zeiten bot ihm Klub-Boss Jason Licht sogleich die Nummer zwölf für das neue Trikot an, das zu dem Zeitpunkt aber noch an einen anderen Spieler vergeben war. Brady, für Extravaganz und schonungslosen Ehrgeiz bekannt, fragte stattdessen nach der Sieben für seinen Rücken. „Warum das?“, entgegnete Licht. Brady blickte in ein entsetztes Gesicht, als er sagte: „Weil ich meinen siebten Super Bowl holen will.“

Brady als wertvollster Spieler ausgezeichnet

Elf Monate später, an diesem Sonntagabend in Tampa, stand Thomas Edward Patrick Brady Jr. Im Konfettiregen auf einer Bühne im Raymond James Stadium. Er wurde als wertvollster Spieler ausgezeichnet (MVP), hielt als Super-Bowl-Sieger die Vince Lombardi Trophy in der Hand und sagte: „Ich bin so stolz auf die Jungs. Wir sind World Champions für immer, das kann uns niemand mehr nehmen.“

Ach ja: Natürlich hatte Brady die Rückennummer 12 bekommen. Aber das spielte für den überraschend deutlichen 31:9-Sieg seiner Buccaneers, zu Deutsch: Freibeuter, über den Titelverteidiger Kansas City Chiefs keine bedeutende Rolle. Wer glaubt, dass die unglaubliche Geschichte Bradys nach 20 Saisons in ebenso vielen Kapiteln auserzählt gewesen sei, wurde eines Besseren belehrt. Und die 21. Episode ist überschrieben mit dem Titel: Wende Legende.

Aus Tampas Bay machte er Tampa Brady

Der erfolgreichste Quarterback, den diese Sportart je gesehen hat, hat aus Tampa Bay mal eben Tampa Brady gemacht. Kein Mitspieler, der ihn im Vorbeigehen nicht beglückwünschte, als der 55. Super Bowl beendet war. Kein Gegner, der ihm nicht Respekt zollte für eine zu Saisonbeginn nicht für möglich gehaltene Leistung.

„Du bist eine Legende“, rief Patrick Mahomes seinem Gegenüber ins Ohr. Der 25 Jahre alte Chiefs-Quarterback war sechs Jahre alt, als Brady erstmals einen Meisterring überreicht bekam. Auch wenn er diesmal schwach war, ist Mahomes die Zukunft der NFL – Brady bewies mit seinen drei Touchdown-Pässen (davon zwei zu Rob Gronkowski, seinem langjährigen Weggefährten aus Patriots-Zeiten), dass er noch Gegenwart und nicht bereits Vergangenheit ist.

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Als er an die Golf-von-Mexiko-Küste Floridas wechselte, sagte Brady: „Veränderungen und Herausforderungen sind Teil des Lebens. Sie sollen passieren – und manchmal müssen sie passieren.“ 2008 standen die Buccaneers zuletzt in den Play-offs. „Es hat nur einen Mann gebraucht, der diesem Verein den Glauben gegeben hat, dass es möglich ist“, sagte Bruce Arians, der 68-jährig als bisher ältester Chefcoach der NFL-Geschichte seinen ersten Titel gewann.

Natürlich kamen neben Brady und dem reaktivierten Gronkowski mit Antonio Brown und Leonard Fournette auch noch zwei andere Schlüsselspieler; dazu war die Defensive bereits auf einem beachtlichen Niveau, was sie im Super Bowl auch die favorisierten Chiefs spüren ließ. Aber ein Team zu wechseln, heißt nicht einfach, nur die Trikotfarben zu tauschen: Man muss ein dickes Buch mit Spielzügen neu lernen.

Mehr Super Bowls gewonnen als jedes NFL-Team

Die Corona-Pandemie ermöglichte zudem kaum Mannschaftstraining. „Wir hatten einen schwierigen November, aber Bruce hatte in uns alle Vertrauen“, sagte Brady nun, „und was ist dabei herausgekommen? Wir haben alle unser bestes Spiel im letzten Saisonspiel gemacht.“

Mit nun sieben Titeln hat Brady allein mehr Super Bowls gewonnen als jedes der 32 NFL-Teams für sich – der 43-Jährige ist damit sozusagen die erfolgreichste Franchise der Liga. Und hat damit für sich persönlich noch einmal eine Wende herbeigeführt. Oder besser gesagt: sich Selbstbestätigung geholt.

Mit Selbstdisziplin und Wille zum Erfolg

Brady wurde 2000 an 199. Stelle bei der Talentschau von den Patriots gezogen, er hatte weder mit seinem Wurfarm noch mit seinen Beinen die Fähigkeiten, die dem 18 Jahre jüngeren Mahomes attestiert werden. Enorme Selbstdisziplin und Wille haben ihn aber auf der einen Seite so erfolgreich und auf der anderen Seite so unbeliebt gemacht, weil die Patriots vor keinem illegalen Mittel zurückschreckten, um ihre Titelsammlung voranzutreiben.

Gisele Bündchen, Model und Ehefrau von Tom Brady.
Gisele Bündchen, Model und Ehefrau von Tom Brady. © dpa

Der gebürtige Kalifornier Brady war in New England stets unumstrittener Star – letztlich aber wurden die Erfolge dem skrupellosen Trainer-Genie Bill Belichick zugeschrieben. Der Titel mit den Bucs war für Brady daher auch eine Emanzipation von Belichick. Brady, der seit 2009 mit dem brasilianischen Topmodel Gisele Bündchen verheiratet ist sowie Millionen seiner Einnahmen in Privattrainer und Mentalcoaches investiert hat, muss nun niemandem mehr beweisen, auch ohne Belichick die höchsten Weihen erhalten zu können.

Im August wird Brady 44 Jahre alt – die elf anderen Quarterbacks, die 2000 mit ihm in die NFL kamen, sind seit mindestens neun Jahren in Rente. Es ist anatomisch eigentlich kaum zu erklären, dass er in dem Alter noch immer Höchstleistungen bringen kann.

Aus dem Sport-Ass ist längst ein Unternehmer geworden

Eine perfekte Mischung aus Diät, Training und Schlaf ist dafür aber verantwortlich, dazu ein spezielles Fitnessprogramm, das mehr auf die Elastizität der Sehnen Wert legt als auf Muskelberge. Seinen Hang zur Askese – als einzig Süßes gönnt er sich mal ein Avocado-Eis – hat aus dem Sport-Ass längst einen erfolgreichen Unternehmer werden lassen. Unter der Marke TB12 vertreibt er als Ernährungs- und Fitnessberater einen Lifestyle, eine Anleitung, wie jeder zu seinem eigenen Jungbrunnen werden kann.

Brady wird dem American Football und der NFL auch nach dem Ende seiner aktiven Karriere erhalten bleiben. Doch daran denkt er noch gar nicht, er hatte ja schon mehrfach angekündigt, bis zum Alter von 45 Jahren spielen zu wollen. „Wir kommen zurück“, sagte Brady daher bei der Siegesfeier beinahe drohend, „aber das wusstet ihr ja schon.“