Berlin. Auch dank des Ex-Nationalspielers Max Kruse steht Union auf einem Europa-League-Platz. Das passt so gar nicht ins Konzept der Eisernen.

Die Mitgliederversammlung, die traditionell im November stattfinden würde, hat Union Berlin längst ins erste Quartal des kommenden Jahres verschoben. Die Entwicklung der Coronavirus-Pandemie ließ dem Fußball-Bundesligisten keine andere Wahl. Die Mitglieder hätten den Aufschwung, den die Mannschaft von Trainer Urs Fischer derzeit erlebt, ohne Zweifel gern ein wenig gefeiert. Doch vielleicht spielt die Verschiebung der Veranstaltung den Berlinern ungewollt etwas in die Karten.

Union versucht gerade in der Fischer-Ära mehr denn je auf dem Boden zu bleiben, trotz des in der Klubgeschichte nie dagewesenen Höhenflugs. Das 5:0 (3:0) gegen Aufsteiger Arminia Bielefeld war der höchste Sieg in Unions noch junger Bundesliga-Historie. Mehr noch, es war das sechste Spiel ohne Niederlage – auch das hat es an der Alten Försterei noch nicht gegeben.

Union Berlin hat die zweitbeste Offensive

Union ist auswärts ungeschlagen, hat bei Champions-League-Teilnehmer Borussia Mönchengladbach (1:1) sowie beim Europa-League-Starter TSG Hoffenheim (3:1) grandios gepunktet. Somit geht das Team in jedem Fall auf einem Europapokalplatz in die Länderspielpause. In der Tabelle hinter dem FC Bayern, Borussia Dortmund, RB Leipzig und Bayer Leverkusen. Mit der zweitbesten Offensive (16 Tore), nur die Bayern sind besser (27). Die Köpenicker allein in einem Atemzug mit den Größen der Bundesliga zu nennen, wirkt surreal angesichts der finanziellen Unterschiede.

Denn während das Spitzen-Quartett sich mit seinen Etats im dreistelligen Millionen-Bereich bewegt, versucht Union mit rund 75 Millionen Euro Wettbewerbsfähigkeit herzustellen. Aus vergleichsweise geringen Möglichkeiten macht Union derzeit eine Menge, wie der Erfolg gegen zugegeben schwache Bielefelder gezeigt hat. „Es war ein überragender Sieg, besser geht’s nicht“, sagte zum Beispiel Mittelfeldspieler Robert Andrich. Christopher Trimmel ließ sich ein „Das war ein fast perfektes Spiel von uns“ entlocken. Dabei ist der Union-Kapitän als verlängerter Arm des Trainers sonst darauf bedacht, Euphorie im Keim zu ersticken.

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In kniffligen Situationen die richtigen Entscheidungen zu treffen, sich fußballerisch und nicht mit einem langen Ball aus der Umklammerung zu befreien, bei schnellen Gegenstößen die Laufwege mit exakten Zuspielen zu krönen, vor dem Tor eiskalt zu sein – all dies sind Attribute, die man nicht bei einer Mannschaft verortet, deren Ziel der erneute Klassenerhalt ist.

Max Kruse stellt Abels Elfer-Rekord ein

Ohne Zweifel ist es Max Kruse, der an dieser guten Entwicklung einen großen Anteil hat. Allein in den Spielen bei Hoffenheim und nun gegen Bielefeld war der 32-Jährige an sieben der acht Union-Tore beteiligt, zwei davon schoss er sogar selbst: in Hoffenheim wie gegen Bielefeld per Elfmeter. Mit nun 16 erfolgreichen Versuchen vom Punkt stellte er den Ligarekord von Hans-Joachim Abel (Bochum, Schalke) aus den 1970er- und 1980er-Jahren ein. Kruse verkörpert den neuen Anspruch, der sich zwangsläufig aus der spielerischen Entwicklung herleitet. „Einfach Fußball gespielt...“, postete Kruse in den sozialen Netzwerken, dazu ein Foto von seinem verwandelten Strafstoß. Ansonsten äußert sich der exzentrische Ex-Nationalspieler nicht in der Öffentlichkeit zu seinem Beruf.

Wohin kann das noch führen? Tatsächlich in den Europapokal? Der letzte Auftritt liegt 19 Jahre zurück, 2001/02 spielte Union als unterlegener DFB-Pokalfinalist zwei Runden im Uefa-Pokal (1:1/3:0 gegen Haka Valkeakoski und 0:2/0:0 gegen Litex Lowetsch). Es war Christopher Trimmel, der die Euphoriebremse fand: Natürlich sei die Momentaufnahme mit Platz fünf „schön. Es ist eine sehr gute Entwicklung. Die Schwierigkeit ist aber, so weiterzumachen.“