Essen. Schon 2007 und 2019 hat sich Deutschland als Ausrichter der Handball-WM bewährt. Der Verband hofft nun, den nächsten Schritt gehen zu können.

Am späten Abend dürfte es in Kairo doch noch etwas zünftiger zugegangen sein als unmittelbar nach der Vergabe der Handball-WM 2027 nach Deutschland. „Wir sitzen gerade bei einer Tasse Kaffee und einer Cola light und feiern die Party unseres Lebens“, witzelte DHB-Vize-Präsident Bob Hanning. Eine Party, die erst anfängt. In Ägypten bekam Deutschland nicht nur den Zuschlag für die Heim-WM der Männer 2027, sondern auch den für die Frauen-WM 2025 und die Junioren-WM 2023. Der deutsche Verbands-Präsident Andreas Michelmann lobte daher das „Jahrzehnt des Handballs“ aus und sprach von einer „riesigen Chance für unsere Sportart, den Wachstumskurs der vergangenen Jahre fortzusetzen“.

Hinter Scherzen verbirgt sich oft ein kleine Wahrheit. Hinter Hannings Kaffee-Witz könnte es die naheliegende sein, dass solche Vergabe-Veranstaltungen ziemlich dröge sind. Oder die, dass der Zuschlag nach Deutschland nicht mehr für fassungslose Ekstase sorgen kann.

Eine halbe Millionen Zuschauer bei der WM 2019 in Deutschland

Erst 2019 fand die Endrunde der weltbesten Nationen in Deutschland und Dänemark statt. Mehr als 900.000 Menschen verfolgten die Spiele in den Arenen – in Deutschland an den vier Austragungsorten Berlin, Köln, München und Hamburg waren es exakt 536.744. Mehr als zehn Millionen Menschen sahen vor deutschen Bildschirmen, wie die Auswahl des inzwischen entlassenen Christian Prokop im Halbfinale scheiterte. Beeindruckende Handball-Zahlen.

Weltmeister mit Schnäuzer: Das Team von Heiner Brand feiert den WM-Titel 2007 in Deutschland.
Weltmeister mit Schnäuzer: Das Team von Heiner Brand feiert den WM-Titel 2007 in Deutschland. © Imago

Schon bei der WM 2007, als die Schnauzbartträger von Heiner Brand den Winter zum Märchen machten, wurde mit 750.000 Zuschauern ein Rekord erreicht. Insgesamt wird die WM zum siebten Mal hier zu Gast sein. Deutschland hat sich als Ausrichter bewährt.

Kaum lukrative Länder außerhalb Europas

Das weiß auch Hassan Moustafa. Der ägyptische Präsident des Weltverbandes IHF überzeugte sich 2019 selbst in München und war begeistert: „Die WM wurde von zwei großartigen Handball-Ländern ausgetragen.“ Anders als im Fußball gibt es im Handball außerhalb Europas kaum lukrative Länder. Die Handball-Stars der Bundesliga verabschieden sich nicht kurz vor dem Ruhestand nach China. Das Final Four der Champions League, des Premium-Produkts des europäischen Verbandes, findet seit Jahren vor jeweils 20.000 Fans in Köln statt.

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Der IHF versuchte sich dennoch im Fifa-Weg und scheiterte krachend. 2015 fand die WM in Katar statt. Der Gastgeber erreichte mit einer plötzlich starken, zusammmengekauften Nationalmannschaft das Finale und verlor nur gegen Weltmeister Frankreich. Die Zahlen: enttäuschend. Etwas mehr als 300.000 Menschen verfolgten die Spiele im Wüstenstaat – im Schnitt 3500 pro Spiel. Die WM handelte Moustafa, ebenso umstritten wie Fifa-Präsident Gianni Infantino, viel Kritik ein. Unter anderem deshalb, weil Deutschland überraschend eine Wildcard bekam. Auf den größten Handball-Verband der Welt wollte man nicht verzichten.

Hanning will den Fußball einholen

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2021 findet die WM in Moustafas Heimatland Ägypten statt. Dann geht es zurück nach Europa: 2023 nach Polen und Schweden, 2025 nach Kroatien, Dänemark und Norwegen. Und 2027 dorthin, wo Handball momentan am größten boomt. „Von 2023 bis 2027 richten wir nahezu kontinuierlich Handball-Großveranstaltungen aus. Das sind großartige Gelegenheiten, Handball zu zelebrieren, Stars aufzubauen und unsere Sportart fest in der Gesellschaft zu verankern“, sagte Michelmann. Und vielleicht dem Fußball nicht mehr hinterherzulaufen, wie Bob Hanning hofft. „Nach zehn Jahren im Fahrwasser des Fußballs haben wir nun die Chance, im kommenden Jahrzehnt den nächsten Schritt zu machen und uns so zu präsentieren, dass wir auf Augenhöhe ernst genommen werden.“