Melbourne. Tennis-Superstar Federer wehrt bei den Australian Open sieben Matchbälle ab und steht im Halbfinale. Dort trifft er auf Djokovic.

Roger Federer ist wahrscheinlich, nein, ganz sicher, der einzige Tennis-Spieler auf der Welt, der auch nach unendlichen sportlichen Dramen verbunden mit körperlichen Strapazen und viel Schmerz immer noch so aussieht, als hätte er gerade einen einwöchigen Wellness-Aufenthalt in den Schweizer Bergen hinter sich. Da saß der 38-jährige Altmeister also nun frisch frisiert oben auf dem Podium des Pressekonferenz-Raumes der Australian Open und schaute milde lächelnd in die immer noch überwiegend offenen Münder der internationalen Medienvertreter.

Ein Spiel mit einer Menge Aufreger

Es dauerte ein paar Sekunden, bis die ersten Fragen nach diesem epischen Viertelfinal-Spiel zwischen Federer und dem ungesetzten Amerikaner Tennys Sandgren gestellt wurden. Fast schon schüchtern näherten sich die Berichterstatter dem Schweizer an, der gut eine Stunde zuvor gerade eines der aufregendsten Matches der jüngeren Tennis-Geschichte in fünf Sätzen für sich entschieden hatte. 6:3, 2:6, 2:6, 7:6 (10:8), 6:3 hieß es am Ende für Federer, dabei war aber hinterher nicht die Langdistanz das Thema des Spieles – sondern es waren die sieben abgewehrten Matchbälle des Weltranglisten-Dritten.

„Sieben? Ich dachte, es waren drei“, Federer selbst war sich hinterher nicht mehr ganz sicher, was in der bebenden Rod-Laver-Arena passiert war. Das konnte man verstehen, denn das Spiel bot enorm viele Aufreger. Der Schweizer fand schnell und gut herein in das Duell mit dem Außenseiter. Der erste Satz ging folgerichtig mühelos an den sechsmaligen Australian-Open-Sieger. Dann kippte das Match, auch weil Federer, sichtlich geplagt von Leistenproblemen, seinen Rhythmus verlor, wegen einer sogenannten „Audible Obscenity“ – einer verbalen Entgleisung – gar eine Verwarnung kassierte und schließlich für kurze Zeit den Court für eine Behandlungspause verlassen musste.

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Der Amerikaner führte schon mit 2:1

Die Spiele gingen dahin, schnell führte der Amerikaner mit 2:1 nach Sätzen. „Als ich auf dem Platz zurück war, habe ich mich immer noch unsicher gefühlt, die Behandlung hat nicht geholfen“, sagte Federer hinterher. „Im vierten Satz hätte es schnell gehen können. Aber ich wollte noch ein bisschen bleiben.“ Und wie Federer bleiben wollte – womit wir bei den abgewehrten Matchbällen angelangt wären.

Siebenmal war Sandgren im vierten Satz nur einen Punktgewinn von der Sensation entfernt, siebenmal wehrte „RF“ den Matchball ab. „Mirakulös“ nannte Federer das kleine Tennis-Wunder hinterher und verriet: „Ich glaube einfach immer, dass ich gewinnen kann.“ Der entscheidende fünfte Satz war dann fast schon wieder Routine für den Baseler, der sein Pensum nun ruhig herunterspielte und mit all seiner Erfahrung aus über 20 Karriere-Jahren den Sieg fast schon locker herausspielte. Die Zuschauer in der Arena hielt es da schon lange nicht mehr auf ihren Sitzen.

Welche Wertschätzung der 38-Jährige auch weiterhin genießt, konnte man besonders bei den abgewehrten Matchbällen beobachten. Es waren Jubelstürme, die da jedes Mal, wenn Federer sich aufs Neue gerettet hatte, losbrachen. Selbst die Stimmung beim bisherigen Turnierhighlight, dem Spiel zwischen Rafael Nadal und Local-Hero Nick Kyrgios vom Montagabend, konnte da nicht mithalten. Was auch beweist: Federer ist für die meisten – und damit sind nicht nur seine Fans gemeint – immer noch der König des Tennis-Sports. Ein König, der zwar kurz vor dem Abdanken ist, aber solange er eben immer in der Lage ist, solche Matches abzuliefern, wird sich an seiner grenzenlosen Beliebtheit nichts ändern.

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Federer genießt jetzt viel Schlaf bis zum Halbfinale

Am Freitag geht es für Federer im Halbfinale der Australian Open nun also im ewigen Klassiker gegen den Weltranglisten-Zweiten Novak Djokovic. Mitte Juli 2019 hatten sich die beiden das längste Endspiel der Wimbledon-Historie über fünf Sätze und fast fünf Stunden geliefert, das der Serbe nach zwei Matchbällen von Federer gewann. Als sie sich bei den ATP Finals in London Ende des Jahres ein erstes Mal wieder gegenüberstanden, gewann Federer.

Über das nächste Highlight-Spiel wollte der Schweizer am Abend nach dem Drama gegen Sandgren aber noch nicht sprechen. Er freue sich jetzt auf einen Tag mehr Pause, wolle viel schlafen und hoffe, dass die Probleme an der Leiste „nichts Schlimmes“ seien, sagte er noch, bevor er sich in die Nacht verabschiedete. Und dann beruhigte er schnell noch alle: „Ich fühle mich wirklich gerade sehr gut.“ Es klang wie eine Drohung.