Wien. Nach dem 24:25 gegen Kroatien ist bei der Handball-EM nur Platz fünf drin. Das Team muss gegen Österreich auch für den Trainer spielen.

Sonntagmorgen waren die Putzkräfte in der Wiener Stadthalle noch schwer beschäftigt. Sie fegten auf den Tribünen die Überreste des Vorabends zusammen. Wasserflaschen, Limodosen und Popkorntüten. Ein paar Meter tiefer, auf dem Spielfeld, waren wenige Stunden zuvor auch die Träume der deutschen Handballer vom EM-Halbfinaleinzug entsorgt worden. Von Kroatiens Nationalteam, das sich als besonders gründliche Putzkraft entpuppt hatte und nun verlustpunktfrei fürs Halbfinale planen kann. Das Spielfeld hatten die Deutschen mit gesenkten Köpfen verlassen, sie sprachen leise Worte wie „bitter“ und „Enttäuschung“.

Triste Stimmung bei den deutschen Handballern

Das hatte sich auch am Folgetag nicht geändert. Kapitän Uwe Gensheimer schlich bedrückt durchs Teamhotel, gelegen in einem tristen Gewerbegebiet im Süden Wiens. Es passte zur Stimmung. Zu tief saß noch immer die Enttäuschung vom Vortag nach der 24:25 (14:11)-Niederlage gegen Kroatien. Dieser hochspannenden und zuweilen hochklassigen Partie, in der das deutsche Team so kurz vor dem Sieg stand. Die, wie Abwehrchef Hendrik Pekeler es formulierte, eigentlich „ein EM-Finale hätte sein können“.

Keiner glaubt mehr an den Halbfinal-Einzug

Theoretisch ist der Halbfinaleinzug noch möglich, aber daran glaubt niemand, weil unter anderem Titelverteidiger Spanien mit sieben oder acht Toren Unterschied gegen Weißrussland verlieren müsste.

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Gegen Kroatien halfen am Ende ein starker Andreas Wolff im Tor, eine disziplinierte offensive Arbeitsweise, eine kräftig zupackende Abwehr und eine zwischenzeitliche Fünf-Tore-Führung nicht. In den dramatischen Schlusssekunden hatte Kai Häfner in Unterzahl einen Fehlpass gespielt, Julius Kühn den Ball übers Tor und Jannik Kohlbacher die Kugel gegen den Arm von Torhüter Marin Sego gepfeffert. Zwei vergebene Großchancen, am Ende jubelten die Kroaten.

„Es war eine Situation am Ende, aber da waren noch viele, viele andere Situationen dabei“, analysierte Gensheimer. „Am Ende muss man sagen, dass dieser Kader, so wie er ist, nicht gereicht hat für das große Ziel“, sagte Bob Hanning, Vizepräsident des Deutschen Handballbunds (DHB). Angesichts der zahlreichen Ausfälle im Rückraum schien der Halbfinaleinzug ohnehin ambitioniert, eine gute Gruppenauslosung hatte jedoch Hoffnung geschürt.

„Das Ziel haben wir bewusst hochgehalten“, gab Hanning mit Blick auf die Verletztenliste mit den Vorjahres-Leistungsträgern Fabian Wiede, Martin Strobel und Steffen Weinhold zu, „nur wenn du selbst an etwas glaubst, kannst du auch Großes erreichen.“

Vizepräsident Bob Hanning setzt jetzt auf die Olympia-Qualifikation

Hanning richtete den Blick direkt auf die kommenden Aufgaben. Denn die EM ist noch nicht vorbei, am Montag folgt das Hauptrundenspiel gegen Österreich (ARD), am Mittwoch geht es gegen Tschechien (ZDF/beide 20.30 Uhr) – und danach vielleicht noch zum Spiel um Platz fünf in Stockholm. Es gilt nun, sich mit einem guten Gefühl aus der EM zu verabschieden und Selbstvertrauen für das Olympiaqualifikationsturnier im April zu erspielen. Hanning: „Wir wollen im Sommer nach Tokio, viele Ballsportarten haben es schon nicht geschafft. Darauf konzentrieren wir uns.“

Die kommenden Spiele werden eine Charakterfrage für die Spieler sein. Und sie können Christian Prokop vor einer Trainerdebatte bewahren. Anzeichen davon waren schon in der blassen Vorrunde erkennbar, doch die starken Auftritte gegen Weißrussland und Kroatien sorgten wieder für etwas Ruhe. Hanning sah am Samstagabend noch „keinen Anlass zu einer Diskussion. Wir haben das Ziel nur um Millimeter verpasst. Ich gehe auch nicht davon aus, dass es nach dem Turnier dazu kommt.“ Am Sonntag sprach er allerdings folgende Sätze: „Montagabend wird sich zeigen: Was macht diese Mannschaft mit ihrem Trainer? Österreich in Österreich ist der beste Gegner, um all diese Fragen zu überprüfen.“

Kapitän Gensheimer verspricht die richtige Einstellung

Hanning ist gebürtiger Essener und Manager des Handball-Bundesligisten Füchse Berlin. Der 51-Jährige ist ein Mann mit schrillen Outfits und ein Freund klarer Worte. Sie haben beim DHB besonders viel Gewicht. Als er nach der enttäuschenden Europameisterschaft vor zwei Jahren in Kroatien seine Weiterarbeit beim DHB mit dem Schicksal von Christian Prokop verknüpfte, durfte der Bundestrainer bleiben, erhielt eine zweite Chance. Nun macht auch Hanning Druck.

Den macht sich Prokop auch selbst. „Wir wollen weiter Hunger zeigen“, sagte der 41-Jährige, „wir wollen uns Selbstvertrauen für die Olympiaqualifikation erspielen, und das tun wir hier bei der EM auf Top-Niveau.“ Für die Österreicher sei es „das Spiel ihres Lebens. Sie werden alles daran setzen, uns zu ärgern“, meinte Prokop. Sein Kapitän Uwe Gensheimer stellte auch klar: „Wir haben uns vorgenommen, dass wir uns in der Hauptrunde anders präsentieren als zuvor. Das ist uns zwei Spiele lang gelungen und damit wollen wir fortfahren.“