Wien. Patrick Wiencek und Hendrik Pekeler, zwei Stützen der deutschen Handball-Nationalmannschaft, tun sich bei der EM bislang schwer.

Es ist nicht leicht, Patrick Wiencek und Hendrik Pekeler aus der Fassung zu bringen. Der eine ist generell schweigsam, der andere generell stoisch. Sie sind erfahren, haben gemeinsam viel erlebt, was also sollte sie noch groß aus der Ruhe bringen?

Deutschlands Abwehrzentrum scheint verunsichert

Es gibt sie aber doch, diese Momente, in denen selbst die souveränen und unaufgeregten Pekeler und Wiencek aus der Haut fahren. Der eine nimmt Worte wie „Katastrophe“ in den Mund (Pekeler), der andere will alles „schnellstmöglich abhaken“ (Wiencek). Sie sind verunsichert, sie sind angespannt. Und das jetzt, vor dem ersten Spiel der deutschen Handballer in der Hauptrunde der EM in Österreich, in der jede Partie in Wien ein Endspiel ist. Die gegen Kroatien am Samstag, gegen Österreich am Montag, gegen Tschechien am Mittwoch. Und die erste am Donnerstag gegen Weißrussland (20.30 Uhr/ARD).

Die Mängelliste des deutschen Teams ist lang

Die Mängelliste des deutschen Teams ist lang, sie ist auch auf die Vielzahl der verletzten Rückraumspieler zurückzuführen. Die Abwehr, deren Herz seit Jahren Wiencek und Pekeler bilden, sollte trotzdem die seit Jahren verlässliche Größe sein. Allerdings: Die Torhüter Andreas Wolff und Johannes Bitter sind kein großer Rückhalt, in der Abwehr gibt es keine leichten Ballgewinne. Die aber nötig wären, um das Spielkonzept von Bundestrainer Christian Prokop umzusetzen, der angesichts der Rückraummisere über Tempogegenstöße zu einfachen Toren kommen wollte. Doch sie blieben aus, die Paraden und Blocks, die neue Chancen eröffnen. Der quirlige Niederländer Luc Steins spielte die deutsche Abwehr schwindelig, die Letten konnten immer wieder ihre Kreisläufer in Szene setzen – und die Spanier sprengten die deutsche Mauer einfach mit Kreativität und brachialer Gewalt. Das Zeugnis der Vorrunde war kein gutes: Versetzung erfolgt, ein dortiges Weiterkommen gefährdet.

Ein massives Bollwerk - eigentlich

So sieht es auch Pekeler. „Wir müssen darüber reden, warum wir es im Turnierverlauf noch nicht geschafft haben, zu unserer Abwehr zu finden“, sagt der 28-Jährige. „Da müssen wir andere Absprachen treffen und aggressiver zu Werke gehen.“ Denn das ist das, was Pekeler und Wiencek (30) eigentlich auszeichnet. Beide mögen sie abseits des Spielfelds ruhige und schweigsame Typen sein, auf dem Spielfeld aber sind sie es, an denen die gegnerischen Angriffswellen abprallen. Sie stehen im Zentrum des Sturms, es wird gezerrt und geklammert, geschubst und gehalten. Wiencek, der 110 Kilogramm schwere und 2,01 Meter große Koloss, wirbelt seine Gegenspieler dann umher, in der etwas offensiveren Deckungsvariante fängt 2,03-Meter-Mann Pekeler mit seinen langen Armen Pässe ab. Dann sind sie beide hochemotional, schreien und fluchen.

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Es ist ein Zusammenspiel, das sich seit Jahren bewährt hat, der Duisburger Wiencek und der Glückstädter Pekeler bilden auch beim THW Kiel den Abwehr-Mittelblock, wechseln sich in der Offensive als Kreisläufer ab. Beide sind auch außerhalb des Handballs handwerklich begabt. Wiencek bastelt gerne in seinem Hobbykeller, Pekeler hat kürzlich einen Zaun im heimischen Garten zusammengezimmert.

Hohe Zahl an Spielen rächt sich

Nun müssen beide, im Team nur „Bamm-Bamm“ und „Peke“ genannt, wieder das überragende Leistungsniveau erreichen, das sie auch bei der WM vor einem Jahr auszeichnete und Frankreichs Superstar Nikola Karabatic vor dem EM-Start scherzen ließ, dass die Deutschen eigentlich gar keinen gelernten Spielmacher bräuchten bei dieser Abwehr. Denn ja, die vergangenen Monate waren gute für Pekeler und Wiencek, der THW ist Bundesliga-Primus und Tabellenführer seiner Champions-League-Vorrundengruppe. Die hohe Anzahl der Spiele hat sich aber bei der EM gerächt, kein anderer deutscher Nationalspieler hat solch ein Programm in den Knochen wie die beiden überspielt wirkenden Kieler.

Dennoch müssen sie in den folgenden Tagen noch einmal alle Kräfte mobilisieren, um den Traum vom Halbfinale zu verwirklichen. Denn Weißrusslands erfahrener Trainer Juri Schewzow (60), einst Spieler und Trainer bei Blau-Weiß Spandau und später Architekt beim EHF-Pokalsieg von Tusem Essen (2005), weiß: „Wir haben die beste Mannschaft seit 15 oder 20 Jahren.“