Bischofshofen. Montag steigt das Finale der 68. Vierschanzentournee. Der deutsche Springer Karl Geiger darf sich noch eine kleine Chance ausrechnen.

Der Pongau erweist sich gerade als wahres Winterwunderland. 20 Zentimeter Neuschnee sind in der Urlaubsregion im Salzburger Land in der Nacht zu Sonntag gefallen, am Morgen riss dann die Wolkendecke auf und ließ die Sonnenstrahlen auf die weißen Gipfel fallen. Bischofshofen profitiert davon eher wenig: Die gut 10.500 Einwohner zählende Stadt liegt bereits frühnachmittags im Schatten der Berge, rund um die Paul-Außerleitner-Schanze setzt flott die Dämmerung ein. Das soll sich natürlich nicht als Nachteil erweisen für die Athleten, die am Montag (17.15 Uhr/ARD und Eurosport) bei Flutlicht noch um den Gesamtsieg bei der Vierschanzentournee springen.

Umgerechnet 7,60 Meter trennen den Führenden vom Vierten der Gesamtwertung, die durch die Tiroler Windlotterie am Samstag in Innsbruck ganz schön durcheinander gewirbelt wurde. Zwar sagt Geiger nach seinem enttäuschenden achten Platz am Bergisel: „Es ist noch nicht vorbei, ich gehe all-in.“ Aber nur für einen der vier Springer gibt es am Ende ein Halleluja: So stehen die Chancen auf den Gesamtsieg beim Finale der 68. Tournee.

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Dawid Kubacki (830,7 Punkte): Der Mann, der am Ende womöglich ohne einen einzigen Tagessieg den Goldenen Adler überreicht bekommt. Achtmal gab es dieses Kunststück bereits bei den Flugshows in Oberstdorf, Garmisch-Partenkirchen, Innsbruck und Bischofshofen – zuletzt rang sich der chronisch humorlose Finne Janne Ahonen 1999 bei seinem ersten von fünf Gesamtsiegen immerhin ein leises Lächeln ab über dieses sportliche Kuriosum. „Ich hätte nichts dagegen“, sagt Kubacki zu der Aussicht, es Ahonen nachzumachen. Der 29 Jahre alte Pole hob am Bergisel eine Etage höher als alle anderen ab und wurde dann vom Aufwind auf famose 133 Meter heruntergetragen. Mental, technisch, statistisch: Alles spricht für Kubacki. Bei 22 der letzten 25 Auflagen behielt der nach Innsbruck Führung einen Vorsprung nach seinem letzten Sprung. „Ich beschäftige mich nicht mit Geschichte, sondern schaue nach vorne“, so der Topfavorit, der nach zunächst zwei dritten Plätzen am Bergisel Zweiter war, „es ist möglich, und meine Form stimmt.“ Siegchance: 50 Prozent

Marius Lindvik (821,6 Punkte): Der Mann, der schlimmstenfalls trotz drei Tagessiegen nicht Gesamtsieger wird. Bei seinem zehnten Platz in Oberstdorf konnte der 21 Jahre alte Norweger ja noch nicht ahnen, dass er tatsächlich bis zum Ende um den Gesamtsieg mitspringen würde. „Es ist alles so unglaublich“, sagt Lindvik nach den beiden Siegen in Garmisch-Partenkirchen und Innsbruck, „ich kann ganz relaxt ins letzte Springen gehen.“ Umso trauriger, dass auch ein Erfolg am Montag nicht für den ganz großen Triumph reichen kann. Womit die Konkurrenz aber nicht rechnen darf: dass dem Junioren-Weltmeister von vor zwei Jahren die Nerven flattern, er wie ein Eisblock in der Sonne zerschmilzt. Lindvik: „Es ist ein Loch zu Dawid da, aber es ist nicht unmöglich, ihn einzuholen.“ Siegchance: 25 Prozent

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Ryoyu Kobayashi (817,0 Punkte): Der Mann, dem als einzigem zuzutrauen ist, beim Dreikönigsspringen 15 Punkte zwischen sich und die anderen zu legen. Bei der Qualifikation am Sonntag machte der 23 Jahre alte Japaner von den vier Sieganwärtern den besten Eindruck. Kobayashi zeigte sich gut erholt von Platz 14 in Innsbruck: „Der Hügel liegt mir. Ich habe nun gesehen, dass ich wieder ganz vorne dabei bin. Das macht mir Mut für Montag.“ Sein Sprungstil wird oft kopiert und inzwischen häufiger erreicht. Dennoch: Der Tourneesieg geht nur über den Titelverteidiger. Siegchance: 20 Prozent

Karl Geiger (817,4 Punkte): Der Mann, der einzeln betrachtet mit fünf von bisher sechs Wertungssprüngen auf dem Siegerpodest gelandet ist. Das ist ähnlich wie bei Lindvik – nur ohne Tagessieg – die Krux: Geigers bisherige Sprünge waren einen ersten sowie je zwei zweite und dritte Plätze wert. Allemal gut genug, um Gesamtplatz eins anzupeilen. Doch die 117,5 Meter im ersten Durchgang (Platz 23) am Bergisel haben den 26 Jahre alten Oberstdorfer klar ins Hintertreffen gebracht. So kurz und heftig er sich freut, so kurz und heftig verflog auch der Ärger nach dem schwächsten Saisonresultat: „Ich war auf 180, ich war genervt“, sagte der sonst so besonnene Geiger zum kleinen Disput mit einem ihm zu aufdringlichen Kameramann. Geiger fehlen die Fabelflüge, 7,38 Meter muss er auf die drei Konkurrenten aufholen. Sehr unwahrscheinlich. Was außerdem gegen den ersten deutschen Gesamtsieg seit Sven Hannawald 2002 spricht: Noch haben die beiden letzten Tourneesprünge in Bischofshofen gereicht, um auf dem Stockerl zwei Plätze nach oben auf Rang eins zu klettern. Geiger: „Die Tournee kann man nur gewinnen, nicht verlieren. Ich werde alles riskieren.“ Siegchance: 5 Prozent