Brüssel. Die Tour de France beginnt mit einer Überraschung. Der Niederländer Mike Teunissen gewinnt vor Bora hansgrohe-Profi Peter Sagan.

König Eddy gab seine Audienz vor dem Start. Begleitet von Tour-de-France-Chef Christian Prudhomme und abgeschirmt von zahlreichen Sicherheitskräften bahnte sich der fünfmalige Toursieger Eddy Merckx den Weg durch die Menge. „Eddy, Eddy“-Rufe ertönten – am lautesten dort, wo ein paar Kameraleute des Fernsehens die Zuschauer zu noch mehr Begeisterung aufforderten. Und dann nickte der große Belgier auch gnädig, als das Peloton auf seine 3480 km lange Reise geschickt wurde und den großen gelben Bogen passierte, der aus Fahrrädern gebildet in den Himmel ragte. Am Ende triumphierte mit dem Niederländer Mike Teunissen ein Außenseiter im Sprint vor dem dreimaligen Weltmeister Peter Sagan (Slowakei) aus dem deutschen Bora-hansgrohe-Team. Der elfmalige Etappensieger Andre Greipel war als 19. bester Deutscher.

Mike Teunissen profitiert von Stürzen

Der 26 Jahre alte Teunissen, Jumbo-Teamkollege des in der Schlussphase gestürzten Cottbusers Tony Martin, war eigentlich gar nicht für den Kampf um den Sieg vorgesehen gewesen. Sein Sprintkapitän und Landsmann Dylan Groenewegen wurde bei der Ein-Kilometer-Marke Opfer eines Massensturzes im vorderen Drittel, erst dadurch konnte Teunissen um den Sieg kämpfen. „Plötzlich hat sich alles in Luft aufgelöst. Dylan ist zu Boden gegangen, da habe ich gedacht, ich fühle mich gut und probiere es“, sagte Teunissen.

Stimmungsvoller Tour-Auftakt in Brüssel

Brüssel bot einen stimmungsvollen Start in das bedeutendste Etappenrennen der Welt. Besonders angesteckt schien davon Team Katusha – Alpecin zu sein. Beim zuletzt weitgehend erfolglosen Team – abgesehen von zwei Meistertiteln im Zeitfahren gab es in dieser Saison lediglich drei Etappensiege – hatte es unmittelbar vor dem Tourstart noch eine Krisensitzung gegeben. Die Zukunft des Teams mit dem Paris – Roubaix-Zweiten Nils Politt aus Köln und dem Berliner Rick Zabel steht auf dem Spiel. Die Sponsoren sind unzufrieden, in der Teamleitung gibt es Differenzen.

„Wir als Mannschaft halten aber gut zusammen. Es ist ja fast das gesamte Klassikerteam hier“, sagte Politt dieser Zeitung. Sein dänischer Teamkollege Mads Würtz Schmidt war dann auch beim Ausreißversuch des Tages dabei. Die Dreiergruppe wurde aber vom Feld souverän kontrolliert und noch vor der Sprintwertung eingefangen. Die gewann Peter Sagan – und deutete damit seinen Appetit auch auf den Etappensieg an.

Teunissen fängt Sagan auf den letzten Metern ab

Ganz vorn sah es lange Zeit nach einem Sieg von Sagan aus. Auf den letzten Metern wurde der Slowake aber noch von Teunissen niedergekämpft. „Natürlich ist es bitter, wenn der Top-Mann stürzt. Auf der anderen Seite ist es fantastisch, dass unser Team trotzdem den Sieg und das Gelbe Trikot geholt hat“, sagte der Thüringer Tony Martin im Ziel. Martin gehört seit diesem Jahr zur Jumbo-Visma-Truppe. Er wurde wegen seiner Zeitfahrqualitäten von den Niederländern eingekauft. Für das heutige Teamzeitfahren gab er sich dann auch optimistisch. „Unser Material ist gut, wir waren die ganze Saison gut unterwegs. Wir werden um den Sieg kämpfen“, sagte er.

Seine eigenen Blessuren – er hatte Kratzer am Knie nach einem eigenen Sturz – stufte er als „Kinderkram“ ein. „Ich kam bei dem Sturz von Jakob Fuglsang zu Fall. Ich konnte mich aber sanft über den Rücken abrollen und kam dann auch noch kurz vor dem Finale wieder vorn an“, erzählte er. Mehr Sorgen machte er sich wegen der Verletztungen von Groenewegen. „Es sah gar nicht gut aus bei ihm“, meinte Martin. Jumbo-Visma fährt heute vielleicht nur auf sieben statt acht Zylindern.