London. Die 15-jährige Cori Gauff schlägt in Wimbledon die Slowenin Polona Hercog 3:6, 7:6 (9:7), 7:5 und spielt jetzt gegen Simona Halep.

Erst als es geschafft war, verlor Cori Gauff zum ersten Mal die Fassung. Nach dem verwandelten Matchball sprang sie wie ein Flummi über den Rasen, die Arme weit von sich gestreckt, und genoss die Jubelstürme des Publikums. Mit einem 3:6, 7:6 (9:7), 7:5-Erfolg nach 2:46 Stunden Spielzeit gegen die Slowenin Polona Hercog (28/Nr. 60 der Welt) schrieb die Weltranglisten-313. ihr märchenhaftes Tennis-Abenteuer fort, das in den vergangenen Tagen die Sportwelt verzückt hatte.

Jüngste Spielerin der Wimbledon-Geschichte

Als jüngste Spielerin der Wimbledon-Geschichte hatte sich die US-Amerikanerin im Alter von 15 Jahren und 122 Tagen durch die Qualifikation ins Hauptfeld der All England Championships geschlagen. Ohne Satzverlust war sie als jüngste Spielerin seit ihrer Landsfrau Jennifer Capriati 1991 (die sogar das Halbfinale erreichte) in die dritte Runde eingezogen. Und nun darf sie am Montag ihr erstes Grand-Slam-Achtelfinale absolvieren.

Cori Gauff schon in der Runde der letzten 16

„Ich bin sehr erleichtert, dass es vorbei ist“, sagte Gauff, die in der Runde der letzten 16 auf die Rumänin Simona Halep trifft. „Ich habe immer gefühlt, dass ich zurückkommen kann. Deshalb bin ich ruhig geblieben. Das Publikum war unglaublich, ich bin sehr dankbar dafür, dass sie mich so unterstützt haben. An mein Achtelfinale denke ich noch nicht“, sagte die French-Open-Juniorensiegerin von 2018, die bereits wenige Minuten nach dem Sieg erstaunlich gefasst wirkte.

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Wer Damentennis liebt, der wurde verwöhnt am Freitagnachmittag auf dem Center-Court in Wimbledon. Es traten an in Runde drei: Halep (27) und Viktoria Asarenka (29) aus Weißrussland, beide ehemalige Weltranglistenerste. Viel zu früh trafen sich die beiden, die Ansetzung wäre mindestens eines Viertelfinales würdig gewesen. Und wer am Tag zuvor die Zweitrundenpleite von Titelverteidigerin Angelique Kerber (31/Kiel) gegen die US-Amerikanerin Lauren Davis (25) verfolgt hatte, der musste angesichts des Expresstempos, mit dem sich Halep und Asarenka die gelben Filzkugeln über das Netz hin- und herschossen, das Gefühl bekommen, jemand habe die Vorspultaste gedrückt.

Simona Halep schlägt Asarenka

Halep siegte nach 1:3-Rückstand mit 6:3, 6:1, die French-Open-Gewinnerin von 2018 brachte mit ihrer Laufstärke wieder einmal so viele Bälle ins Feld zurück, dass Asarenka letztlich resignierte. Es war genau das hochklassige Duell, das man angesichts der Protagonisten erwarten durfte. Auf dem Center-Court jedoch blieben gut zwei Fünftel der 14.979 Sitze leer. Die Attraktion des Tages, das waren nicht die ehemals besten Spielerinnen der Welt, nein: Das war Cori Gauff, das neue Tennis-Wunderkind. Geliebt, gefeiert, gehyped. Als sie gegen Hercog die Achtelfinalgegnerin für Halep ermittelte, gab es kaum freie Plätze auf den Tribünen.

Gauff dominiert in England die Schlagzeilen

Wie groß die Begeisterung um die Schülerin aus Delray Beach (Florida) auch im traditionell unaufgeregten Wimbledon ist, zeigte der Fakt, dass Titelverteidiger Novak Djokovic (Serbien) sein Drittrundenmatch gegen den Polen Hubert Hurkacz auf Showcourt 1 parallel zu Gauff austragen musste (und 7:5, 6:7, 6:1, 6:4 gewann). In den britischen Zeitungen war Kerbers Aus eine Randnotiz, Gauff dagegen dominierte die Schlagzeilen.

Ob es die Euphorie um ihre Person war oder doch einfach eine, für einen Teenager vollkommen verständliche, physische und mentale Ermüdung nach insgesamt sechs Matches innerhalb von zehn Tagen (inklusive Qualifikation), die sie zunächst ins Hintertreffen brachte, spielt letztlich nur eine untergeordnete Rolle. Fakt war, dass Hercog mit einem Break zum 4:3 im ersten Satz die Kontrolle übernahm und ihrer anschließenden Überlegenheit von der Grundlinie mit dem 6:3-Satzgewinn, von Gauff mit einem Doppelfehler verursacht, Ausdruck verlieh.

Gauff wehrt sich gegen Hercog mit dem Mut der Verzweiflung

Im zweiten Durchgang gelang Hercog ein frühes Break zum 2:0. Doch das Wort Aufgabe scheint im Wortschatz der Cori Gauff nicht zu existieren. Mit dem Mut der Verzweiflung wehrte sie bei 2:5 den ersten Matchball ab, den zweiten vergab Hercog bei 5:3-Führung und eigenem Aufschlag mit Doppelfehler selbst und unterstrich in der Folge mit weiteren unerzwungenen Fehlern, warum sie noch nie ein Grand-Slam-Achtelfinale erreichen konnte. Gauff gelang – frenetisch angefeuert vom Publikum – das Break zum 5:4, anschließend brachten beide ihren Aufschlag bis zum Tiebreak durch. Und dann wurde es dramatisch.

Mit einem Netzroller ging Gauff 3:2 in Führung, vergaß in der Aufregung nach dem nächsten Punkt zunächst den Seitenwechsel, kam von einem 3:5-Rückstand zurück, vergab bei 6:5 und 7:6 zwei Satzbälle – doch Hercog, der nun der Arm zitterte, konnte daraus kein Kapital schlagen. Mit 9:7 gewann die 15-Jährige den Tiebreak und erzwang den Entscheidungssatz. Hercog nahm eine medizinische Pause, um sich am Gesäßmuskel behandeln zu lassen.

Zunächst sah es im Anschluss so aus, als sei die körperliche Schwäche ein entscheidender Nachteil für die Slowenin. Als Gauff mit Break auf 4:1 davonzog, schien das Match gelaufen, doch nun war es Hercog, die sich verzweifelt aufbäumte. Sie schaffte das Rebreak zum 4:3, blieb damit im Match, doch Gauff war nun die entschlossenere Spielerin. Und so war es der verdiente Lohn, dass sie ihren ersten Matchball in Form eines von Hercog ins Aus gespielten Lobs nutzte.

Der Turniersieg scheint (noch) unrealistisch

Nach ihrem Auftaktsieg über ihr Idol Venus Williams (39/USA) hatte Cori Gauff gesagt, ihr Ziel sei, das Turnier zu gewinnen. Nach den Eindrücken des Freitags dürfte Halep zwar noch eine Nummer zu groß sein. Aber angesichts der Duftmarken, die die Tochter eines Basketballers und einer Leichtathletin jetzt schon gesetzt hat bei ihrem Debüt an der Church Road, dürften die englischen Buchmacher kaum noch Wetten auf Cori Gauff als zukünftigen Wimbledon-Champion annehmen, wenn sie nicht pleitegehen wollen.