Borissow . Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft holt in Abwesenheit von Bundestrainer Joachim Löw drei Punkte in der EM-Qualifikation.

Es war Marcus Sorg nicht anzumerken, dass er die 90 Minuten auf einem eher ungewohnten Platz verfolgte. Normalerweise hockt der Assistent der deutschen Nationalmannschaft auf der Reservebank, in Borissow aber musste er den verhinderten Joachim Löw (Arterien-Quetschung) als Bundestrainer vertreten. Und so wanderte er immer wieder durch die Coaching Zone, klatschte, gestikulierte, haderte auch manchmal. Weil Deutschland in Weißrussland einige Schwächen präsentierte.

Am Ende gewann die Nationalelf ihr zweites Spiel in der Qualifikation für die Europameisterschaft 2020 aber trotzdem verdient mit 2:0 (1:0). Die Pflichtaufgabe: abgehakt. Die Tore erzielten Leroy Sané (13.) und Marco Reus (62.). Sechs Punkte hat Deutschland nun, für die Tabellenführung in der Gruppe C reicht dies aber nicht. Da Nordirland mit einem Spiel mehr bereits neun Zähler gesammelt hat. "Der Sieg steht über allem", sagte Sorg zufrieden: "Wir mussten einige Widerstände überwinden, haben aber teilweise toll gespielt. Das bringt uns weiter."

Es war grundsätzlich ein eher ungewöhnlicher Trip, den Sorg bei seinem ersten Spiel als Ersatz erlebte. Vom Mannschaftshotel in Minsk ratterte der Mannschaftsbus vor dem Anstoß etwas mehr als eine Stunde in die Wälder von Borissow, wo sich das Stadion der Stadt versteckt. Von außen erinnert es an eine Mischung aus Raupe und Ufo. Im innern beherbergt es 13.126 bunte Sitzplätze.

Dreierkette telefonisch vereinbart

Davon waren am Sonnabend allerdings trotz der lauen Sommernacht einige frei. Selbst der prominente Gegner lockte nicht mehr Anhänger, vielleicht hemmte die Weißrussen auch die geringe Erfolgsaussicht. Dabei entwickelte sich mit dem Anpfiff zunächst ein munteres Spielchen. Weil die Spieler aus dem Osten Europas versuchten, mit ihren Mitteln (also lange Bälle und Konter) aufzumucken. Aber auch weil die deutschen Profis zunächst ihr Können demonstrierten, konzentriert auftraten, immer wieder schnell kombinierten.

Zum Beispiel in der achten Minute. Als Niklas Süle auf Serge Gnabry passte, dieser dann an Torhüter Aleksandr Gutor scheiterte. Genauso wie Lukas Klostermann mit seinem Nachschuss. Dem 23-Jährigen von RB Leipzig fehlte der Mut, um in seinem erst zweiten Länderspiel sein erstes Tor zu erzielen. Es war allerdings auch überraschend, dass er beginnen durfte.

Am Freitag hatte Sorg mit Löw am Telefon über die Startelf diskutiert und dabei beschlossen, dass in der Defensive wieder eine Dreierkette helfen sollte. In diese rutschte Jonathan Tah für den verletzten Antonio Rüdiger. Auf der rechten Seite durfte eben jener Lukas Klostermann ran. Vorne wirbelten Gnabry, Reus und Sané.

So kam es dann auch, dass die Verantwortlichen des FC Bayern vor dem Fernseher vermutlich noch mal schnell den Kontostand checkten. Vielleicht könnten sie doch noch etwas mehr an Manchester City überweisen, um Sané zu kaufen. Schließlich zeigte dieser, wie er in der kommenden Spielzeit den Münchenern helfen könnte. Als er nach einem Pass von Bayern-Profi Joshua Kimmich ein Tänzchen im Strafraum vorführte und dann sicher zur Führung verwandelte (12.).

Reus erzielt das 2:0

Doch irgendwie verlor die deutsche Mannschaft mit diesem Tor an Kontrolle, auch an Präzision. Plötzlich muckte der Gegner nicht nur auf, sondern kam auch zu durchaus großen Torchancen. Erst schmiss sich Klostermann im letzten Moment noch in einen Schuss von Yuri Kovalev (29.). Dann lenkte Kapitän Manuel Neuer einen Kopfball von Nikita Naumov über die Latte (30.). Der DFB-Elf fehlte nun die Brillanz, auch das Tempo. Eher bieder erspielte sie sich kleinere Gelegenheiten. Sané köpfte drüber (32.). Gündogan zielte nicht genau genug (36.).

Auch in der zweiten Halbzeit wollte das Offensivspiel der Deutschen nicht mehr munter werden. Chancen? Gab es dann aber doch, weil Weißrussland langsam die Kraft ausging. Klostermann hätte sich erneut in die Liste der Menschen mit einem Länderspieltor eintragen können, doch sein Schuss geriet deutlich zu hoch (54.). Besser machte es dann er eigentlich blasse Reus beim 2:0, der nach einem eher unfreiwilligen Pass von Matthias Ginter plötzlich frei vor dem Tor stand (62.). Sané verpasste es kurz vor Schluss, seinen Marktwert noch mal etwas zu steigern (83.).

Marcus Sorg verfolgte all dies in seiner Coaching Zone. Unter seiner Führung hat die deutsche Mannschaft nun ein weiteres Erfolgserlebnis eingefahren. Das ist nach dem katastrophalen Jahr 2018 ja auch etwas ungewohnt.