Essen. Bundestrainer Joachim Löw fällt für die kommenden Länderspiele aus. Co-Trainer Marcus Sorg steht im Fokus. Kann er das?

Die Nachricht über seine Verletzung war nur wenige Minuten alt, da versuchte Joachim Löw bereits, der Meldung ihre Brisanz zu nehmen. „Ich fühle mich schon wieder ganz gut, muss mich aber in den nächsten vier Wochen ein bisschen schonen“, erklärte der Bundestrainer in einer DFB-Pressemitteilung. Und Nationalmannschaftsdirektor Oliver Bierhoff ergänzte: „Auch wenn man spürt, dass er am liebsten schon wieder am Trainingsplatz stehen würde, ist es sicher richtig, sich noch zu schonen.“ Die Botschaft: alles halb so schlimm.

Trotzdem wird Löw bei den kommenden beiden EM-Qualifikationsspielen nicht auf der Bank sitzen können. Der 59-Jährige hat sich laut der Bild-Zeitung beim Hanteltraining eine Arterie gequetscht und liegt nun in der Freiburger Uniklinik. Der zuständige Arzt hat Löw Ruhe verordnet.

So wird sich mancher deutsche Fußball-Fan verwundert die Augen reiben, wenn die DFB-Elf erst am 8. Juni in Borissow gegen Weißrussland und drei Tage später in Mainz gegen Estland spielt. Erstmals seit fast 15 Jahren wird Löw nicht im Stadion sein. Stattdessen brüllt Co-Trainer Marcus Sorg die Kommandos von der Seitenlinie.

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Die Verantwortung übernimmt ausgerechnet einer, der bislang meistens im Schatten des Rampenlichts werkelte.

Boysen: Sorg wird Löw gut vertreten

Seit 2016 unterstützt er Löw, zuvor formte der 53-Jährige drei Jahre lang die U19-Talente des DFB. Mit dem Trainerberuf begann er 1999. Hans-Jürgen Boysen (62), der mit Sorg ab Sommer 2000 ein Jahr lang im Gespann bei den Stuttgarter Kickers arbeitete, sagt: „Marcus war als junger Trainer von seiner Arbeitsweise her schon sehr akribisch. Vor- und Nachbereitung der Einheiten liefen auf allerhöchstem Niveau. Er wird Jogi Löw gut vertreten und den Engpass überbrücken.“

Flick war einmal Löws Vertreter

Nur einmal betrat Sorg vorher die große Bühne: 2011 war das, als er ein halbes Jahr lang den SC Freiburg betreute. Doch kurz nach Weihnachten musste Sorg seinen Stuhl für Christian Streich räumen. Über Ditzingen, Ulm und die U17 des FC Bayern folgte 2013 der Wechsel zum DFB. Erst als Jugendtrainer, ehe ihn Löw auf Anraten von Hansi Flick (54) für die EM 2016 in sein Trainerteam holte.

Und nun: Rampenlicht.

Flick vertrat Löw beim EM-Viertelfinale 2008

Davor könnte sich Sorg für Tipps durchaus bei seinem einstigen Förderer melden. Denn Flick war derjenige, der Löw zum bislang einzigen Mal bei dessen 173 Länderspielen vertreten musste. Beim EM-Viertelfinale 2008 gegen Portugal durfte der gesperrte Löw den Innenraum nicht betreten. Er saß auf der Tribüne, verfolgte dort den 3:2-Erfolg, während Flick ihn als Trainer ersetzte.

„Ich persönlich war dabei nicht aufgeregter“, erklärt Flick im Gespräch mit dieser Redaktion, verweist aber auf die andere Situation. „Bei mir war Jogi für das eine Spiel gesperrt, ansonsten aber auch bei der Vorbereitung dabei.“ Nun müsse Sorg gemeinsam mit Torwarttrainer Andreas Köpke die gesamte Arbeit übernehmen. „Aber sie werden mit Jogi in Verbindung stehen, außerdem legt man die Inhalte und die Strategie schon im Vorfeld bei Meetings fest. Deswegen wird das kein Problem sein“, meint Flick.

Tatsächlich soll sich am geplanten Ablauf für die kommenden anderthalb Wochen nichts ändern. Am Sonntag trifft sich die Nationalmannschaft im niederländischen Venlo. Nach dem Auftaktsieg gegen die Niederlande (3:2) beginnt nun die Vorbereitung, um die Qualifikation für die EM 2020 weiterhin erfolgreich zu gestalten.

Das Wichtigste sei allerdings, so Oliver Bierhoff, „dass Jogi in ein paar Tagen wieder topfit ist“.