Kiel. Im letzten WM-Test brachte sich Deutschlands Handball-Auswahl richtig in Fahrt. Doch Bundestrainer Prokop streicht einen EM-Helden.

Erkenntnis Nummer eins war nach der Schlusssirene endgültig bestätigt: Die deutschen Handballer kommen in WM-Stimmung. Nach dem 28:13 (9:6)-Erfolg gegen Argentinien im letzten Testspiel nahmen sich Spieler und Teamverantwortliche auf dem Spielfeld in die Arme, sie lachten und klatschten Richtung der knapp 10.000 Zuschauer in Kiel. "Wir können es kaum erwarten”, rief Torhüter Andreas Wolff. “Wir haben richtig Bock auf diese WM.”

Deutschland trifft im Auftaktspiel auf eine koreanische Auswahl

Die Weltmeisterschaft in Deutschland und Dänemark beginnt am Donnerstag mit dem Auftaktspiel der deutschen Mannschaft gegen eine gemeinsame Auswahl aus Süd- und Nordkorea in Berlin (18.15 Uhr/ZDF). Dem Start ins Turnier schaut auch Bundestrainer Christian Prokop nach dem finalen Test eine Spur entspannter entgegen. “Wir haben weiteres Selbstvertrauen gesammelt und reisen mit einem guten Gefühl nach Berlin, das ist das Wichtigste.”

Das gute Gefühl kam auch von Erkenntnis Nummer zwei: Die Abwehr steht sicher. Beim 32:24-Sieg am Freitag gegen Tschechien war dies noch nicht der Fall, da mussten sich Hendrik Pekeler, Finn Lemke und Patrick Wiencek noch einspielen. Doch gegen Argentinien hatten sie zur gewohnten Routine gefunden, die das Trio in den vergangenen Turnieren ausgezeichnet hatte. Am Mittelblock Pekeler/Lemke verzweifelten die Südamerikaner zusehends. Torhüter Wolff beschrieb es so: “Argentinien hat gegen unsere Abwehrkanten einfach kein Durchkommen gefunden.”

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Erkenntnis Nummer drei: Es hakt nach wie vor im Angriff. In der zwölften Minute ging Argentinien 4:3 in Führung, weil die deutsche Mannschaft Tempo und Zielstrebigkeit vermissen ließ und sich einfach zu viele Abspielfehler leistete. “Vergebene Würfe sind eine Sache. Aber ihr dürft den Ball nicht hergeben, ohne überhaupt geworfen zu haben”, haderte Prokop in der darauffolgenden Auszeit. Mehr als zehn Minuten lang blieb sein Team Mitte des ersten Durchgangs ohne eigenen Torerfolg. Eine deutliche Verbesserung - wie auch im Spiel gegen Tschechien - gab es in der zweiten Halbzeit. Kapitän Uwe Gensheimer rückte für Matthias Musche auf die Linksaußen-Position und sorgte dafür, dass sein Team immer weiter davonzog. Mit acht Treffern war er am Ende Deutschlands bester Torschütze. Martin Strobel vom Zweitligisten HBW Balingen-Weilstetten, auf den Prokop als klassischen Spielmacher setzt, bekam zunehmend bessere Kontrolle über die Offensivaktionen. Am Ende war das Ergebnis aber auch so deutlich,weil die in der WM-Vorrundengruppe D startenden Argentinier körperlich abbauten.

Eine weitere Erkenntnis des Tages:Prokop bleibt ein Freund von Überraschungen. Sie sind nicht mehr so groß wie noch im vergangenen Jahr, als der damals neue Bundestrainer Abwehr-Spezialist Finn Lemke zunächst aussortierte. Aber auch diesmal gab es Unerwartetes, als Prokop seinen 18-Mann-Kader um zwei Spieler verkleinerte und dies am Sonntag mitteilte. Es traf den 22-jährigen Rückraumspieler Tim Suton vom TBV Lemgo, aber auch - Überraschung - Tobias Reichmann (29) von der MT Melsungen.

Beim EM-Sieg 2016 in Polen war Reichmann noch bester deutscher Torschütze gewesen, vergangenes Jahr in Kroatien hatte er in der Vorrunde mit seinem verwandelten Siebenmeter gegen Slowenien in letzter Sekunde für das 25:25-Unentschieden und einen der wenigen deutschen EM-Höhepunkte gesorgt. Mit 84 Treffern liegt er in der Bundesliga-Torschützenliste auch deutlich vor Patrick Groetzki (32 Treffer), dem nun einzig verbleibenden gelernten Rechtsaußen, der bei den Rhein-Neckar Löwen bisher eine eher durchwachsene Saison gespielt hat und auch gestern gegen Argentinien mit nur einem Treffer blass blieb. Eine Rest-Hoffnung auf die Heim-WM darf sich Reichmann ebenso wie Suton aber dennoch machen. Anfang Dezember hatte Prokop dem Weltverband IHF 28 Spieler für das Turnier gemeldet, während der WM sind maximal drei Wechsel mit Spielern aus diesem erweiterten Kader möglich.

Der 16-Mann Kader für die WM

Tor: Andreas Wolff, Silvio Heinevetter

Linksaußen: Uwe Gensheimer, Matthias Musche

Rückraum Links: Steffen Fäth, Finn Lemke, Fabian Böhm, Paul Drux

Rückraum Mitte: Martin Strobel, Fabian Wiede

Rückraum Rechts: Steffen Weinhold, Franz Semper

Rechtsaußen: Patrick Groetzki

Kreis: Hendrik Pekeler, Patrick Wiencek, Jannik Kohlbacher